What’s this?
Vorweihnacht
„Morning Holmes.“ – „DON’T ASK ME TO COMMENT ON YOUR NEW TIE!“ Sloterdijk – uiiih. Der muß ein vor Jahren geführtes Telefongespräch abgehört haben, in dem ich jemandem erklärte, dass dieses ganze Geversichere absurd. Sich gegen das Leben versichern zu wollen, hieße tot sein. Aber so tun sie es. „Sie“, die M-Püree-Menschen. Alles verneinen, was Leben, Lieben, Entwicklung ist. Aber ich bin müde, darüber zu viele Worte zu verlieren. Helfersyndrom und Beteiligtheit nach Timbuktu verschifft. Sie meinen, Sie überspringen das 21. Jahrhundert? Durch den Dienstboteneingang des 20. ins 19. zurück? Werfe ein paar Schachteln Antiidiotikum und Aspirin ins Gobelinköfferchen, das Samtcape über und bin dabei. British Lads, thumbs up, thank you! Und thank you auch für Mark Lanegan. Nicht nur die Musik, die goose-bumps-voice und allen voran (z.Zt.) You Will Miss Me When I Burn, auch für die wunderschöne Covergestaltung! Unternehmen Sie auf Ihren Rückwärtsreisen Raubzüge alter französischer Zeitungen? Die adorable poupée blonde et rose ist entzückend und der Plattenspieler erinnert so very an Control. Love it!
Ach ja, die Platten der Geschwister, ich kenne sie auch! Aber Plastikhüllen innen? Oh je oh je. Waren die besten Momente, wenn der Bruder in der Schule und ich am verbotenen Plattenschrank. Da auch gefunden mein Leben, meine Zuflucht, meine Vergangenheit, meine Zukunft, Offenbarung. Die Heilung. In seiner Schönheit wandelt er in Samthosen? Ich hörte damals von Leuten, die sich Punks nannten und auf ihren Platten herumsprangen, bevor sie aufgelegt wurden, undenkbar natürlich für die Gebrüder Penibel. Ungeschlagene Meister der Kabelvermuddelung sind ja Lichterketten. Auf Platz 2 knickt und schlängelt sich mein Telefonkabel herum, aber ich habe nun einen Teenager, der sich um Entwirrung bemüht, um in Verwirrung zu sprechen mit anderen seiner Zunft und zwar in seinen Gemächern.
Oh Dear, how you described The Devils Foot! Zu allem ein gehauchtes: Quite so. Und noch: Wie er im Moment, als die Polizei eintrifft, die zwei Hinweise gibt, mit denen der Fall gelöst werden kann. Genau weiß, dass diese keine Beachtung finden werden. Folgerichtig, dass er am Ende wütet, er arbeite schließlich nicht für die police. A deep sigh here. Logic is rare. Ich habe schon wieder vorausgegriffen und „The Dying Detective“ in eine Lernpause geschoben. Nur auf youtube, aber ach, wie groß ist diese Folge!?! Die Geschichte ist one of my favourites in geschriebener Form, deshalb die Wahl. So eine schöne Umsetzung! Die bezaubernde Susannah Harker, die in BBCs Pride and Prejudice die Jane spielt. JB sieht in der vorletzten Szene David Bowie ähnlich. Ich kann mich nur den Worten der jungen Dame in der letzten Szene anschließen: „We are very grateful to you, Mr. Holmes!“ – „My privilege, Miss Savage.“
Die raubzüglerische Rückwärtsreise spulte vorwärts zu einem der Bouquinistes in Paris, der aussah wie der Sohn von Michel Polnareff. Und von dem stammen denn auch eine Single von Michel Polnareff und zwei von Francoise Hardy aus den 60s. Und eine „Jours de France“-Illustrierte vom 19. Juni 1965. Da das Titelbild davon ohnehin hinter Glas an meiner Wand hängt (Francoise of course), entwand ich ihr Control-Plattenspieler und poupée blonde, das schwob mir heilig genug vor für das Wissen, es kommt ein Cash-Paket. Eine andere 60s-Ophelia: kennen Sie den besten Roman überhaupt, Bulgakows „Der Meister und Margarita“? Den hat Marianne Faithfull mal Mick Jagger empfohlen, und so kam es zu „Sympathy For The Devil“. Ich verehre diese Frau. Wenn Sie dem Stundenhehler nochmals begegnen, überlassen Sie sich doch dem überaus beeindruckenden Portrait der Tochter der Großnichte von Leopold Sacher-Masoch (5 Teile) auf YT.
JB ähnlich David Bowie in TDD? Gott, was wird sich noch alles ins Gedichtnis brunnen. Wie ich ohne diese Serie leben konnte, entkenntnist mein Ziehtsich. Es gibt Frogen, da bin ich überfrogt.
Sapperment! Ich setze Rauhreif an. Vorerst pfeife ich auf die Ewigkeit. Es schlägt 13 im Crescendo der Sibeliusstreicher. Weiße Laken aus Schnee. Mein Herz wird schmelzen und liquides Gefunkel versprühen. Einer der drei Weisen, dumm wie Bohnenstroh. Sieh mal Jesus, jeder von uns hat doch in seinem Herzen eine mehr oder weniger tiefe Wunde, nicht? Vergebung, Maestro. Ich friere bloß so. Weiße Laken aus Schnee. Bengalische Fackeln. Eine Prozession fackeltragender Eisheiliger. Ich scheine mich in einem kleinen Nest in Mittelschweden zu befinden. Oh, meine Schwester Lisbeth kommt aus der Schule. Stapft durch den Schnee in ihrem grünen Kleid. Ich frage mich, wer ihr diesen Hut aufgesetzt hat.
Ich kapituliere. Gehen wir. Aber ich will nicht sehen, wie sie sieht, wie ich gehe. Warten wir nur, bis sie uns den Rücken zukehrt.
Und als aus Lisbeth Liz geworden war, stand sie an Tagen wie diesen beim Fenster. Das graublaue Wolltuch um die schmalen Schultern geschlungen, schaute sie dem Schnee beim Schmelzen zu und sie wünschte sich nichts, als im Grünen durch den Schnee zu stapfen und dem Bruder noch einmal beim Gehen zusehen zu dürfen, aber wie immer wurde jeder Tagtraum jäh beendet, denn es war noch Brot zu backen und auszukehren. Nach zwei Wochen Klausurlernen und Prüfungstandhalten, die schlimmste von allen, genehmigte ich mir gestern den letzten der fünf Jeremy Brett-Filme. Der begehrte Junggeselle. Das Zeichen der Vier und Der begehrte Junggeselle sind DIE Filme. Der erste gnadenlos Holmesianisch, der letzte ein wenig wilder, psychedelisch zuweilen, Jeremys Krankheit angepasst sogar, würde ich meinen. Szenen, in denen er schwitzend im bodenlangen Nachthemd zu Bett fiebert, nur um im übernächsten Moment auf die Straße zu stürzen und im Schlamm zu landen bei dem Versuch eine Kutsche zu stoppen. Ich lag schaudernd und schaute nur. Spannungsbogen, Psychedelik, Traumdeutung, zu grellbunte Flüssigkeiten in den Phiolen, ein dunkelschwarzes Samtkleid mit weißem Spitzenkragen, Drama, ein fast zärtliches Ende. Ohne Sherlock Jeremy Holmes leben? Never again. Es entkenntnist sich Ihnen vollkommen zurecht.
Dem Stundenhehler begegnete ich wie erwähnt nur gestern einen kurzen Moment, er hat auch nicht immer alles vorrätig. Aber wenn das Lager wieder Nachschub lieferte, werde ich mich gern Marianne & Bulgakow widmen, es ist alles vielversprechend. Vor meiner Klausurtagungszeit habe ich mich noch dem Sherlock Holmes Handbuch hingegeben und es sagte, dass an dem Platz, wo bei Ihnen ein französisches Titelblatt die Mauern ziert, bei mir eines schönen Abends ein Titelblatt des Strand Magazins auf mich herablächeln wird nebst einer Sidney Paget Zeichnung, deren Originale aus den Erstveröffentlichungen ja, wie Sie vielleicht wissen, den göttlichen Creators von Granada und Jeremy als Vorlage dienten. Im Handbuch kann man die Zeichnungen unmittelbar mit den Serienbildern vergleichen. Fantastic, Holmes, splendid! Das Bild mit der Rose ist besonders beautiful.
Das ist ein feiner Plan, mit dem Strand Magazine-Titelblatt. Derzeit sehe ich die falschen Filme. Fight Club. Aguirre, der Zorn Gottes. Ein Thema von Fight Club ist ja, daß man von Flutwellen gequirlter Scheiße erfaßt wird. Man liegt da und denkt, ach aus dem Haus in der Paper Street könnte man schon was machen, mit Helena Bonham Carter drin. Doch der Protagonistenkopf sagt sich nun mal Dinge wie: mit genug Seife könnte man so ziemlich alles in die Luft jagen. Eins muß man Tyler Durden lassen: er hat die Fähigkeit, das, was ohne Bedeutung ist, weggleiten zu lassen. – Wir halten durch. Ich bin der Zorn Gottes. Wer sonst ist mit mir. Wir haben entschieden, dem Treiben des Schicksals ein Ende zu setzen. Wir rebellieren bis auf den Tod. Irgendwie gehören diese beiden Filme zusammen, aber bevor ich herausfinde wie, lenkt mich „Metropolis“ ab, mit den 25 in Buenos Aires gefundenen Minuten. Gut so. Aus einem perfekten Kreis
werfe ich mich in Schwarze Löcher, um in Erfahrung zu bringen, wie sich dort die Zeit verlangsamt.
