Cured Catherine: Wissen Sie auch, wofür ich die Franzosen sehr hoch schätze? Sie sitzen im Café nebeneinander. Nicht gegenüber. Wir wissen eigentlich alle seit Saint-Exupéry, dass eines der Geheimnisse der Liebe darin besteht, gemeinsam in dieselbe Richtung zu sehen, anstatt sich in die Augen, aber die Franzosen verstehen es auch, dies zu leben. Und wenn man „Liebe“ mal übersetzt nimmt für jede Begegnung und jeden Austausch zwischen Menschen, so finde ich, dass grundsätzlich nebeneinander mehr stattfindet als gegenüber. Weil man in die gleiche Richtung blickt und weil man sich auf Inhalt konzentriert und nicht auf Äußeres. Aber setzen Sie sich deutschen Freunden im Café oder in der Bahn mal nicht gegenüber. Stiftet erstmal Verwirrung.
Das ist sehr richtig, das mit dem Nebeneinandersitzen, aber erst durch Ihre Gedanken wurde mir mein eigenes Gefühl klar, obwohl das schon äonenlang so ist. Man hat so viel mehr das Gefühl, eine Phalanx zu sein, facing the rest of the world, wie es sich gehört, die through-thick-and-thin-ness, die sich so unbedingt beweist, während sie mit solcher Selbstverständlichkeit darlegt, daß sie niemandem mehr etwas beweisen muß, das Nebeneinandersitzen, das dem Rest der Welt sagt: „Hauen Sie ab, ich warne Sie!“ Plötzlich wird auch ein weiterer Grund klar, warum zig Filmszenen mit Anna Karina & Co. in Pariser Cafés soviel bezaubernder wirken, warum man überhaupt immer, wenn man Liebende nebeneinander sitzen sah, eine kurze Impression hatte von: die sind stärker als alles, die bringt kein betrunkener Gott auseinander, warum ein Bild von Leo von König aus dem Jahre 1909 mich so faszinierte, etc etc… Die Geliebte an der Seite zu spüren, im „Bohème-Café“ (so heißt das Bild) oder an jeder Traumhaltestelle, gehört zu den 13 göttlichen Gefühlen.
