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Abandoned Barbies

Abandoned Barbies. Foto von Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot

Ein Mann betritt das Reich hinter dem Selbstverständlichen

Ein Mann betritt das Reich hinter dem Selbstverständlichen. Rezension zum Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann.

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Aljoscha der Idiot

Das Leben, die Liebe, das Universum und noch ein paar Dinge 

Das Leben, die Liebe, das Universum und noch ein paar Dinge. Rezension zum Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann.

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The Everlasting Gaze

Sunday Morning

Christian Erdmann, The Everlasting Gaze: Sunday Morning.
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Père Lachaise I

Père Lachaise I. Analogfotografie von Christian Erdmann.
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The Everlasting Gaze

The Tin Man says I’m doing fine

Christian Erdmann, The Everlasting Gaze: The Tin Man says I'm doing fine.
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Horror

Philosophie des Horrors

„Doktor, kommen Sie… schnell…!“

(Standardsätze des Horrorfilms I)

Das Horrorgenre gilt als trivial, beschäftigt sich aber mit äußerst untrivialen Dingen, beispielsweise den sogenannten letzten Dingen – Tod, apokalyptische Endzeit, Jenseits, Auferstehung der Toten. Jedes Feld philosophischer Betrachtung ist auch ein Feld des Horrors, und vice versa. Wenn man will, aber man muß nicht wollen, lassen sich die für das Horrorgenre bedeutsamen Probleme und Motive gliedern in die klassischen Disziplinen der Philosophie: Metaphysik, Erkenntnistheorie, Ethik, Logik, Ästhetik. Im Horrorfilm geht es, wie in der Philosophie, um die „Fragen von Tod und Leben“ (Schmid 1993, 10). Der Thrill des Horrorfilms ist von höchster philosophischer Relevanz.

Der Horrorfilm ist so alt wie die Filmgeschichte selbst. Das Genre hat Klassiker hervorgebracht, die das Etikett „Horror“ transzendieren. Filme wie Freaks, Cat People, Les yeux sans visage oder The Shining sind bedeutende Werke der Kunstgeschichte. Man muß sich fragen, ob die Denunziation des Horrorfilms als „trivial“ einen tieferen Sinn hat. Trivial bedeutet bekanntlich so viel wie: unmittelbar einsichtig, platt, abgedroschen. Aber Horrorkunst bestreitet gerade, daß an Tod und Leben, am Leib-Seele-Problem, an Sexualität und Identität, am Problem von Normalität und Abweichung, an der Frage nach dem Anderen und Fremden, nach den Grenzen der Erkenntnis, nach den Grenzen der Wissenschaft, an der Frage nach der Grenze überhaupt, an des Menschen Verhältnis zur Natur, an der Frage, warum der Mensch ein Abgrund ist, in den hineinzuschauen es einen schwindelt, an der Frage nach kosmischer bzw. gesellschaftlicher Ordnung bzw. Unordnung, an der Frage nach der „Wirklichkeit“, an der Frage nach Form, Metamorphose, Deformation und Monstrosität, am Problem von Selbstkontrolle und Kontrollverlust, am Problem von Verbot und Übertretung, am Problem des Menschen zwischen Existenz und Wesen, am Problem der Existenz von Wesen, am Problem der Willensfreiheit, an der Dialektik von Aufklärung und Mythos, von Eros und Thanatos, von Lust und Angst, Faszination und Schrecken, am Zusammenhang von Grausamkeit und Schaulust, am Problem des Übernatürlichen, am Mythos des Weiblichen, an der Frage nach Sein und Nichts und Mensch und Ding oder an Barbara Steele irgend etwas „unmittelbar einsichtig“ ist. Die Existenz von Horrorkunst ist das Beharren auf der Möglichkeit des Nicht-Einsichtig-Seins und Nicht-Durchsichtig-Seins des philosophisch brennend Wichtigen und scheinbar Geklärten. Im Grunde proklamiert das Horrorgenre, daß die finsteren Zeiten der Aufklärung endlich vorbei sind. Wie die philosophische Skepsis behauptet das Horrorgenre, daß gewisse Fragen, auf die man Antworten schon lang parat hat, nicht so und womöglich gar nicht beantwortbar sind.

Miserable Horrorfilme, deren volle Länge man nur mit Schutzengel übersteht, existieren, so wie es in jedem Genre miserable Filme gibt. Doch darf sich das Horrorgenre einer Vielzahl subtiler, sublimer, intelligenter Werke rühmen, in denen beileibe nicht „unmittelbar einsichtige“ Antworten auf komplexe Fragen gegeben werden. Hier von Trivialität zu reden, erinnert verdächtig an jene Art von Borniertheit, die eine Wahrheit nicht wahrhaben will, weil der Falsche sie äußert. Das Verdikt trivial ist ein Akt der Notwehr. Der Horrorfilm ist Umgang mit Verdrängung. Er inszeniert verbotene, verdrängte und verborgene Erscheinungen der individuellen Existenz oder des gesellschaftlichen Lebens. Den Horrorfilm abzulehnen heißt, den Umgang mit Verdrängung als nicht erwünscht abzulehnen.

Es gilt zu differenzieren zwischen dem Genre und dem Zustand Horror. Natürlich befinden sich das Genre und der Zustand in untrennbarem Bezug: weil der Horrorfilm zum Ziel hat, Horror auch auszulösen; weil der Zustand Horror die Strukturen des Genres generiert; weil das Genre wiederum Erkenntnisgewinn über den Zustand liefert, und weil seit der Katharsislehre des Aristoteles zur Geltung gebracht werden kann, daß die Existenz des Genres zu einer besseren Bewältigung des Zustandes verhilft. Gleichwohl gilt es zunächst, die menschliche Grunderfahrung Horror zu verstehen: der Zustand Horror beginnt mit dem Schauder des Menschen vor dem Übernatürlichen, dem Unheimlichen und Dämonischen. Das Horrorgenre beginnt, spätestens, mit der griechischen Tragödie.

Man könnte mit kaum weniger Recht behaupten, daß es mit den Höhlenmalereien beginnt. Das Bild an der Höhlenwand war auch eine Repräsentation der Kreatur, die Angst einflößt. Das Bild bedeutet Zähmung – nicht der „Bestie“, aber der Angst vor ihr. Durch die Darstellung der Tiere „wird man ihrer Herr“. Das Bild ist Annäherung an das Andere und Mächtige. Dieses wird stilisiert, wird dramatische Vorstellung: die Festlegung zum Bild hilft, die Realität zu bewältigen. Ein Bild herstellen heißt, Distanz zu erlangen; sich vor, neben und über das Abgebildete stellen, von der unmittelbar bedrohlichen Präsenz abstrahieren und eine gewisse Macht über das Gefürchtete gewinnen zu können. „Verbildlichung“ ist nicht Abbildung: „Der Mensch, der zuerst auf den Gedanken kam, das ihn Umgebende festzuhalten, hatte nicht die Absicht, eine getreue Reproduktion herzustellen.“ (Van der Leeuw 1957, 164). Es war ein Re-Präsentieren, das auf der Überzeugung beruhte, daß man sich mit der Darstellung dem Dargestellten nähern, ja bemächtigen kann. Die Herstellung der re-präsentierten Gestalt sichert zugleich Gegenwärtigkeit und Abstand.

Und der Versuch, im Bild das Dargestellte zu beeinflussen, geht davon aus, daß das Dargestellte mächtig ist.

Die Darstellung des Schrecklichen, das Bild des Grauens ist eine Auseinandersetzung mit der Angst, und diese Auseinandersetzung reicht zurück bis in die Uranfänge menschlicher Zivilisation und Kultur. Das fiktive wilde Tier an der Höhlenwand bedeutete ein Sichwappnen gegen das reale wilde Tier. Zugleich bedeutet es die Geburtsstunde des fiktiven Schreckens. Das wilde Tier an die Wand zu malen war eine versuchte, aber nicht vollends geglückte magische Erledigung der Angst. Was da half, mit dem Realen besser umzugehen, war immer noch ein Bild des Bedrohlichen. Es hatte immer noch Macht. Auch aufgund der primitiven Überzeugung, nach der durch das Bild das Wesen erscheint: “ (…) es ist also äußerst gefährlich, dämonische oder göttliche Wesen bildlich darzustellen. Man beschwört sie, indem man sie abbildet oder ihre Bilder aufstellt.“ (Van der Leeuw 1957, 169).

Das Fiktive legte Distanz zum Realen, aber zugleich drang das Schreckliche primordial in das Fiktive. Von Anfang an ist Ästhetisierung ambivalent: ein Bild des Gefürchteten herzustellen bedeutet zugleich Beschwörung seiner Nähe, das wilde Tier an der Höhlenwand vermittelt damit zugleich Lust und Schrecken, das Dargestellte, bildlich Gezeigte ist zugleich anziehend und furchterregend. Hier liegt der tiefere Sinn von Rilkes Wort vom Schönen als des Schrecklichen Anfang. Dieser Anfang bezeichnet einen genau lokalisierbaren Punkt der psychischen Topographie: dort, wo – durch Ästhetisierung, Abbildhaftigkeit und schließlich Herstellung des Schönen – das Schreckliche bis zu einem gewissen Grad überwunden wird, es also ein „Ende“ hat, dort liegt auch sein „Anfang“ – nur in der anderen Richtung. Das Schöne ist ein Spiegel, der uns eine Fähigkeit unserer Wahrnehmung reflektiert. In der Welt hinter dem Spiegel lauert das Schreckliche. Die Spiegelfläche bedeutet zugleich Ende und Anfang des Schrecklichen. Das Horrorgenre ist eine Art des Durchgangs durch den Spiegel. Es muß von der Schönheit des Schrecklichen handeln, weil es in Erinnerung ruft, daß es das Schöne ohne das Schreckliche gar nicht gäbe.

Nicht jeder Schrecken ist tatsächlich lebensbedrohlich, aber jeder Schrecken läßt sich psychisch zu einer Bedrohung der eigenen Existenz verlängern, ist potentielle Totalzersetzung von gesicherter Weltwahrnehmung, gesichertem Identitätsgefühl und kontrolliertem Handeln, potentielle Destruktion eines Gefühls grundsätzlichen In-Sicherheit-Seins.

Eine Anthropologie des Horrors hätte den Zustand Horror in einem Geflecht aus anthropologischen Grundbegriffen zu lokalisieren: Grenze, Form, Erkenntnis, Ordnung, Identität, das Andere. Durch den Zusammenhang dieser sich wechselseitig bedingenden Konzepte entsteht „Wirklichkeit“, der „Kosmos“ als erkennbare, verstehbare, übersichtliche Einrichtung, die „Welt“ als Gesamtheit des Seienden in irgendwie geordneter Einheit, als sinnvolles Verhältnis von Innenwelt und Außenwelt. In der Konfrontation von Grenze, Form, Erkenntnis, Ordnung und Identität mit Formen des Anderen – mit ihrem jeweiligen Anderen – äußert sich die Bedrohung von Makrokosmos und Mikrokosmos durch das ihrer Konstitution inhärente Horrorpotential.

Menschliche Erkenntnis basiert auf den Prinzipien von Grenze, Form und Ordnung. Erkennen heißt, etwas als etwas erkennen, und es gibt kein erkennbares Etwas ohne Form und Grenze. Eine als Tarantel auf einem Kirschkuchen erkannte Tarantel auf einem Kirschkuchen grenzt sich in ihrer Tarantelform nicht nur vom Kirschkuchen, sondern vom gesamten Nicht-Tarantel-Sein überhaupt ab. In der Erkenntnis, so wenigstens die klassische Konstellation, steht ein erfassendes Subjekt einem erfaßten Objekt gegenüber. Damit das Subjekt die Bestimmungen des Objekts erfassen kann, muß das Objekt als Objekt erfaßt sein, differenziert von anderen Objekten. Indem das erkennende Subjekt das Objekt als ein Gegenüberstehendes erfaßt und das erfaßte Objekt von anderen zu erfassenden Objekten abgrenzt, stellt der Erkenntnisprozeß eine Ordnung des Wirklichen her.

Erkenntnis strebt nach dem klar Bestimmten und Differenzierten, also voneinander Abgegrenzten, sie zielt auf das der Form nach Einheitliche und tendiert nicht nur zur widerspruchsfreien Ordnung, sondern zur Widerspruchsfreiheit als Ordnung. Erkenntnis folgt in der Antike dezidiert, in der Moderne diskret, aber habituell einer Strategie des Logos. Als Logos galt in der Geistesgeschichte zunächst die weltdurchwaltende Vernunft, die kosmische Ordnungskraft; der Logos war Signum des göttlichen Ordners des Weltganzen, dem es als Bestem nur gegeben ist, das Schönste zu tun (Platon, Timaios 30 a/b), und nichts ist – für Platon und mehrheitlich seit Platon – schöner als ein vernünftig geordnetes und durch Vernunft in seiner Ordnung erkennbares Ganzes. Die göttliche Macht hatte alles Sichtbare „in ungehöriger und ordnungsloser Bewegung“ (Platon 2019, 29) vorgefunden: eine Art Chaos also, aber sichtbar. Auch das Schöne, das der Logos à la Platon schuf, ist das Ende des Schrecklichen, könnte aber jederzeit auch wieder dessen Anfang werden, sobald dieses geordnete Formannehmen voneinander abgegrenzter Dinge in Auflösung geriete.

Da die Rede vom Sichtbaren ist, erklärt sich von selbst, wie die Strategie des Logos auf dem Prinzip des Eidos beruht. Das Wort eidos bedeutet zunächst Urbild, Form, Gestalt, Wesen und gewinnt dann Färbungen, die sich mit den Bedeutungen von Logos überschneiden: Begriff, Idee. Der Gehalt des Terminus Logos fächert sich weiter auf: Rechenschaft, Begründung, Wort, Rede, Gedanke, Sinn, Begriff, Sprache, Ordnung, Vernunft. Heraklit hatte den Logos eingeführt als das ewige Prinzip, nach dem das Weltganze geordnet ist. Nicht die ständige Veränderlichkeit der Phänomene, wie man nach seiner Auffassung, daß alles fließt, annehmen könnte, sondern die innere Balance aller Dinge und die innere Einheit aller Gegensätze ist das Zentrale bei Heraklit: der Logos ist das die Einheit Stiftende, das stabilisierende innere Gefüge des Kosmos, die unsichtbare Struktur und Harmonie, die (laut Fragment 54) mehr gilt als die sichtbare. Vielleicht „gilt“ sie mehr, aber psycho-logisch gesehen ist sie später als die sichtbare Harmonie. Der Logos à la Heraklit teilt sich als Struktur des Seins im Erkanntwerden dem Denken mit, ist als Gedanke aussprechbar: ein Prinzip des Seins überträgt, indem es erfahren wird, seine Struktur dem Bewußtsein, der Sprache, bewirkt das geordnete (vernünftige) Reden. Dieser Sichtweise gereicht die Vernunft zur Repräsentation des Logos als der einigenden Ordnungskraft, die den Kosmos durchwirkt: Vernunft, die mit innerer Logik vorgeht, ist deckungsgleich mit dem Weltlogos. Durch die Bewegung, mit der sich das Sein „in das Denken und das Wort hinein realisiert“ und differenziert, Logos also „Realisierung von Grundstrukturen des Seienden“ (Schadewaldt 1978, 27) bedeutet, sucht sich das Denkgeschehen seine Objektivität zu garantieren. Tatsächlich aber ist die „sichtbare Harmonie“ ihrerseits Produkt einer anthropologischen Disposition: der Notwendigkeit, dem Prinzip des eidos zu folgen, sichtbar voneinander abgegrenzte Formen zu sehen und so eine Ordnung in die Welt hineinzuregeln.

Sokrates bzw. Platon erklären Logos zur begründeten Rede, die, weil sie von etwas Rechenschaft gibt, Erkenntnis zeitigen kann. Auf Logos-Rede kann man sich verlassen, denn es ist Rede der Form, und dies kann sie sein aufgrund voneinander abgegrenzter Inhalte. Aber schon die Bedeutung von Logos als Wort verrät das Auftauchen des Logos aus dem Eidos: Logos als Wort bedeutet nicht Vokabel, sondern ein Wort, dessen Form durch einen zugrundeliegenden vernünftigen Gedanken zustandekommt; es bedeutet, daß sinnvoll etwas zu etwas erklärt wird, und das ist möglich, weil es möglich ist, es als etwas anzusehen und zu betrachten. Der Logos verbietet die Ansichtssache, weil die in Rede stehende Sache als Eidos ansichtig ist, klar bestimmt durch Grenze und Form; erfaßbar als Bild, Begriff, Idee. Logos handelt vom Übergang einer sinnvollen Anordnung einzelner, voneinander abgegrenzter Formen aus dem Sein in das Bewußtsein. Das Verschiedene wird der Vereinheitlichung unterzogen und zusammengesetzt durch den Logos. Logoi sind (harmonische) Verhältnisse (vgl. Aristoteles, Metaphysik 986a). Angeordnet werden kann nur, was schon Grenze und Form hat, und das Angeordnete ist das Zusammengelegte, Gesammelte, Zusammengelesene: Logos stammt ab von legein, ursprünglich auflesen, sammeln, zusammenlegen, ordnen, zusammenlesen, zählen. Der Logos aktiviert die vernünftigen Funktionen des Menschen: Sprechen, Denken, Rechnen. Zählen wird Aufzählen wird Erzählen: etwas herzählen bedeutet, etwas in bestimmter Ordnung zu nennen, einen bestimmten Zusammenhang herzustellen, ein „Gefüge von Verhältnissen und Bezügen“ sichtbar zu machen: Logos erscheint hier als „Proportionalität“ (Schadewaldt 1978, 73 ff.).

Logos ist stimmige Rede, weil sie zu einem wohlgefügten Ganzen verbindet. Zur Zeit Homers galt Sprache nahezu nur dann als Sprache, wenn sie Wohlklang aufwies, wenn sie das Harmonische und Stimmige verriet. Das Gesammelte kann in geordnetes Reden übergehen, sofern Bestandteile voneinander abgegrenzt und in harmonische Form gebracht werden.

Grenzsetzung und Formverlangen sind anthropologische Grundbedürfnisse. Grenze und Form sind die Primärfaktoren unserer „Wirklichkeit“, die ersten Medien jeder Kosmogonie, Bedingungen, ohne die Erkenntnis nicht Erkenntnis sein könnte. Gravierende Auflösungserscheinungen von Grenze und Form provozieren den Zustand Horror. Der im engeren Sinne rationalen Welterkenntnis ist stets ein Modus der Überwindung eingewoben. Die Strategie des Logos versteht sich als Überwinderin der mythischen Weltsicht, in der Grenzen durchlässig bleiben und die Elastizität der Metamorphose regiert. Ratio verlangt immer neues Beharren darauf, daß der „Welt“ vernunftgemäßes Erkennen entspricht. Ratio bedeutet ursprünglich das Abrechnen und Berechnen und entwickelt sich, wie Logos, vom sinnvollen Zusammenlegen, vom Stimmen der Rechnung her. Summen geben Rechenschaft, Rechenschaft gibt Aufschluß, berechnende Rücksicht wird Erwägung, das aus Überlegung Hervorgegangene zeitigt Begründung, die Ratio wird Grund, und wo ein den Gegenstand erklärender Grund ist, sind vernunftmäßige Verhältnisse: Maße, Gesetzmäßigkeiten, Regeln, mit einem Wort: da ist Ordnung. Erkenntnis ist Mobilisierung der Prinzipien Grenze und Form im Namen der Strategien von Logos und Ratio.

„Rationalität“ hat also eine Provenienz, die nahezu synonym ist mit Aufrechterhaltung des Kosmos. Rationalität als die den westlichen Kulturkreis dominierende Weise des Zugriffs auf die Welt behauptet, daß die Welt ohne Ratio ohne Grund ist, ohne Fundament, und also ins Bodenlose versinkt; zudem verbindet sie die Auflösung von (oder Auflehnung gegen) Grenze und Form mit dem Irrationalen. Das Horrorgenre feiert die Saturnalien von Logos und Vernunft – die Zeit, in der die innere und äußere Ordnung außer Rand und Band gerät.

Selbst eskalierende Ratio hat ihren Grund in der visuellen Anschauung, die wiederum unmöglich wäre ohne die Prinzipien von Grenze und Form. Grenze und Form sind „apollinische“ Prinzipien: Camille Paglia hat apollinische Strukturiertheit zum Charakteristikum des westlichen rationalen Denkens, der abendländischen Kultur überhaupt erklärt: das Streben des westlichen Menschen ist auf die Form, auf die abgegrenzte Identität der Dinge gerichtet.

Tatsächlich läßt sich sagen, daß die berühmte Geste des ausgestreckten Armes des Gottes Apollon alles symbolisiert, was Erkenntnis sichert und gesicherte Erkenntnis zeitigt: Abstandnahme, Distanzierung, Vergegenständlichung, Verobjektivierung, Verbildlichung, Ästhetisierung, Vereinheitlichung, Grenzziehung, Formgebung, Sicherung von Identität und Ordnung. Damit ist nicht das Abendland umschrieben. Aber es sind vorherrschende modi einer in der westlichen Zivilisation vorherrschenden Tendenz, die sich unter dem Begriff des Apollinischen zusammenfassen läßt. Der Zusammenbruch des sicheren Abstands zu den abgegrenzten Objekten und festumrissenen Formen, die Außerkraftsetzung der erkenntnissichernden modi, die dem Menschen die Überzeugung erlauben, sich der Welt zu bemächtigen, der Rücksturz in chaotisches Verwischen und Verschmelzen der Grenzen, Formen und Identitäten bedeutet Horror. Und in einem apollinischen Kosmos entspricht der Zustand Horror der lärmenden Dissonanz des Dionysischen.

Paglia unterstreicht, daß Identität in der westlichen Kultur weitgehend synonym ist mit abgegrenzter Identität. Dies betrifft die Dinge wie die personale Integrität: der abendländische Begriff der Individualität ist apollinisch. Das Konzept der Identität ist abhängig vom Konzept der Grenze und zwangsläufig auch Funktion der Form-Bedeutung. Ich-Identität, Übereinstimmung der Person mit dem, was sie ist, setzt voraus, daß dieses Etwas, an dem Übereinstimmung stattfindet, eine Form hat. Affizierbarkeit der personalen Identität bedeutet, daß etwas – das Andere – ihre Grenze trifft, bedeutet die potentielle Veränderbarkeit ihrer Form. Wenn die festumrissene Grenze der Identität so spezifisch westlich ist, erscheint auch ihre erhöhte Enervierbarkeit durch das Andere, ihre erhöhte Anfälligkeit für Horror spezifisch westlich. Buddha ist der unbegrenzt Existierende, der kein Anderes kennt: seine Unbegrenztheit begründet seine Untangiertheit, seine Nichtaffizierbarkeit.

Personale Identität bedeutet, daß es ein Anderes gibt, das nicht zu ihr gehört: Identität und das Andere bedingen sich ebenso wechselseitig wie Ordnung und Erkenntnis. Wie es keine Identität ohne das Andere und kein Anderes ohne Identität gibt, so gibt es keine Erkenntnis ohne Ordnung und keine Ordnung ohne Erkenntnis. Ohne die Konzepte von Grenze und Form wiederum gibt es weder Erkenntnis noch Ordnung, und ohne das Konzept der Grenze gibt es keine Form: im Werden zur Gestalt findet das Unbegrenzte Begrenzung. Offenkundig also hat das Konzept der Grenze in diesem anthropologischen Koordinatensystem die tragende Rolle.

Laut Karl Jaspers gibt es drei Anlässe für Philosophie: das Staunen, den Zweifel und die Grenzsituation, jene Situation, in welcher der Mensch seine Existenz erfährt und seiner Endlichkeit gewahr wird: Sterben und Tod, Schmerz, Leiden, Kampf, Schuld. Sichtlich nun ist auch Horror eine Grenzsituation; ein Zustand, der das Gewahrwerden von Endlichkeit abfordert, indem er an Identitätsgrenzen rührt: sei es in der Konfrontation mit Tod und Auflösung, die an die Begrenztheit des Lebens, an die Endlichkeit personaler Identität überhaupt gemahnt, sei es im herausfordernden Zugriff auf eine bestimmte Grenze in der Konstitution des Selbst, der immerhin noch die Möglichkeit eines Todes im Leben beschwört – den Tod des alten Selbst.

Die Grenze erzeugt das Jenseits der Grenze: das Andere, das Fremde. Der Zustand Horror vermerkt die Bedrohung und das Überschreiten von Grenzen elementarer Bedeutung, den plötzlichen Einbruch oder Übergriff des Anderen und Fremden. Es gibt Horror, seit es die Wahrnehmung von Grenzen gibt, und es gibt die Wahrnehmung von Grenzen, seit es Wahrnehmung gibt. Wo keine Grenze ist, kann nichts wahrgenommen werden außer Chaos. Das heißt, kann Chaos wahrgenommen werden? Wo Chaos konstatiert werden soll, muß es immerhin die Grenze geben, die eine Perspektive ermöglicht, aus der das Chaos wahrgenommen werden kann. Wenn Paglia bemerkt, das Chaos der archaischen Nacht sei „formlos und grenzenlos“ (Paglia 1995, 359) gewesen vor der Geburt des Blicks, ist damit die Blickdominanz der westlichen Kultur als Maßnahme gegen das Chaos angesprochen. Wir fürchten eine Grenze zum Chaos, die wir mit ordnungshörigem und ordnungsschaffendem Blick fernzuhalten suchen; aber wir glauben an die Existenz dieser Grenze.

Es gibt keine Erkenntnis ohne Grenzen. Die Grenze etabliert Ordnung durch Differenzierung: undifferenzierte Einheit oder Chaos oder Formlosigkeit oder Anarchie wird in Ordnung überführt durch Akte der Abgrenzung. Die Grenze ist elementares Prinzip der Seinsgestaltung – und Abgrenzung ist elementares Prinzip der Identität. Indem durch Abgrenzung das Andere entsteht, stellt sich Identität her, und die Art und Weise der Grenzziehung bestimmt, in welchem Maße das Andere das Fremde ist. Das in der Herstellung von Ordnung und Identität konstituierte Andere wird zum potentiellen Horror, wenn seine Entfernung durch die Grenze zu weit oder nicht weit genug gegangen ist; wenn es zu fremd geworden oder zu nah geblieben ist. Durch die Grenze selbst gerät Horror zur ständigen Unio mystica – zur geheimnisvollen Einheit – mit dem Anderen.

Eine Grenze des Selbst ist tangiert und steht auf dem Spiel, die sich beim Menschen der Frühzeit auch dadurch erst befestigte, daß er im Horror die Grenzverletzung empfand. Der überwältigende, schaudernmachende Eindruck beweist etwas, das überwältigt worden ist und schaudert; mir widerfährt, also bin ich – horreo ergo sum. Die erste plötzliche Konfrontation mit einem Anderen in der archaischen Menschheit war der Übergriff des Numinosen, empfunden als Schauder vor dem mysterium tremendum und dem Ganz anderen, wie Rudolf Otto es nennt.

Die Strategie des Logos vermag den Zustand Horror nicht abzuschaffen, denn Horror dringt gerade aus den Sollbruchstellen dieser Strategie und beweist die Anfälligkeit der Aufklärung für den inhärenten Feind, das von ihr vermeintlich Überwundene. Angst, Verstörtheit, Unglück, Beunruhigungen, Spannungen fliehen zu Rationalisierungsbestrebungen. Die Grenzziehung als anthropologische, erkenntnistheoretische oder auch soziale conditio sine qua non soll den Horror bannen, Furcht minimieren, diffuse Weltangst lindern, soll Form, Ordnung, Identität und Erkenntnis gewährleisten – und enthält doch in dem Maße ein gesteigertes Potential für Horror, je rigoroser die Grenzen gezogen werden. Je mehr das Andere durch rigide Grenzziehung zum Fremden wird, um so befremdlicher und horrender wird der Kontakt mit ihm, wenn die Grenze keine Ab- und Ausgrenzung mehr leistet. Dialektik der Aufklärung: je mehr beherrschbar und beherrscht wird, um so stärker wird der Rest an Unbeherrschtem und Unbeherrschbarem zur Quelle der Angst.

Eine Anthropologie des Horrors hätte also der These zu folgen, daß Horror die beständig lauernde Immanenz in den humanen Strategien zur Weltbewältigung ist, eine durch das Streben nach Weltbewältigung gesetzte Immanenz, eine Art ghost in the machine in der Entwicklung der rationalen, logisch-vernunftgebundenen Welt- und Selbsterkenntnis. Horror ist der auf Grenze, Form, Ordnung und abgegrenzter Identität basierenden apollinischen Strukturierung der Welt notwendig inhärent. Zuerst bestimmt die Art des Horrors die Art der Rationalität: Strategien der Weltbewältigung sind zunächst Strategien zur Vermeidung von Horror. Als Geist in der Rationalitätsmaschine wird der Zustand aber nach wie vor akut, wenn deren Strategien versagen oder sich als unzulänglich, als verkürzend herausstellen. Der Zustand Horror verweist auf die andere Seite der apollinischen Struktur. Im Horrorgenre erscheinen Wesen und Zustände, deren Herkunft die „Hohlräume in der abendländischen Kultur“ (Leppmann 1993, 149) sind. Indem das Genre Horror den Zustand Horror vorsätzlich beschwört, erinnert es an die von den rationalen Strategien ausgeblendeten Bereiche und kritisiert die von ihnen geschaffenen Paradigmen. Grenze, Form, Ordnung oder Identität als anthropologische Grundkonstanten bzw. erkenntnistheoretische Versicherungen werden vom Horrorgenre in ihren deutlichen oder möglichen Verengungen angegriffen; die Frage des Bezugs zum Anderen – und zum Anderen der rationalen Paradigmen – wird stets aufs neue zugespitzt.

Horrorkunst würde nicht auf diese Weise kritikfähig sein können, wenn der Zustand Horror lediglich aus Repulsion und Abscheu bestünde; dann käme es stets zur Reduktion auf den Status quo, zur Affirmation und Festigung bestehender äußerer und psychischer Gefüge. Der Zustand Horror ist jedoch wesentlich Ambivalenz: eine Mischung aus Abscheu und Lust, aus Repulsion und Faszination. Und diese Lust, diese Faszination am Anderen des Status quo verleiht dem durch das Horrorgenre transportierten Unbehagen über das allzu Verengende der rationalen Strategien Gewicht. Abscheu und Repulsion sind Reaktionen der Beschränkung, apollinische Bekräftigung bestehender, versichernder Grenzen und Formen. „Das Apollinische ist stets reaktionär“ (Paglia 1995, 162). Lust hingegen ist stets Lust an der Erweiterung, also auch an dionysischer Grenzauflösung. Freud definierte Eros als das Streben danach, größere Einheiten zu schaffen. Der Schauder des Horrors bedeutet eine Art Aufrichten der Antennen: zur Kommunikation mit dem Unbekannten, Unvertrauten, Unheimlichen. Jede Art von Horror hat diese erotische Komponente: die plötzliche und violente oder aber sukzessive, jedoch anhaltende Öffnung zum Austausch mit dem Anderen, ein Austausch, der das eigene Selbst moduliert und modifiziert. Der Reiz des Schreckens besteht darin, diese Öffnung zu ertragen. Nicht trotz der Aufklärung gibt es eine Lust an der Angst, sondern wegen ihr.

Horror steht in der Dialektik von Grenze und Entgrenzung, von Form und Formlosigkeit bzw. Deformation, von kognitiver Orientierung und kognitiver Desorientierung, von Ordnung und Chaos; in der Dialektik von Ich-Identitäts-Sehnsucht und Ich-Identitäts-Auflösungs-Sehnsucht; schließlich in der Dialektik des Selben und des Anderen, des Eigenen und des Fremden. Virulent wird der Zustand Horror in der Wechselwirkung einer auf Grenze, Form, Ordnung und Identität sich beziehenden apollinischen Beharrungstendenz und einer dionysischen Auflösungstendenz. Das Horrorgenre thematisiert zugleich den Schrecken der Nichtvorhandenheit von Grenze, Form, gesicherter Erkenntnis, Ordnung, Identität, und die Lust an der zeitweiligen Nichtvorhandenheit all dessen; der Zustand Horror schillert zwischen der Sehnsucht nach dem integren, abgeschlossenen Selbst und der Sehnsucht nach dem Anderssein, der Metamorphose. Zwischen der Angst, daß man die Kontrolle über das eigene Schicksal verliert, und der Lust daran.

Horror ist anthropologische Notwendigkeit gerade durch das anthropologische Grundbedürfnis nach kognitiver Orientierung. Die plötzliche Konfrontation mit dem Anderen als dem, was den prinzipiell zu immer mehr Rationalität strebenden Strategien kognitiver Orientierung prinzipiell zuwiderläuft, die Konfrontation mit dem, was im Hinblick auf Grenze, Form, Ordnung und Identität das Andere darstellt und in seiner Bedrohlichkeit doch zugleich faszinierend und anziehend wirkt, ist die klassische Horrorsituation.

In seiner Theorie der Moderne namens Philosophie des Geldes (1900) erkennt Georg Simmel im Hinblick auf das Lebensgefühl und den Stil des modernen Individuums die Distanz als eine grundlegende Bestimmung. Simmel diagnostiziert die Tendenz zu einer immer größer werdenden inneren Distanzierung zwischen dem Ich und seinen Lebensinhalten, inneren wie äußeren, als ein Signum der Moderne, das sich weit über den Bereich des bloß Ästhetischen hinaus kundgibt. Das Interesse seiner Zeit begreift Simmel als in ungewöhnlich hohem Maße auf Entfernung und Vergrößerung der Distanz gerichtet: er konstatiert die grundsätzliche Neigung, die Dinge möglichst aus der Entfernung auf sich wirken zu lassen. Das ästhetische Interesse gilt Simmel hier nur als das anschaulichste Zeitzeichen. Generell habe das moderne Individuum, wie Simmel feststellt, eine Scheu vor der konkreten Nähe entwickelt, womöglich gar eine verkümmerte Empfindungsfähigkeit dieser konkreten Nähe gegenüber. Den seinerzeit dominierenden Kunststil des Symbolismus deutet Simmel als Berührungsangst, als Furcht, in allzu nahe Berührung mit den Objekten zu kommen, und als Symptom einer Hyperästhesie der Moderne. Es liegt nahe, den Zustand und das Genre Horror auch im Lichte einer solchen Diagnose zu betrachten: im Phänomen Horror verbirgt sich auch eine Dialektik von Nähe und Distanz.

Apollon und Dionysos haben in diesem Zusammenhang nicht nur emblematische Funktion; vielmehr sind das Apollinische und das Dionysische zu verstehen als zwei grundsätzlich differente Einstellungen zu Nähe und Distanz, als zwei genuin zu unterscheidende Verhaltensweisen zu Grenze, Form, Ordnung, Identität und den modi des Erkennens, als zwei Arten, sich zum Anderen zu verhalten. Der Zustand Horror oszilliert zwischen dem Apollinischen und dem Dionysischen, zwischen dem Willen zur Umgrenztheit und der Lust an der Auflösung.

Horror, als Kompositum aus Angst und Lust, als Reaktion auf die Andersheit des Anderen, als Grenzgang zwischen der Sehnsucht nach Grenze und der Sehnsucht nach Entgrenzung, wird durchzuckt von einem irritierenden Reflex: der Lust an der Zufügung, dem lustvollen Aushalten des Erleidens von Macht, Übergriff und einer Art von Gewalt. Horror ist ein Intensimeter im sadomasochistischen Labor der Psyche.

Kein schmaler Grat läßt in solchem Maße Wanderungen zu wie die Grenze. Ernst Cassirer hat in seiner Philosophie der symbolischen Formen eine Reihe von mythischen Indifferenzen zusammengefaßt und erklärt, welche Grenzen im mythischen Weltbild nicht gezogen wurden – oder werden. Das Horrorgenre handelt auch vom Einbruch dieses mythischen Weltbildes in das moderne, wissenschaftliche, vernunftgeleitete Weltbild. Es handelt vom atavistischen Untergraben der Strategien, die Logos, Rationalität und Aufklärung hinsichtlich der Grenzziehungen zwischen, unter anderem, Leben und Tod, Mensch und Tier, Vergangenheit und Gegenwart, Ich und Nicht-Ich, Erscheinung und Wesen, psychischen Funktionen und materieller Existenz, Substanz und Kraft, einem Ort und seiner „Macht“ für unwiderlegbar und unwiderruflich halten. Cassirers Beschreibung des mythischen Weltbildes liefert Parameter für die Analyse des Horrorgenres.

Eine Phänomenologie des Horrors hätte die verschiedenen Erscheinungsformen des horrenden Anderen zu untersuchen. Versionen des Anderen, die auftreten könnten: das Übernatürliche, das Nichtseiende, das Unheimliche, der Tod, das Formlose, das Monströse, das Dämonische, das andere Ich, die Natur, das Heidnische, die Sexualität, der Körper, die Frau. Es sind dies selbstredend auch Erscheinungsformen einer kulturellen Herstellung des Anderen. Ein eigenes Kapitel würde dem Vampir zustehen, nicht nur, weil es sich um den populärsten Vertreter des Horrorgenres handelt, sondern vor allem, weil Vampirismus wie kein anderes Motiv des Horrorgenres über die Lust an der Zufügung aufklärt.

Eine Ideologie des Horrors hätte zu untersuchen, mit welchen Zielsetzungen Horror evoziert wird. Es gibt eine Geschichte des Einsatzes von Schreckbildern zur Einschüchterung, etwa in den Höllenvorstellungen, die als moralisches Druckmittel mit dem Ziel der Verhaltenskontrolle und letztlich einer Aufrechterhaltung des gewünschten Status quo propagiert wurden. Eine gängige These zum Horrorgenre lautet, daß es als eine Art „mythische Aufklärung“ funktioniert, über den in gesellschaftlicher, sozialer oder geschlechtlicher Hinsicht erwünschten Status quo informiert und opportunes Verhalten propagiert. Das Andere und Fremde werde mit dem Bösen assoziiert, das in die jeweils sakrosankte Struktur eindringt, doch führe der Horrorfilm dieses potentiell Zersetzende nur vor, um es wieder zu überwinden und so die Stabilisierung der herrschenden Zustände und erneutes Dissimilieren vom Anderen und Fremden nahezulegen. Vertretern dieser These gilt das Horrorgenre als morality play mit stets demselben repressiven und reaktionären Ausgang. Was in Frage zu stellen wäre.

Die Verabreichung von realem Schrecken oder Schreckbildern war auch stets zur Lusterzeugung dienlich. Realhorror hat seine Geschichte auch als öffentliches Spektakel, von den römischen Schauspielen, bei welchen der Darsteller des Herkules im Nessushemd tatsächlich verbrennen mußte, bis zu den Hexenverbrennungen und öffentlichen Hinrichtungen. Die Verabreichung von Horror-Bildern soll demgegenüber als Surrogat gelten, das einen nach Grausamkeit lüsternen Voyeurismus befriedigt und entschärft. Wenn aber schon die Verabreichung von Realhorror als Kanalisierung des Instinkts zu realer Gewalttätigkeit gelten soll und somit selbst Surrogatfunktion einnimmt, wird eine Grenze zwischen Realhorror und Schreckbild fließend: beides scheint auf dieselbe psychische Disposition zu treffen.

Womit die Ebene der Rezeption angesprochen ist. Warum setzen sich Menschen überhaupt dem Schreckbild oder dem Realhorror aus? Von welcher Art ist der Genuß daran? Und in welcher Beziehung steht dieser Genuß mit den Intentionen, die hinter der Produktion von Schreckbildern stehen? Sind die Botschaften, die angeblich vermittelt werden sollen, wirklich die vermittelten Botschaften? Ist nicht vielmehr die Behauptung, der Horrorfilm solle eine bestimmte Botschaft vermitteln, ihrerseits verdächtig, insgeheim selbst die Stabilisierung des Status quo für vermittlungsbedürftig zu halten? Der Horrorfilm ist hier in solchem Maße offen für Ambivalenzen, daß zu fragen ist, ob die ihm lange zugeschriebene Intention nicht eine aus bestimmten Gründen propagierte Fiktion ist; es sind längst ganz andere Botschaften empfangbar als Konformismus, Konsolidierung der Ordnung und Exorzierung des Anderen.

Im Horrorgenre wird auch das nicht aufzuhebende Andere im Ich thematisiert; aus dem desintegrierten Ich eine neue Haltung dem Anderen und Fremden gegenüber zu entwickeln, ist der Ansatz von Julia Kristeva in Fremde sind wir uns selbst. Wo Immanenz des Fremden im Eigenen konstatierbar ist, bedeutet das Fremde hassen und bekämpfen nichts anderes als: das eigene Unbewußte, das eigene „dunkle“ Andere hassen und bekämpfen. Wenn ich mir selbst Fremder bin, gibt es keine Fremden, die fremder wären als ich.

Dies eröffnet den Blick für die subversive Ethik des Horrors. Integrale Andersheit zu erkennen, kann bedeuten, das Andere integral zu behandeln. Grenze, Form, Identität, Ordnung sind geschlossene Konzepte; Horror ist ein Weg ins Offene, und das Offene ist ein Weg aus dem Horror. Der Zustand Horror birgt hochexplosives erotisches Material; wenn Horror eine erotisch aufgeladene Konfrontation mit dem Anderen und Fremden ist, heißt dies zumindest für die Dauer des Affekts: sich in größerer, erweiterter Einheit mit dem Anderen und Fremden zu befinden. Worauf es ankäme, wäre: den Affekt dadurch letztgültig aufzuheben, daß etwas an ihm ins Unendliche verlängert wird – der intensive Austausch mit dem Anderen und Fremden. Die Bilder des Horrors bedeuten in diesem Sinne: Öffnungen zur Andersheit.

Der Zustand Horror befreit kurzfristig von der Rationalität. Aber ein Zustand namens das Offene könnte längerfristig vom Horror befreien. Nach Jaspers ist die existenzerhellende Grenzsituation immer auch Durchgangssituation. Wohin also? Zur Fortsetzung von Kierkegaards Der Begriff Angst mit anderen Mitteln: nicht der Sprung in den Glauben wie bei Kierkegaard, sondern der Sprung ins Offene ist zu wagen, als Geste gegen die einseitig verengte und verengende, verselbständigte Rationalität, die „lebensfeindlich (…), (selbst)zerstörerisch, imperialistisch“ (Collmer 1994, 344) wirkt, sofern sie die grausame Geschlossenheit der Form und die lediglich ausgrenzende Grenze verlangt, aus dem Konzept der Ordnung Ambivalenz und Widerspruch, aus dem Konzept der Identität „verstörende“ Metamorphosen herauszuhalten sucht, sofern ihre Logik nicht Alogik zu umgreifen lernt und sofern ihr Bezug zum Anderen permanent genau jene Geister beschwört, die sie zu bannen sucht.

Die Beschäftigung mit dem Zustand Horror ist notwendig auch eine Zustandsbeschreibung der westlichen, abendländischen Rationalität. Der Zustand Horror reflektiert präzise, wie diese Rationalität sich konstituiert, was sie bedroht und wo ihre Defizite liegen. Sich auf den Zustand und das Genre Horror einzulassen heißt, sich auf das Unbehagen in der Rationalität einzulassen. Wo Rationalität in Hyperrationalität umschlägt, die Hypermuster schafft, Hyperordnung oder Hyperidentität einschleusend, kann Horrorkunst als Korrektiv wirken. Der Zustand Horror ist dezentrierte Rationalität; das Genre Horror ist kalkulierte Dezentrierung hypertropher Rationalität. Wenn Hyperrationalität ihrem immanenten Horror ständig ausgeliefert ist, bedarf es der Offenheit nicht für Irrationales, aber für Para-, Kontra- und Neorationales. Das Gegenteil von Hyperrationalität muß nicht Obskurantismus sein.

Selbst dort, wo im Plot die Interaktion mit dem Anderen und Fremden jäh abgebrochen wird, mahnt der Horrorfilm doch unentwegt zur Überprüfung des eigenen Bezugs zum Anderen und Fremden. Selbst dort, wo er Repression bebildert, kann er progressiv wirken. Selbst dort, wo der Plot restriktiv zur Ordnung ruft, kann der Film sie destabilisieren. Horror als die Kraft, die stets das Eigene will und doch das Fremde schafft. Der Stoff, aus dem die Alpträume sind, verdient einen Traum am Grenzstein: über die Grenze als Sicherheitsfaktor und als Unsicherheitsfaktor, über die Weisen, sie zu überschreiten, über den Wert der Grenzerfahrung und die Horizonterweiterung durch den Grenzgang. Ist das noch (oder schon) Philosophie? Philosophie bedeutet: Liebe zur Weisheit. Philosophie des Horrors bedeutet: Liebe zur Weisheit des Horrors.

Die Philosophie des Horrors ist interdisziplinär und zuweilen disziplinlos. Sie versucht sich objektiv am Aufspüren eines Urphänomens, erlaubt sich aber auch gnadenlose Subjektivität. Sie ist geboren aus der Erkenntnis, daß Philosophie dem Horror nicht entkommen kann – und Horror der Philosophie nicht entkommen können sollte.

Christian Erdmann: Philosophie des Horrors. Eine Einleitung. Bild: Conrad Veidt in "Das Cabinet des Dr. Caligari".

Literatur:

Aristoteles: Metaphysik, Reinbek bei Hamburg  1994.
Collmer, Thomas: Pfeile gegen die Sonne. Der Dichter Jim Morrison, Augsburg 1994.
Heraklit: Fragmente, München und Zürich 1986.
Leppmann, Wolfgang: Rilke. Sein Leben, seine Welt, sein Werk, Bern und München 1993.
Paglia, Camille: Die Masken der Sexualität, München 1995.
Platon: Sämtliche Werke, Band 4, 25. Auflage Reinbek bei Hamburg 2019.
Schadewaldt, Wolfgang: Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen, Frankfurt am Main 1978.
Schmid, Hans: Fenster zum Tod. Der Raum im Horrorfilm, München 1993.
Van der Leeuw, Gerard: Vom Heiligen in der Kunst, Gütersloh 1957.

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Aljoscha der Idiot Bilderbuch Paris

Alphonsine Plessis, Montmartre

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Aljoscha der Idiot

Phantastisch!

Rezension #12

24. Juli 2009 

Phantastisch!

Von D. Otte

Amazon-Rezension für den Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann: "Phantastisch!", von D. Otte.

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Bilderbuch Paris

Pour Les Sacrements

Christian Erdmann, Pour Les Sacrements. Paris. Analogfotografie.
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The Everlasting Gaze

Iris of my Dream Eye

Christian Erdmann: Iris of my Dream Eye.
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Poèmes

Passage


Grabmal ohne Inschrift
Eingang ohne Tür
Licht ohne Quelle
Weg ohne Wiederkehr
Kompass ohne Norden
Zeit ohne Stunden
Echo ohne Ruf
Weiter ohne Grund
Gegangen ohne Abschied
Drei Nächte ohne Mond
Steine ohne Alter
Klang ohne Schall
Elemente ohne Namen
Wissen ohne Nutzen
Kreaturen ohne Augen
Knochen ohne Haut
Sprache ohne Worte
Intelligenz ohne Gehirn
Sinne ohne Sinn
Chor ohne Stimmen
Universum ohne Anfang
Raum ohne Krümmung
Särge ohne Mumien
Monstren ohne Mutationen
Träume ohne Träumer
Energie ohne Masse
Buddha ohne Lächeln
Formel ohne Einstein
Engel ohne Gott
Teufel ohne Zweifel
Schlangen ohne Grube
Halle ohne Hall
Statue ohne Schöpfer
Augen ohne Blick
Bewegung ohne Warnung
Alle ohne einen
Verloren ohne Verlust
Kuss ohne Lippen
Entzücken ohne Ende
Grabmal ohne Inschrift



Christian Erdmann, "Passage", Gedicht.
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Poèmes

Im Walsertal


Im Walsertal, im Walsertal,
hyperionaktiv vertraklt,
hat Schiller sich, der Geisterseher,
mal ganz verzweigt verkakelt.

In seelischer Verzuckmay’rung,
befeuchtwangt bis zur Stirn,
tat er Büchner schlegeln,
bis ein Lichtenberg im Hirn

ihm die pöbelscheue Grille parzte.
„Musil denn, Musil denn zum Schädele hinaus!“
verhebbelt‘ er im Werfeldaus –
das Eichendorff, es brentanarzte.





[Liebesdienst fürs SPIEGEL ONLINE Lyrik-Forum, 2007]

Christian Erdmann, Im Walsertal. Gedicht.
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The Everlasting Gaze

Waterhouse

Christian Erdmann, Brügge 2015.
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Alles was der Fall ist

Ja was denn jetzt!

Christian Erdmann rechnet.
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Aljoscha der Idiot

Das Streben nach dem Göttlichen

Rezension #11

07. Dezember 2008

Das Streben nach dem Göttlichen

Von dalton ray

Amazon-Rezension für den Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann: "Das Streben nach dem Göttlichen", von dalton ray.

Das Streben nach dem Göttlichen @amazon

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Instagram Journal

project_necropolis presents christi_erdmann [IV]

„PROJECT_NECROPOLIS presents christi_erdmann“

10.12.2023

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Alles was der Fall ist Kunsthalle

13 göttliche Gefühle

Leo von König, "Pärchen im Boheme-Café", 1909.
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Bilderbuch Toutes Directions

Perpignan – Au Bon Broyeur

Au Bon Broyeur - Droguerie in Perpignan, Frankreich. Foto von Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot

Ganz ganz große Literatur

Inforadio rbb (Rundfunk Berlin-Brandenburg), „Quergelesen“, Mitschnitt der Sendung vom 27.05.2007

Vito von Eichborn im Gespräch mit Harald Asel


„Eichborn, Jahrgang 1943, war Lektor bei S. Fischer, gründete 1980 den Eichborn Verlag mit einem Programm von Spontisprüchen und Walter Moers bis hin zur Anderen Bibliothek. Er hat für Senator Entertainment den schwächelnden Europa Verlag aufgebaut und ist seit 2006 Herausgeber der Reihe Edition BoD im Verlag ‚Books on Demand‘. Den umtriebigen Buchmacher mit Lust auf Risiko traf ich auf der Leipziger Buchmesse.“


Vito von Eichborn über „Aljoscha der Idiot“ von Christian Erdmann auf der Leipziger Buchmesse 2007 (ab 14:30):

Transkript:

(ab 16:05)

„Etwas bleibt – wissen Sie das im Vorfeld schon?“

„Nein! Alle Zeitgenossen haben sich immer geirrt. Die Zeitgenossen hielten Gutzkow für bedeutender als Goethe. Ich maße mir nicht an, irgendwelche Ewigkeitswerte auch nur ansatzweise beurteilen zu können. Ich kann nichts anderes tun als ein gutes Handwerk zu liefern und zu hoffen, daß was Bleibendes dabei war. Das Meiste verschwindet; in dieser Zeit jetzt ohnehin, in der Beschleunigungszeit. Welches der Bücher oder der Autoren bleibt, für die ich verantwortlich war – es wäre vermessen, darüber auch nur nachzudenken. Aber alle Erfahrung sagt, irgendwas wird schon bleiben. Ich habe Spuren hinterlassen – welche es sind, weiß ich nicht. Das müssen die Späteren beurteilen.“

„Wie ist das jetzt mit Ihrer neuen Herausgeber-Tätigkeit hier bei Books on Demand, mit dieser Edition? Auch da ist es ja so, durch die neuen technologischen Entwicklungen ist es möglich, von der Auflage 1 bis zur Auflage 1.000.000 alles zu liefern, was der Markt braucht. Gleichzeitig ist das große Problem, wie kommen eigentlich die Themen wiederum an die Leser? Wie erfahren die davon? Und da gibt es ja nun bei vielen die Befürchtung, egal ob ich jetzt eine Auflage drucke, die feststeht, oder ob ich sage, ich setze das ins Internet und warte, bis irgend jemand auf die Idee kommt, das Buch möchte ich gerne haben, und drucke es dann – die Wahrnehmungsschwelle wird immer höher. Was machen Sie da? Was ist da Ihre Idee?“

„Naja, zunächst mal bleiben wir auf dem Teppich. Ich wähle aus den Büchern aus, die die Autoren selbst bei BoD veröffentlicht haben, und sage zu jedem dieser Bücher: dies ist ein Buch, das es verdient hat, in einer Buchhandlung geführt zu werden. Oder: dies ist ein Buch, das genausogut in einem herkömmlichen, traditionellen, etablierten Verlag hätte erscheinen können. Das behaupte ich von jedem dieser Bücher, und danach wähle ich aus. Das ist noch nicht die Frage nach Größe. Sondern zunächst mal ein gewisses Maß an Professionalität dieser Autoren, so daß ich es für handelsverträglich halte.

Und dann gibt es so einen Fall wie dieses neue Buch jetzt, ‚Aljoscha der Idiot‘ – das ist ganz große, ganz ganz große Literatur. Und es ist anspruchsvoll. Und es ist zu anspruchsvoll für den Markt. Je intelligenter ein Buch, um so weniger Leser gibt es dafür. Das ist so intelligent, daß die herkömmlichen Verlage es ablehnen, und sie lehnen ein Juwel ab.“

(ab 22:20)

„Dann gibt es jemanden, der philosophiert, wunderbar. Bis zu jetzt meinem neuen Liebling im Moment gerade, Aljoscha, ‚Aljoscha der Idiot‘ – bitte unbedingt lesen, allesamt! ‚Aljoscha der Idiot‘ ist ganz große, ganz ganz große Literatur. Sie ist nicht leicht, ich warne, man muß sich ein bißchen Mühe geben. Aber dann ist es ein traumhaft gutes Buch.“

Mitschnitt der Sendung „Quergelesen“ vom 27.05.2007 auf Inforadio rbb, Vito von Eichborn über „Aljoscha der Idiot“ von Christian Erdmann auf der Leipziger Buchmesse 2007: „Ganz ganz große Literatur“.
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Aljoscha der Idiot Leseproben

Aljoscha der Idiot – Leseproben VI

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Vaslav Nijinsky, Eye.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork CE.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Screenshot aus Das Ornament des verliebten Herzens von Lotte Reiniger, 1919.
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Aljoscha der Idiot Leseproben

Aljoscha der Idiot – Leseproben V

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild von Clovis Trouille.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Atalante und Hippomenes von Nicolas Poussin.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Foto: Christian Erdmann.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot Leseproben

Aljoscha der Idiot – Leseproben IV

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork Christian Erdmann.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Foto Christian Erdmann.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: A. E. Waite Tarot Card The Tower.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe.
Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot Leseproben

Aljoscha der Idiot – Leseproben III

Antiquiert, vielleicht auch futuristisch

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Zeichnung  von Heinrich Vogeler, Worpsweder Archiv.

Manchmal, wenn Aljoscha aufs Meer hinaus sah

Der Himmel wird brechen

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork Christian Erdmann.

Eine neue Zeitrechnung

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork Christian Erdmann.

Der Mann der Stunde war Nick Cave

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Nick Cave & The Bad Seeds, Kicking Against The Pricks, Albumcover.
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Aljoscha der Idiot Leseproben

Aljoscha der Idiot – Leseproben II

Was spricht die tiefe Mitternacht?

Herr Vecchio, sind Sie noch wach?

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Botticelli, Porträt einer jungen Frau (Simonetta Vespucci), Detail.

Unterweltsgöttinnenhülle!

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Foto Christian Erdmann.

Der Blick ist es, dein eigener

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork Christian Erdmann.

Einen Augenblick, Herr Tuschkin

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Artwork Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot Leseproben

Aljoscha der Idiot – Leseproben I

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Cat People von Jacques Tourneur, 1942.

Am nächsten Morgen, nach Träumen schwer und süß

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: aus Piranesi, Carceri d'invenzione.

Das Objekt der Begierde überspannter Nachtschwirrer

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: aus Frans Masereel, Die Stadt.

Wehmut war gekommen in das Haus

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: Edward Burne-Jones, The Briar Rose Study.

Im hohen Mittelalter hätte Leda an Tapisserien gearbeitet

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Leseprobe. Bild: The Lady and The Unicorn Tapestry.

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Bilderbuch Her Room of Lights

White Lily II

White Lily II. Fotografie von Christian Erdmann.
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The Everlasting Gaze

Station To Station

Christian Erdmann, 2019.
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Bilderbuch Her Room of Lights

White Lily I

White Lily I. Fotografie von Christian Erdmann.
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The Everlasting Gaze

2023 [2]

Christian Erdmann, Autor des Romans "Aljoscha der Idiot", 2023.
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Aljoscha der Idiot

Erzählen Sie wirklich das Unsagbare?

Erzählen Sie wirklich das Unsagbare? Gespräch über "Aljoscha der Idiot" im SPIEGEL ONLINE Forum.
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Alles was der Fall ist

Plumpbeutler [Vombatidae]

Von Dr. Bruno Brotmitbutter (Hamburg / Wagga Wagga).

Der Verfasler: Bruno („Bruce“) Brotmitbutter von der Universität Heidelbeerberg ist Herausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Pöbelaktionen. Zu seinen Hauptwerken zählen „Manische Depression bei Eurasischen Eichhörnchen“ (1995), die Langzeitstudie über Nußverstecke, für die Brotmitbutter 1997 mit dem Nuxi-Preis der Norddeutschen Reformhäuser ausgezeichnet wurde, sowie „Laßt die Nuggets doch den Nagern“ (1912), das Standardwerk über den Goldrausch bei Goldhamstern. Brotmitbutters gegenwärtige Forschungen gelten dem „missing link“, der fehlenden Übergangsform zwischen Beutelratte und Einkaufstüte.

Der Federbettenwombat ist eine jüngst entdeckte Spezies der Vombatidae, von Dr. Gurkenbrötchen vorläufig als Nacktnasenwombat eingestuft. Dr. Fünfuhrtees Hypothese, nach der sich der Federbettenwombat als Verwandter des noch unentdeckten asiatischen Futon-Wombat erweisen könnte, scheint haltbarer als die These von Dr. Pølser (Kopenhagen), dessen These nur bis zum 10.11.12 haltbar war.

Wie es scheint, ernähren sich Federbettenwombats von Haferflocken und Cornflakes, die größeren Lebewesen aus der Tüte fallen. Weichholzbenagung ist seltener, überhaupt sind die Tiere bemerkenswert genügsam. Dr. Kartoffelninsaureryoghurtsauce von der Universität Sydney Greenstreet: „Ich habe noch nie ein so dickes Tier so wenig essen sehen.“ – Dr. Soufflè (Koala Lumpur), einer der am wenigsten erforschten Forscher überhaupt, wies jedoch schon in seiner Streitschrift „Naßforsche Naßrasuren nützen Nacktnasenwombats nichts“ (1999) darauf hin, daß man sich ganz schön verpforschen kann. Es ist also Pforschicht geboten.

Der Federbettenwombat bewegt sich meist überhaupt nicht, es sei denn, er wird bewegt, aber was ihn bewegt, wissen wir nicht. Forscher, die im Dunkeln lagen, sahen nichts. Dr. Dankemir Reichts (Izmirschlecht) zieht Schlußfolgerungen aus den mysteriösen Wombatfunden abseits des Federbetts, die Dr. C.G. Nimmnochwas-Jung, der Schweizer Psychoanalytiker, indes kritisiert: „Der Mann ist doch krank!“ (aus: „Kommunikatives Handeln als Paradigma einer Seinsmetapher im Dekonstruktivismus-Streit zwischen Natur-Teleologie und Logisch-Semantischer Popeldeutik“). Dr. Quarkspeise (Kühlschrank) hält dies alles für Käse. Wohl zurecht; Dr. Sprachforscher, der bekannte Sprachforscher, hat mittels Computeranalyse die nächtlichen Laute eines Federbettenwombats analysieren können: „Halt – nein – warte – die – “ Und so weiter. Dr. Bratmirwas von der Universität Bratdirselberwas (Slowakei) hält den Wombat für einen Liebhaber moderner Kunst. Collagen finden sein reges Interesse. Dreht man den Wombat um, betrachtet er allerdings mit unermüdlichem Interesse die andere Wand, an der überhaupt keine Bilder hängen. Aber wo beginnt Kunst, wo endet sie? Kunst kommt ja nicht von „Können“, sondern von „Kunstmann, Gemüsehändler“. Dessen Diktum „Man kann auch Artischocken nehmen“ ist immer noch subjektiver Grund ästhetischen Urteilens. Dr. Spielverderber konnte erleben, wie ein domestizierter Wombat einen Spielverderber, der ein Spiel verdarb, anpischerte. Dr. Selbstschuldgemeinerdoofi gab daraufhin Rhabarber zu Protokohl.

Dr. Nudelsupp, der schon Gugel hupfen sah, berichtet, daß beim ersten Lauf des Rennrudelns in Luistrenker eine Gruppe Wombats das Rennrudeln mit dem Rudelrennen verwechselte. Damit zum Sport.

RUMKUGELN. Beim Rumkugeln im französischen Boulangerie kam es zu einem Eclaire. Der Schietrichter griff rein, fand aber nichts schiete.

SCHIEFSPRINGEN. Bei der Vierschranzentournee im Schiefsprung gelang Luggi Oberdeppner aus Sepplmütz im Zenzital die tolle Weite von Pi mal Zwiesel. Wombats waren nicht am Start.

STAPELLAUF. Bestnoten bekam ein Wombat beim diesjährigen Meeting im schwedischen Regal, als er über einen Stapel Bücher lief.

PHILOSOPHIEREN. Wieder einmal setzte sich im 8. Rennen Stoizismus durch. Mit einer Nasenlänge Vorsprung holte sich Wombat den Grand Prix de la Schisselaweng und verwies Ferkel mit Skeptizismus und Bär mit Dialektischem Materialismus auf die Rote Grütze.

MAULAFFENFEILHALTEN. Mit 84 feilgehaltenen Maulaffen belegte ein Wombat beim Blöd-Cook-Memorial einen erstaunlichen 2. Platz hinter Dumm Rumpupen (USA).

DOPPELKLOPP. Bundestrainer Kloppo Klopp hat seinen Vertrag in beiderseitigem Einvernehmen an Bimbo, Bombi und Schlippo verkloppt. Auswechselungen: Bele, Bumsch und Beule (4. Minute).

Plumpbeutler [Vombatidae]. Foto: Der Federbettenwombat. Von Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot

„Meine paar Groschen Verstand sind verspielt…“

Rezension #10

15. Februar 2008

„Meine paar Groschen Verstand sind verspielt…“

Von Zadig

„Wer die Deutsche Sprache liebt, wird auch dieses Buch lieben“, schrieb ein anderer Rezensent – eine Behauptung, der ich mich anschließen möchte. Die außergewöhnlich lebendige und komplexe Sprache ist eine der großen Stärken dieses Romans. Sie macht einen erheblichen Teil von dessen Faszination aus, indem sie auf geschickte Weise immer wieder überrascht und fesselt.

Den Leser erwarten eine Liebesgeschichte, deren wohltuende Handlungsarmut ihr ausreichend Platz lässt, um sich auszudehnen und, als Umkehrschluss daraus, einen perfekt eingefangenen Entfremdungsprozess, der ihn ein um das andere Mal traurig lächeln lassen wird. Ein unausgleichbarer Gegensatz und eine Unterlegenheit unter das Schicksal, ausgelöst durch eine rätselbehaftete Fremde, die exakt so geheimnisvoll und unnahbar ist, wie sie sein muss.

Der Roman konzentriert sich weitestgehend auf die Gefühls- und Erlebniswelt des Aljoscha. Diese aber ist so intensiv, dass sie eine dichte Körperhaftigkeit und Mehrdimensionalität schafft, die Aljoscha stofflich, von allen Seiten greifbar und sinnlich erfahrbar werden lässt.

Es gelingt dem Autor gewissermaßen, den Leser in Aljoschas Gedankenräumen einzusperren, wo er sich mal vorsichtig dessen Hirnwindungen entlang tastet, mal von einer Gedankenstromschnelle unerwartet fortgerissen wird, um sich ein Stück weiter wieder hochzurappeln, neuzuorientieren und schon neugierig um die nächste Ecke zu schielen.

Gemessen an dieser Intensität müssen die wenigen übrigen Personen notgedrungen blass bleiben und wollen dies auch. Gegen Ende wird über einen Schwebezustand, ein kleines Handlungsvakuum, ein geradezu gemein raffinierter Spannungsbogen hergestellt, der den Leser unruhig umherrutschen lässt und fast zum Weiterblättern verführen könnte.

Kein leichtes, aber ein lohnendes Buch für den, der es mag, Sprache auf sich wirken zu lassen und in ihr zu versinken. Wer weiß, vielleicht findet man sogar ein Stück von sich selbst darin wieder. Und selbst wenn nicht, so darf man zumindest damit rechnen, von der Geschichte berührt und eingefangen zu werden.

Amazon-Rezension für den Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann: "Meine paar Groschen Versand sind verspielt...", von Zadig.

(Rezension auf amazon wurde später gelöscht)

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Aljoscha der Idiot

Reine Poesie

Rezension #9

20. Dezember 2007

Reine Poesie

Von John Ford

Ich finde das Buch (für heutige Zeiten im Besonderen) aussergewöhnlich, vor allen Dingen wegen Christian Erdmanns meisterlich-kunstvollem Umgang mit der Sprache, der Reichhaltigkeit, der Poesie, der Beschreibungen, Metaphern, Verweisen und Bezügen zu alten Horrorfilmen (Jacques Tourneurs „Cat People“, ein wunderbarer Klassiker!) sowie zur Musik und Popkultur (das ist eher mein Feld). Mir selbst fehlt der Hintergrund zur Philosophie, (griechischen) Mythologie oder Kunstgeschichte teilweise, aber ich empfinde diese Reise als lohnend. Eine Liebesgeschichte oder Geschichte von der Liebe, sehr sensibel – ja, geradezu altmodisch geschrieben.

Ich werde es wohl mehrmals lesen. Einige Passagen haben mich sehr berührt, aber auch feinsinniger Humor fehlt nicht.

Und das ist längst nicht alles. Auch wenn dieses Werk nicht so hopplahopp zu bewältigen sein sollte, lohnt es sich, sich darauf einzulassen und man wird das Buch nicht mehr vergessen.

Amazon-Rezension für den Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann: "Reine Poesie", von John Ford.

Reine Poesie @amazon

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Aljoscha der Idiot

Eine Liebesgeschichte, und was für eine, verpackt in eine Sprachreise der Gefühle

SPIEGEL ONLINE Forum

„Literatur – Was lohnt es noch, zu lesen?“

15.10.2007

Edda Sörensen: 

Anspruchsvolle Texte hatten es wahrscheinlich schon immer schwer, zu ihrem Publikum zu finden, das es jedoch sicherlich in grosser Anzahl gibt. Deshalb bin ich froh, dass es dieses Forum gibt, das mir schon viele Anregungen geschenkt hat. Deshalb Anregung zurück:

„Aljoscha der Idiot“ von Christian Erdmann

Edition BoD – Herausgeber Vito von Eichborn

Nach der Lektüre dieses Buches komme ich von Geistesblitzen geradezu illuminiert langsam wieder auf die Erde zurück, genau mit diesem (anfangs hielt ich die Anpreisung des Verlegers auf der Rückseite des Buches für ein wenig vermessen) versprochenen Lächeln im Gesicht. Glücklich, ja, denn mit blankpolierten Augen konnte ich wie mit einem Präzisions-Fernglas Einblick in faszinierend inspirierende Gedankenwelten gewinnen, die sich wie schimmernd feiner Galaxienstaub in weiten Kreisen um die Liebe drehen, bis sie am Ende, waagrecht wie senkrecht Gewissheit schaffend, auf sie treffen.

Erstaunlich, dass dieser Dichter noch nicht „entdeckt“ wurde. Ich kann dieses Buch nur wärmstens für den Gabentisch Feingeistiger empfehlen.

kurzundknapp: 

Da kommt uns allen aber etwas schwer bekannt vor…

Edda Sörensen: 

Das versteh ich jetzt aber ganz und gar nicht: Was ich da geschrieben habe, ist von mir.

Wo wollen Sie denn das gelesen haben? Bitte um Aufklärung.

Niobe: 

Das Buch von Herrn Erdmann wurde hier schon sehr sehr gelobt.

Ich habe es auch fast durch. ;-)

(Ungefähr 1,5 Jahre her. Ich hab noch die Erstauflage von ihm, da war er noch nicht beim Eichborn-Verlag). Aber Sie haben Recht, man kann es nicht oft genug erwähnen!

Monika Cate: 

Ich habe das Buch vor über einem Jahr gelesen, dann ein halbes Jahr später zum 2. Mal. Das wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Sie beschreiben sehr schön, was passieren kann, wenn man sich auf dieses Buch einläßt. Und es läßt einen auch nicht wieder los, nachdem man es aus den Händen gelegt hat. Es hat meine eigene künstlerische Arbeit beeinflußt, hat meinen Horizont erweitert, hat mich sensibilisiert. Ein Glücksfall.

Edda Sörensen: 

Vielen Dank Niobe und Monika

War ganz erschreckt über die „kurzknappe“ Dusche :o) Umsomehr freu ich mich über Eure Antwort und darüber, dass

a: dieses Buch also doch bekannter ist, als ich annahm und

b: Ihr Beide genauso beeindruckt seid.

Polymorph:

„Aljoscha der Idiot“ habe ich jetzt auch auf meine Einkaufsliste gesetzt, es wird aber noch ein Weilchen dauern, bis ich dazu komme… z.Z. lese ich zum wiederholten Male Bonaventuras „Nachtwachen“ – ein schriftgewordener Albtraum, so düster, ekstatisch und maßlos…!!

16.10.2007

kurzundknapp: 

Das sollte keine „Dusche“ sein, bitte vielmals um Pardon. Ich wollte nur meinen, daß man den guten Aljoscha hier so oder so kennt. (Und lancieren tut der auch nix!)

Edda Sörensen: 

Das kann jedem mal passieren – also, Schwamm drüber über die Dusche :o)

Es freut mich, dass man Christian Erdmann hier bereits kennt. Bei meinen sporadischen Besuchen dieses Forums, immerhin schon 650 Seiten lang, hatte ich bisher nichts dergleichen entdeckt.

hans-werner degen: 

Da mir hier immer wieder die Postmoderne um die Ohren geschlagen wurde:

Ich habs versucht und versucht und versucht… Was mir auffiel… jeder zitiert ununterbrochen sich oder andere; verweist sinnlos auf sich und andere… Das lässt mir die Vermutung kommen: Die geben nur mit ihrem literarischen Wissen an.

Monika Cate: 

So wie Sie? ;-)

hans-werner degen: 

Ich schreib ja nicht… ausser für meine Allerliebste ab und zu ein Gedicht… und eh ich es ihr schenke guck ich noch überall ob die Worte wirklich von mir stammen.

Monika Cate: 

Die Worte stammen nie von Ihnen. Die haben Sie gelernt. Wenn Sie eine besondere Aneinanderreihung von Worten meinen, die eine spezielle Aussage und Qualität vermitteln, wie bei einem Zitat, das, wenn es kunstvoll in den Handlungsablauf eingeflochten ist, dem Leser diese Qualität dann direkt zugänglich macht und das Gedankengebäude somit erweitert, ist das in meinen Augen ein ganz ausgezeichnetes Stilmittel.

Im Falle von Christian Erdmann, den ich da gern als Beispiel heranholen möchte, werden die verwendeten Zitate mit einer unübersehbaren Liebe und gleichzeitig als Tribut an diese Denker und Künstler eingesetzt, und das so virtuos, daß es einem manchmal den Atem verschlägt. Denn sehen Sie, würde er (um bei diesem Beispiel zu bleiben) das nur tun, um anzugeben, würde der Leser das sofort merken und das Buch gelangweilt beiseite legen. Doch es funktioniert genau andersherum, er baut die Zitate als eine neue Ebene ein, die sich bezieht auf alle anderen Ebenen, die er beschreibt, und drückt damit gleichzeitig aus, dass alles das, was jemand schon mal gedacht und aufgeschrieben und uns zur Verfügung gestellt hat, ja sowieso schon als Qualität sich verselbständigt hat. Es ist eine Farbe im Feuerwerk der beschriebenen Zustände.

Also nur zu, lassen Sie sich doch einfach mal ein und legen Ihre mühsam zurechtgezimmerten Kriterien, nach denen Sie schnell oder langsam oder überhaupt nicht lesen, einmal beiseite. Vielleicht wundern Sie sich. Mit Querlesen kommen Sie diesem Roman z. B. nicht auf den Grund.

Darüberhinaus machen die Zitate und Referenzen Lust auf Viel-Mehr-Lesen (es ist eben alles mit allem verbunden), aber da muss man sich bei Ihnen, Herr Degen, ja keine Sorgen machen.

Somit ist er, neben vielem anderen, auch noch ein „Bildungs“Roman :)

Edda Sörensen: 

Ihre beiden Beiträge, liebe Monika, sind, vom Inhalt wie von der Formulierung her, einfach virtuos, besser kann man es wirklich nicht beschreiben.

paparatzi: 

Zitat von Monika Cate:

Ich habe das Buch vor über einem Jahr gelesen, dann ein halbes Jahr später zum 2. Mal. Das wird nicht das letzte Mal gewesen sein. 

dito

Kam nur durch Zufall hier (!) im SPON auf das Buch. Völlig bescheuert finde ich, dass so eine Perle im Autorenverlag auftauchen muss und keinen renommierten Verlag (Verzeihung bod) finden konnte.

Aljoscha der Idiot

Aljoscha berauscht sich am unablässig strahlenden Einfluss aller Wesen und Dinge aufeinander. So wie Kinder ihre Nasen am Fenster plattdrücken, ständig fragen: „was ist das?“, fragt er nach dem Sinn. Diese Eigenschaft, die wir Erwachsene in unserem gelernten System der Superchunks verloren, höchstens noch im Urlaub erleben können, ist der Klebstoff dieses Romans. Eine Liebesgeschichte, und was für eine, verpackt in eine Sprachreise der Gefühle.

Im wortgewaltigen Roman wimmelt es nur so von Hintergründen, Abgründen, Anspielungen, philosophischen und religiösen Exkursen, Musik, und Perlen der Sprache wie: „Achttausender des Trübsinns“, „Qualitätsarbeit von Meister Verfall“, „Morpheus‘ Schlaf letzte Nacht war nur zweite Wahl“, „Institution Kirche ist ein bisschen Bürgerwehr im Unerforschlichen“.

„Ich weiß nicht, ob ich je geliebt habe“, spricht Aljoscha zu seiner Freundin, die bereits sein Abrücken ahnt. „Nicht mehr alles wissen wollen vom anderen, beginnt da nicht die Lüge?“ Ja, wie wahr! Die zwei Groschen Verstand, die Aljoscha im Laufe seiner Reise zu verlieren ahnt, aufgerieben zwischen der Frau, zu der er sich hingezogen fühlt und nur blicken kann, und der Freundin, die er nicht unglücklich machen möchte.

„Felsbröckelkunde, Gestaltwandlung und Gegenspionage“ sind nach Aljoscha Nebenfächer des Studiums der Liebe. Was ist Liebe? „Zwei Menschen mit Schlüsseln für dieselbe Tür, Seelen die sich im Korridor begegnen und dieselbe Zukunft im Gedächtnis haben“. Und wie kann man den Gegenschlüssel erkennen? Aljoscha beantwortet dies mit einem todsicheren Code: nur bestimmte Menschen sehen das Zeichen, psychoenergetisch aufgeladene Spuren, die der Andere hinterlässt. Bestimmung? Ja! Es wartet jemand auf dich, der dich will, mit einem versichernden Lächeln alles geschehen lässt, und es geschieht ohne Anstrengung. Ebenso wie das erste Wort von IHR: „Hallo“, ganz einfach.

Vito von Eichborn schreibt in seinem Vorwort: „ich schwöre: wer dies liest, der bekommt einen glücklichen Ausdruck im Gesicht“. Ja, und wie habe ich gelacht, nicht nur über den „Granatsplitter im Kopf“. Oh wie wahr, Liebe scheint eine Form der Geisteskrankheit zu sein.

Auf das Buch „Aljoscha der Idiot“ kam ich nur zufälligerweise. Aljoscha würde dies nicht einfach hinnehmen und nicht von Zufall reden. Wie dem auch sei, der Roman steht bei mir direkt neben dem Solschenizyn und Voltaire im Bücherregal ganz vorne, mit dem Prädikat „besonders wertvoll“.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Gespräch im SPIEGEL Online-Forum.
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Aljoscha der Idiot

Geistesblitze

Rezension #8

15. Oktober 2007

Geistesblitze

Von Edda Sörensen

Nach der Lektüre dieses Buches, das ich vor einer Woche bei Euch kaufte, komme ich von Geistesblitzen geradezu illuminiert langsam wieder auf die Erde zurück, genau mit diesem (anfangs hielt ich die Anpreisung des Herausgebers auf der Rückseite des Buches für ein wenig vermessen) versprochenen Lächeln im Gesicht. Glücklich, ja, denn mit blankpolierten Augen konnte ich wie mit einem Präzisions-Fernglas Einblick in faszinierend inspirierende Gedankenwelten gewinnen, die sich wie schimmernd feiner Galaxienstaub in weiten Kreisen um die Liebe drehen bis sie am Ende, waagrecht wie senkrecht Gewissheit schaffend, auf sie treffen.

Erstaunlich, dass dieser Dichter noch nicht „entdeckt“ wurde. Ich kann dieses Buch nur wärmstens für den Gabentisch Feingeistiger empfehlen.

Amazon-Rezension für den Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann: "Geistesblitze", von Edda Sörensen.

Geistesblitze @amazon

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Aljoscha der Idiot

Was für ein exzellenter Gebrauch der deutschen Sprache!!!

Rezension #7

10. Juli 2007

Was für ein exzellenter Gebrauch der deutschen Sprache!!!

Von Rita Handt

Danke an Christian Erdmann für dieses wunderbare Buch. Als Kämpferin für die deutsche Sprache habe ich es mit Begeisterung gelesen. Bitte mehr davon.

Amazon-Rezension für den Roman "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann: "Was für ein exzellenter Gebrauch der deutschen Sprache!!!"

Was für ein exzellenter Gebrauch der deutschen Sprache!!! @amazon

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The Everlasting Gaze

2023 [1]

Christian Erdmann, 2023.

Ostern 2023

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Alles was der Fall ist

Die Reiterin macht einfach alles

Die Reiterin macht einfach alles. Kurzerzählung von Christian Erdmann, Klasse 5c.
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Alles was der Fall ist

Doktor Bamse und Schwester Hase

Doktor Bamse und Schwester Hase. Von Christian Erdmann.
Doktor Bamse und Schwester Hase. Von Christian Erdmann.

Außerdem war unsere Lehrerin Fräulein Albinus. Wenn sie uns nach den Pausen vom Schulhof abholte, wir uns also in Zweierreihen hinter ihr aufzustellen hatten, gab es bei uns Jungs immer Gerangel um die erste Reihe, direkt hinter ihr. Fräulein Albinus hatte nämlich, und mir fällt da jetzt gerade keine andere Formulierung ein, einen bemerkenswerten Hüftschwung.

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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot – Playlist

Aljoscha der Idiot, Roman von Christian Erdmann, Playlist.
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The Everlasting Gaze

Warszawa

Christian Erdmann, Warszawa, David Bowie.

Listening to „Warszawa“ in Warszawa, 20/08/2019

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Poèmes

Poem For A Mediaeval Baebe


Auch wir sind in Räumen freigelegter Zeit
Wie weiße Spinnen, die in Einsamkeit sich weben
Träumend, wie im Garten vor lang verschwundenen Monden
Ein Wispern war im Rauschen dieser Blätter
Wartend, daß noch einmal unser Weben so erzittert

Rubinrot auf den Lippen und sie sagte: komm
Und der Wind, der ihre Haare wehen ließ
War kalt und nicht von dieser Welt
Und sie verging, als wäre sie ein Stich ins Licht
Und seither all die Tode, die uns trennen

Christian Erdmann, "Poem For A Mediaeval Baebe". Emily Ovenden, Mediaeval Baebes.
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Bilderbuch Paris

Bois de Boulogne

Christian Erdmann: Bois de Boulogne. Analogfotografie.

She’d sigh like Twig the Wonder Kid / And turn her face away

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Bilderbuch Her Room of Lights

Sunrise

Sunrise. Analogfotografie von Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot Journal

RIP Vito von Eichborn

Zuerst schrieb mir die Marketing-Abteilung von BoD. Vito von Eichborn, einer der innovativsten Buchmacher Deutschlands, betätige sich als Herausgeber einer Edition für BoD und wäre erfreut, meinen Roman in diese Edition aufnehmen zu können. Zu diesem Zeitpunkt war „Aljoscha der Idiot“ fast zwei Jahre auf dem „Markt“ – jenem Markt, von dem mir der Lektor eines renommierten Verlags gesagt hatte, ein Roman wie dieser sei dort „nicht durchsetzbar“. Ich hatte mich dann für das System Books on Demand entschieden, „Aljoscha“ also auf eigene Faust veröffentlicht, ich hatte die Erlaubnis der Erben des berühmten Frans Masereel, einen seiner Holzschnitte für das Cover verwenden zu dürfen, ich hatte all das mit Freuden bezahlt, und dummerweise hing ich nun sehr an der Art, wie dieses Werk in die Welt gekommen war. Und darauf schrieb mir dann Vito von Eichborn selbst.

Lieber Autor, schrieb er, oje, das habe er befürchtet: jemand, der so schreiben kann, hat absolut seinen eigenen Kopf. „Ihr Buch ist für mich der so seltene klassische Fall: grandios gut und absolut schwer verkäuflich. Dies ist für mich der erste Fall, in dem die literarischen Verlage offensichtlich versagt haben.“ Die Edition, schrieb er, habe ein festes Gestaltungsprinzip, aber er wolle dafür sorgen, daß wir den Masereel-Holzschnitt mitnehmen. Mit der ihm eigenen Machen-wir-uns-nichts-vor-Haltung sagte er mir: machen wir uns nichts vor, BoD kommt in den Feuilletons nicht vor, keine Versprechungen, aber: „Ihr Buch ist eine ganz seltene Perle“, und vielleicht könne seine Stimme mehr Menschen zum Lesen bringen.

Er schrieb ein Vorwort für die Neuausgabe, und wenn einer wie er sagt, dieser Roman sei „literarisch das Beste, was ich in den letzten Jahren gelesen habe“, hat das sehr große Bedeutung für einen, der tausend Nächte tief daran gearbeitet hat, ohne zu wissen, ob dieser Balg je Hosen trägt. Es war bezaubernd zu hören, wie er dann auf der Leipziger Buchmesse in einem Radio-Interview von „Aljoscha“ schwärmte – wenn man die Begeisterung eines mit allen Wassern Gewaschenen so nennen darf.

Seine Emails waren immer wie kleine Stromstöße, und in einer der letzten, die ich von ihm erhielt damals, stand: „Wenn jemand schreiben muß, dann Sie!“

Gute Reise, lieber Vito von Eichborn. Danke für die Neugier, für den Enthusiasmus, für den Mut. Danke für alles.

RIP Vito von Eichborn. Text von Christian Erdmann.
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Aljoscha der Idiot The Everlasting Gaze

Innen – Schallplattenladen – Tag

Christian Erdmann, Autor des Romans "Aljoscha der Idiot".,

„Zuletzt verschlug es Aljoscha in einen Schallplattenladen. Ein alter schwarzer Bluessänger sang alten schwarzen Blues. Der Mann an der alten schwarzen Kasse sah aus wie Majakowski. An einem Ständer hingen T-Shirts. Aljoscha sah sie gelangweilt durch, bis er eines mit dem Erkennungszeichen des Kollektivs Einstürzende Neubauten fand. Auf dem schwarzen Stoff zeichnete sich ein archaisches Symbol ab, das an eine Höhlenmalerei der Frühzeit erinnerte. Nur war hier kein Tier dargestellt von Menschenhand, sondern eine menschliche Gestalt, die so wirkte wie die Vorstellung, die ein Tier vom Menschen haben könnte. Ein Rückgrat, davon ausgehend Arme und Beine, statt Händen oder Füßen nur die Andeutung einer atavistischen Drehung der Extremitäten; der Kopf ein Kreis, überdimensional vergrößert, und in den Kopf-Kreis war ein Mittelpunkt gemalt. Wie der Herzmittelpunkt in der Umrißzeichnung eines Elefanten in der Pindal-Höhle, 12000 Jahre alt. Was bedeutete dieser Mittelpunkt hier? Gesicht? Blick? Brennpunkt? Verdacht auf Innewohnendes? Vermuteter Sitz einer Matrix, die für unfaßbare Vorgänge im Innern der Gestalt verantwortlich ist?

Reduktion auf das Wesentliche, äußerste Stilisierung, äußerste Verdichtung. Diese Figur, dieses ins Quintessentielle implodierte Menschlein, strahlte gespenstische Intensität aus. Unheimlich stand es da wie die unentzifferbare Wahrheit des Schauerlichen, unheilschwanger in seiner primitiven Indifferenz, und lud sich auf mit Exzentrizität – mit extremer Abweichung vom gegenwärtig eingenommenen Punkt.“


Christian Erdmann: Aljoscha der Idiot

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Bilderbuch Dänemark

Fournickation

"Fournickation" von Christian Erdmann. Nick Cave Concert Poster.
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Aljoscha der Idiot

Vito von Eichborn: Vorwort für „Aljoscha der Idiot“

(Vorwort für die Neu-Edition von „Aljoscha der Idiot“, Februar 2007)



Meine Buchhändlerin sagte mir, „ja“, sagte sie…

„Ja, die Liebesgeschichte eines Studenten könnte reizvoll sein. Liebe ist nach der Lebenshilfephase wieder gefragt, und das Uni-Milieu geht ja irgendwie immer. Der beste Beweis war damals der Bestseller von Schwanitz…“

„Um Gottes Willen“, fiel ich ihr ins Wort, „den ‚Campus‘ habe ich ja selbst verlegt! Das war neckische Unterhaltung mit Altherrenhumor, auf Erfolg hin geschriebener Identifikationswitz mit Nullachtfünfzehn-Plot. War klasse für den Verlagsumsatz. Dies hier ist absolute Literatur auf hohem Niveau, weil…“

Nun unterbrach mich meine Buchhändlerin. Das macht sie ja immer gerne. „Oje, das ist also richtig rundherum anspruchsvoll? Hat es denn unterliegend wenigstens eine spannende Handlung, ein bißchen Sex and Crime, was Filmisches, ein Roadmovie oder so?“

„Herrje, nein! Tja, wie sag ich’s? Also Klartext: Dies ist ein Buch, das es – wie übrigens alle wirklich guten Bücher – den Lesern nicht leicht macht. Es ist, um aus dem Internet zu zitieren: ‚Ein Roman voller Rätsel und Anspielungen, um Sehnsucht und die Unmöglichkeit der Liebe. Ein Mosaik des Fühlens und des Träumens, jenseits von Geschichte und Verstand. Ein komplexes Gespinst aus Gedanken und Geschehen – denn nichts ist einfach zwischen den Menschen und ihren Wünschen.'“

„Ja, und wie soll ich das komplexe Gespinst verkaufen? Postmoderner Hirnschwurbel oder wie? Eine dekonstruierte Liebesgeschichte, in der offensichtlich nicht mal richtig gevögelt wird?“ Sie redete sich in Rage. „Komplizierte Literatur geht halt nicht. Das kann man bedauern, aber es gilt die logische Formel: Je intelligenter ein Buch – desto weniger Leser. Die Leute sind nicht mehr bereit – wenn sie es denn je waren -, Texte zu entziffern. Denen ist Faulkner zu anstrengend.  Arno Schmidt hatte ja mal eine intellektuelle Gemeinde – der ist auch völlig out. Wenn ich nicht voller Überzeugung ’spannend‘ sagen kann, werde ich keinen Roman mehr los.“

„Aber Herrgott nochmal, das ist doch spannend! Nur eben nicht schwanitzmäßig platt! Es ist weit entfernt von Arno Schmidts chiffrierten Verkomplizierungen – und dennoch, auch dies ist rauf und runter voller Anspielungen, ich zitiere: ‚Eine Hommage an die Liebe, die Philosophie, die Musik und die Kunst – daher unbedingt lesenswert für alle, die noch nicht aufgehört haben oder wieder anfangen wollen zu denken und zu fühlen.‘ Nein, dies ist nicht Arbeit wie bei Schmidt – es ist Lustlektüre, das zieht und zwingt und…“

„Und was erzählt uns dieses Wunderwerk?“

„Die Handlung ist alltäglich. Die gegenwärtige Liebe des Philosophiestudenten Aljoscha geht allmählich zu Ende. Und er verliebt sich neu in eine unbekannte Schöne, so ergreifend und verstörend, daß es – auch dem Leser – weh tut. Bei Amazon jubelt eine Leserin: ‚Unglaublich, daß es so etwas noch gibt. Fast jeder Satz ist für sich genommen schon ein Kunstwerk‘, und eine andere greift tief in die Kiste – und sie beschreibt es sehr richtig: ‚Der Autor schreibt in einem atemberaubenden, wunderbar altmodischen Sprachstil und führt den Leser mit unglaublicher Gewandtheit, erstaunlich weit gefaßtem Wissen und äußerst feinem Humor durch die tiefe, empfindungsreiche, philosophisch geprägte und doch postmoderne Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonisten.‘

Also, ich versteige mich zu der Behauptung: Dies ist literarisch das Beste, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. All die neue Realitätsliteratur, wo Autoren Wirklichkeiten abschreiben und Literatur behaupten, ist banal und langweilig im Vergleich zu ‚Aljoscha‘. Erdmann erzählt das Unsagbare.“

Meine Buchhändlerin hatte ihre Grübelfalten angelegt: „Mensch, so eine Jubelei kenne ich ja gar nicht mehr, das ist mir nun fast unheimlich. Übrigens ist das auch gefährlich – wenn jemand in den Feuilletons so loslegt, reizt das zum Widerspruch, mich auch, dann werden alle anderen automatisch skeptisch.“

Sie hatte mir das Buch aus der Hand genommen und zu blättern und sporadisch zu lesen begonnen, wie Vielleser es gerne tun.

„Aber verdammt nochmal, wenn etwas erste Sahne ist – und sei es anspruchsvolle Literatur -, dann muß es doch möglich sein, das einfach zu sagen…“

Sie unterbrach: „Aber das sind ja wirklich außergewöhnliche Worte und Sätze, stimmt, das sieht man schnell, oje, am Wochenende werde ich wohl wieder zu nix anderem kommen – aber ich spüre ganz unmittelbar: Dies will, nein, muß ich in Ruhe ganz lesen. Und dann vermutlich nochmal…“

Richtig, dies ist eins der seltenen Bücher zum Mehrfachlesen, weil man immer wieder Neues entdeckt.

Wer auch immer dies auf sich nimmt – ich schwöre, der bekommt einen glücklichen Ausdruck im Gesicht…

Vito von Eichborn

Vito von Eichborn, Vorwort für "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann.
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Bilderbuch Paris

Père Lachaise II

Père Lachaise, Paris. Analogfotografie von Christian Erdmann.
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Bilderbuch Paris

Listen

Listen. Cimetière de Montmartre, Paris. Analogfotografie von Christian Erdmann.

Cimetière de Montmartre

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Bilderbuch Paris

Cimetière de Passy I

Christian Erdmann: Cimetière de Passy I. Analogfotografie.
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aj_graveyards presents christi_erdmann [III]

„aj_graveyards Feature: christi_erdmann“

07.12.2022

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project_necropolis presents christi_erdmann [II]

„PROJECT_NECROPOLIS presents christi_erdmann“

08.09.2021

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aj_graveyards presents christi_erdmann [I]

„aj_graveyards Feature: christi_erdmann“

29.07.2021

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project_necropolis presents christi_erdmann [I]

„PROJECT_NECROPOLIS presents christi_erdmann“

19.07.2021

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The Everlasting Gaze

Ray of Light

Christian Erdmann, Ray of Light.
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The Everlasting Gaze

Polandroid

Christian Erdmann, Polandroid.
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Bilderbuch Paris

Jardin du Luxembourg

Paris, Jardin du Luxembourg. Foto von Christian Erdmann.
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Bilderbuch Her Room of Lights

White Room

White Room. Foto von Christian Erdmann.
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The Everlasting Gaze

Saint

Saint Christian Erdmann.

Some photo booth in Paris. I’m in my twenties.

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The Everlasting Gaze

The Future is yet unwritten

Christian Erdmann in: The Future is yet unwritten. Foto Maria Erdmann

Blond, blurred, bibliophil

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Bilderbuch Paris

Sainte-Chapelle

Sainte-Chapelle, Paris. Foto von Christian Erdmann.
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Bilderbuch Paris

Grabmal Oscar Wilde

Bilderbuch: Paris. Analogfotografie von Christian Erdmann. Grab von Oscar Wilde auf dem Friedhof Père Lachaise, Paris. Tomb of Oscar Wilde.

Cimetière du Père Lachaise

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project_necropolis presents christi_erdmann [III]

„PROJECT_NECROPOLIS presents christi_erdmann“

11.08.2022

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Home Sweet Home

Marcin Witt: Blackstar

"Blackstar", David Bowie, Gemälde von Marcin Witt, Christian Erdmann.

„Blackstar“

Marcin Witt

2016

(Auftragsarbeit)

-> atelier-witt.de

Der Auftrag stammte von meinen lieben friends and colleagues, das Gemälde war ihr Geschenk zu meinem Geburtstag. Daß der Tod von David Bowie mir schwer zusetzte, konnte ich nicht gut verbergen, und daß Marcin Witt diese schöne Idee so phantastisch umgesetzt hat, daß ich zum stolzen Besitzer dieses Gemäldes werden durfte, hat mir viel bedeutet.

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Home Sweet Home

Golem

Golem. Foto von Christian Erdmann.

Dieses Exemplar stammt aus der Straße U Stareho Hrbitova in Prag, bei der Altneu-Synagoge, wo der Golem seinen Hauptwohnsitz hat.

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Home Sweet Home

Regal der Sieben Weissen Dinge

Regal der Sieben Weissen Dinge. Foto von Christian Erdmann. Killing Joke Coffee Mug. David Bowie Heroes Coffee Mug. I Drink And I Know Things Coffee Mug.

Mein Regal der Sieben Weissen Dinge. Weil schon Konfuzius sagte, Du sollst ein Regal haben mit Sieben Weissen Dingen.

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Home Sweet Home

Mansinthe

Marilyn Manson, Mansinthe. Foto von Christian Erdmann.
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Home Sweet Home

Poetical Works

Poetical Works. Foto von Christian Erdmann. Geoffrey Chaucer, John Milton, Ossian, John Dryden, Robert Burns, William Wordsworth, John Keats, Lord Byron, Percy Bysshe Shelley, Alfred Tennyson, Samuel Coleridge, Algernon Swinburne.

Collected over the years, bis auf das Verlorene Paradies, bei The Booktrader in Kopenhagen, Skindergade 23, ein favourite bookstore, den auch William S. Burroughs einmal besuchte.

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Home Sweet Home

Creatures In Love

Creatures In Love. Foto von Christian Erdmann.

Everybody needs somebody to love.

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aj_graveyards presents christi_erdmann [II]

„aj_graveyards Feature: christi_erdmann“

07.05.2022 

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Aljoscha der Idiot

Interview Literatur-Feder Magazin

Interview mit Christian Erdmann

Literatur-Feder Magazin

Ausgabe 5, Juni 2007


Der Autor Christian Erdmann und sein Werk „Aljoscha der Idiot“

„Aljoscha der Idiot“ erschien bereits 2005, bevor es nun neu, in der besonderen Buchreihe Edition BoD, aufgelegt wurde.

„Ich schwöre: Wer dies liest, der bekommt einen glücklichen Ausdruck im Gesicht…“, so der Gründer des Eichborn-Verlags, nun Herausgeber der BoD Edition und einer der renommiertesten Branchenkenner in der Literaturszene, Vito von Eichborn.

Erdmann gilt als außergewöhnlicher Autor, der das Talent besitzt, den Leser von der ersten bis zur letzten Seite in den Bann zu ziehen.

Daher war es uns eine ganz besondere Ehre, dass wir ihn in dieser Ausgabe für ein exklusives Interview gewinnen konnten.

Christian Erdmann, Interview mit dem Literatur-Feder Magazin, 2007.

Literatur-Feder: Herr Erdmann, auf Ihrer Homepage stellen Sie beinahe ausschließlich Ihr Buch in den Vordergrund. Über Ihre Person als Autor erfährt man so gut wie nichts. Möchten Sie unseren Lesern etwas von sich preisgeben?

Christian Erdmann: Oh, gut. Ich lebe in Hamburg und versuche wie jeder andere, das tägliche Chaos irgendwie zu ordnen. Ich habe Philosophie studiert, aber keine Karriere daraus gemacht. Unter meinem Bett liegen Schiffsladungen von Papier, Entwürfe für das, was einmal meine Dissertation werden sollte, eine „Philosophie des Horrors“. Aber das hat den Rahmen gesprengt, und ich bräuchte einen Deutschen, der mir das systematisiert. Ich habe einen ziemlich bizarren Job, um mich über Wasser zu halten. Und wenn ich meine Feder in mein Herzblut hätte tauchen können, um den Roman zu schreiben, hätte ich es getan.

Literatur-Feder: Ihr Roman „Aljoscha der Idiot“ ist Ihre erste Roman-Veröffentlichung. Wann haben Sie mit dem Schreiben begonnen und gab es dafür einen bestimmten Auslöser?

Christian Erdmann: Wann ich mit dem Schreiben begonnen habe? Als Kind! Ich konnte schreiben, bevor ich in die Schule ging, und ich habe Lexika vollgekritzelt mit… notwendigen Ergänzungen. Ich hatte bloß die Angewohnheit, zwischen den einzelnen Worten Striche zu setzen… Gedankenstriche. Wie Kupplungen zwischen den Waggons eines Zuges. Vielleicht hatte ich irgendwie schon immer das Gefühl, die einzelnen Worte sind nicht verbunden genug.

Die ersten ernsthaften Schreibversuche waren Gedichte. Es gab auch mal einen Gedichtband, den ich zusammen mit einer Freundin gemacht habe. Wir haben beim Drucker die Seiten selbst geschnitten und geleimt. Das Bändchen hieß „Vorwitz und Verstrickung“. Ein paar Hundert Exemplare im Eigenverlag, das war gnadenloser, furchtloser, furchtbarer Idealismus.

Der Anlaß für diesen Roman war, etwas Wunderbares festzuhalten. Ich sage nicht, daß es eine wahre Geschichte ist, aber der Anlaß war, etwas Wunderbares festzuhalten.

Literatur-Feder: Sie haben sich bei Ihrem Erstlingswerk für eine Veröffentlichung bei BoD entschieden. Was waren die Gründe?

Christian Erdmann: Nun, ich habe das Manuskript in unregelmäßigen Abständen an einige der großen Verlage geschickt. Nicht viele, nur eine Handvoll: Berlin-Verlag, Matthes & Seitz, Suhrkamp, Reclam Leipzig, Hanser, zuletzt Rogner & Bernhard, wo mir eine Praktikantin den Papierstapel zurückgab. Vermutlich hat’s da keiner gelesen, aber es sah trotzdem so aus, als hätten sie den Fußboden damit gewischt. Man hat als Autor nicht viel Geld, aber eine Menge Schmierpapier.

Die Absagen, die man auf meiner Homepage lesen kann, sind authentisch. Der Roman wurde abgelehnt als zu anspruchsvoll und „auf dem Markt nicht durchsetzbar“. Also, wenn man das Manuskript nicht in einem heiligen Ritual verbrennen will, was kann man tun? BoD war einfach der Weg, den Roman so herauszubringen, wie ich ihn wollte. Es hat mich natürlich auch gereizt, daß man die Covergestaltung selbst übernehmen und so eine Art Gesamtkunstwerk schaffen kann. Ich wollte unbedingt diesen Masereel-Holzschnitt! Und ich verstand BoD dann als eine Art Independent-Bewegung, die es erlaubt, gewisse Mechanismen des Betriebs zu unterlaufen. In der Musik geschieht ja derzeit Ähnliches, es gibt aufregende Bewegungen außerhalb der herkömmlichen Strukturen der Industrie. Im Internet hat ja gerade die kreative Schnitzeljagd für Furore gesorgt, die Trent Reznor für die letzte Nine Inch Nails-Platte veranstaltet hat. Ganze Alben werden nur noch im Internet zugänglich gemacht, die Einstürzenden Neubauten haben dieses System etabliert, Musik mit direktem Support durch Fans zu produzieren, jede Myspace-Seite bietet Hörproben, Musiker-Blogs geben bislang ungekannte Einblicke in das künstlerische Schaffen, kurz, die graben den Schacht von Babel da.

Literatur-Feder: Vito von Eichborn ist seit März 2006 neuer Herausgeber der Edition BoD, einer Buchreihe, in der außergewöhnliche BoD-Titel präsentiert werden. Ihr Buch wurde in diese besondere Buchreihe aufgenommen. Nun gilt Herr Eichborn als einer der innovativsten Buchmacher in der deutschsprachigen Literaturlandschaft mit einem feinen Gespür für hoffnungsvolle Autoren. Was bedeutet diese Aufnahme für Sie?

Christian Erdmann: Das war ein echter Schock. Und natürlich eine große Ehre.

Literatur-Feder: Konnten Sie bereits im Vorfeld damit rechnen, in diese Buchreihe aufgenommen zu werden?

Christian Erdmann: Nein, das kam aus heiterem Himmel. Ich hatte nur die Vorstellung, daß das Buch schon seinen Leser finden wird, aber abgesehen von der Website bestand meine Promotion darin, im Forum eines Nachrichtenmagazins zu schreiben, wobei ich das Buch aber nie offensiv bewarb. Man streitet da über Politik oder diskutiert Filme. Nach einer Weile kamen die ersten Emails von anderen Teilnehmern dort, die sich fragten, was ist das denn für einer, und über mein Userprofil die Website gefunden hatten. Die fragten dann nach dem Roman und wie man ihn bekommen kann. Die ersten Reaktionen auf das Buch waren sehr bewegend. Wenn dir ein Leser sagt, der Roman hätte sein Leben verändert – das geht schon unter die Haut. Daß mir dann plötzlich Vito von Eichborn ein Vorwort schreiben würde, in dem er erklärt, das sei literarisch das Beste, was er seit langem gelesen habe – nein, hätte ich nicht gedacht. Wenn das Buch sich durch Kanäle bewegt, die du nicht mehr kennst, wenn du nicht mehr weißt, wo die Flüsterpropaganda flüstert, dann merkst du, es ist auf dem Weg. Aber dem, der da nächtelang vor sich hin schrieb ohne Vorstellung davon, wo das hinführen soll, verschlägt das erstmal den Atem.

Literatur-Feder: Erscheint Ihr nächstes Buch ebenfalls als BoD?

Christian Erdmann: Erst einmal will es geschrieben sein. Dann sehen wir weiter.

Literatur-Feder: Wie viele Jahre Vorarbeit haben Sie für Ihren Roman investiert?

Christian Erdmann: Vorarbeit im eigentlichen Sinne gab es nicht. Es gab nur Arbeit. Ich habe an dem Roman geschrieben, bis er fertig war, und dann habe ich an einer neuen Fassung geschrieben – vielleicht drei- oder viermal. Allerdings habe ich nicht kontinuierlich daran gearbeitet. Eine erste Fassung war Ende der 90er fertig, aber sie ist nicht mehr zu vergleichen mit dem jetzigen Roman. Das, was jetzt „Aljoscha der Idiot“ ist, entstand zwischen 2002 und 2004. Das stand dann für mich schon unter dem Vorzeichen BoD. Und das hieß: keine Beschränkungen im Hinblick auf das, was „auf dem Markt durchsetzbar“ ist. Die Überarbeitung der Erstfassung bestand darin, alles viel kompatibler zu machen. Und dann habe ich den ganzen Prozeß langsam wieder umgedreht. Entweder sagt man die Dinge so, wie man sie sagen will, oder man läßt es.
 
Ich glaube ja an die ganz alten Geschichten. Wie Rimbaud mit „Eine Zeit in der Hölle“ zum Drucker gegangen ist, den bezahlt hat, und dann ist die Auflage in Brüssel verrottet. Das ist groß! Irgendwann stand ich dann in Paris vor dem Haus, in dem Lautréamont verhungert ist. Ich sagte mir, was der kann, kann ich auch. Und gab mein letztes Hemd für BoD.

Literatur-Feder: Vor nicht allzu langer Zeit galt der Aufenthalt des Dichters im sogenannten Elfenbeinturm als Symbol für eine verfehlte Einstellung, die lediglich als „Flucht aus der Wirklichkeit“ angesehen wurde. Im letzten Jahrzehnt hat sich an der Einstellung offensichtlich etwas geändert. Man bedenke das Anwachsen der phantastischen Literatur auf dem Markt.
Welche Aufgabe hat ein Autor heute Ihrer Meinung nach?

Christian Erdmann: Jeder Autor muß selbst entscheiden, wo sein Weg ist. Ich kann nur für mich selbst sprechen. Und nur für dieses Buch. Und dann ging es vielleicht darum: sagen, was bisher noch nicht gesagt wurde. Oder etwas so sagen, wie es bisher noch nicht gesagt wurde. Sich dem Unsagbaren annähern. Sie kennen sicher den Zustand, wenn zwischen Traum und Wachen das Gehirn auf Hochtouren läuft. Vielleicht sind wir dann die besten Literaten.

Die Flucht aus der Wirklichkeit gibt es ja eigentlich gar nicht. Jeder angeblich Flüchtende entdeckt da, wo er ist, eine andere Facette der Wirklichkeit. Wenn wir alle mit den alltäglichen Einschätzungen zufrieden wären, bräuchte es keine Literatur. Insofern bedeutet Literatur immer, neben der Realität zu liegen. Auch „Realismus“ ist nur ein Stil, nur vielleicht die schwächste Form des Danebenliegens. Zu dem, was uns als Antwort vorgelegt wird, keine neue Fragen finden, das ist der eigentliche Elfenbeinturm. Und die subversive Kraft des Danebenliegens ist es, neue Wirklichkeiten zu erschließen.

Für mich selbst funktioniert Schreiben wie eine Fahrt in der Geisterbahn. Ich möchte nicht schon vorher genau wissen, was am Ende herauskommt. Man fährt zwar auf einer Schiene, aber man weiß nicht, was man unterwegs trifft. Andere nicht langweilen, aber auch sich selbst nicht langweilen, wie Billy Wilder sagte.

Zum Roman

Literatur-Feder: Der Roman findet in der Gegenwart statt, in einer Gegenwart, würde man besser sagen. Aber Errungenschaften der Gegenwart spielen, wenn man vom Walkman einmal absieht, im Roman so gut wie keine Rolle. Gibt es Gründe?

Christian Erdmann: Oh, Aljoscha benutzt auch ein Telefon! Und der ganze Ablauf beginnt ja damit, daß Aljoscha einen Horrorfilm von 1942 sieht. Also gibt es auch Fernsehen… es gibt schon Errungenschaften der Moderne, aber es ist mehr wie bei Cocteau, wenn der Tod durchs Autoradio spricht. Die eine Gegenwart, in der das alles spielt, ist unbegrenzt und sozusagen panoramisch geöffnet, für Botschaften, die aus anderen Zeitebenen zu kommen scheinen, für Mythologie. Mir ging es auch darum, wenigstens anzudeuten, daß jede Situation ein unendlich komplexes Geflecht von Bezügen ist, praktisch unauslotbar. Um die Situation in 80 Perspektiven, gewissermaßen. Es spielt sich etwas ab, für das die Moderne eigentlich keinen Platz hat – ein magisches Ritual. Und alles, was Aljoscha begegnet, scheint einen Bezug zu diesem Ritual zu haben, es gibt überall Verbindungen und den totalen Zusammenhang der Ereignisse in einer scheinbar magischen Ordnung. Das, was Breton mal „die unwahrscheinliche Mitwirkung“ nannte. Aljoscha merkt, daß er aus der normalen Welt herausfällt, und die Dinge der normalen Welt haben keine Bedeutung mehr… sofern sie keine Bedeutung in Bezug auf das haben, was ihn mit dieser rätselhaften Frau verbindet, seiner Obsession. Aber gut, ein Rezensent schrieb, Aljoscha wirke, als hätte ihn ein böser Geist aus der Pariser Belle Epoque herausgerissen. Er hat wahrscheinlich ein paar Anlagen, die ihn in der Gegenwart ein bißchen deplatzieren. Aber vielleicht prädestiniert ihn das auch für die Erfahrung, die er macht.

Literatur-Feder: Im Zusammenhang mit der Bibliotheca Medicea Laurenziana in Florenz, die von den Protagonisten aufgesucht wird, sprechen Sie von „Schöner Wohnen für den Weltgeist“.
 
Hat der Weltgeist Ihrer Meinung nach in den modernen Lesesälen mit Buchbestellterminal etc. nichts zu suchen, bzw. findet er dort keine angemessene Behausung?

Christian Erdmann: Doch, nur hat man manchmal den Eindruck, er schwirrt da etwas aufgescheucht herum. Das Ganze ist ein bißchen ironisch gemeint. Das ist vielleicht eine der Passagen, wo der Leser sich zu fragen beginnt: meint der das alles ernst? Dann kommt er wahrscheinlich darauf, daß manches ironisch gemeint ist. Das stimmt, aber auf einer dritten Ebene ist hinter der Ironie alles wieder todernst gemeint.

Diese Reihen von Büchern, die man über Jahre hinweg zusammengetragen hat, und jedes einzelne präsentiert seine Aura, das ist doch einfach ein wunderbarer Anblick. Vor einer Weile las ich ein schönes Plädoyer für die Macht der Bücher, „Der Club Dumas“ von Arturo Pérez-Reverte, die Vorlage für diesen Polanski-Film mit Johnny Depp, „Die neun Pforten“. Diese leidenschaftlichen Bücherjäger, diese einzigartigen alten Ausgaben mit einzigartigen Geheimnissen, hinter denen alle her sind, mittendrin die aufregendsten Frauen, nicht minder geheimnisvoll, ich meine, da möchte man doch eine der Romanfiguren sein.

Bob Dylan hat mal gesagt, das Internet sei ihm unheimlich, und er fürchte immer, daß da irgendwann eine Hand durch den Monitor kommt und nach ihm schnappt. Gut, der Mann denkt in Metaphern. Der schnelle Zugriff auf Informationen im web, der Austausch, die Vernetzung, all das ist ein unbezahlbarer Vorteil. Aber es fehlt die Tiefendimension, die ein Buch hat. Wenn du ein Buch von Baudelaire in der Hand hast, ist Baudelaire dein Zeitgenosse. Dinge wie Wikipedia machen zwar klar, daß wir alle der Weltgeist sind, aber andererseits glaube ich an den Genius Loci. Die Atmosphäre eines Ortes und die eigene Stimmung, da gibt es eine Wechselwirkung. Sakralbauten haben die Funktion, dich einzustimmen, dir irgendeine Art von Empfänglichkeit zu schenken. Ich mag es, wenn man eine Bibliothek betreten kann wie einen Sakralbau.

Literatur-Feder: An welche Zielgruppe richten Sie sich? Lässt sie sich benennen?

Christian Erdmann: Naja, an jeden, der das Gefühl hat, hinter dem perfekt aufgeführten Theaterstück der Normalität toben noch ganz andere Mächte. Alle, die an irgendeine Art von Bestimmung und an Liebe als höchste Form der Magie glauben, sollten diesen Roman lesen. Jeder, der mal gedacht hat: Liebe ist anders, unvorstellbar anders. Alle, die daran glauben, daß die Reise in die Mitte der Wirklichkeit einen Auslöser auf zwei langen Beinen hat. Und jeder, der sich über das freut, was man mit Sprache anstellen kann. Es gibt doch diesen Song, „Man Out Of Time“. Dies hier ist ein „Book Out Of Time“. Es kennt den Zeitgeist nur vom Hörensagen. Manche empfinden den Sprachduktus als altmodisch, benutzen dann aber im nächsten Satz das Wort „postmodern“. Was kann ich sagen?

Literatur-Feder: Im Zusammenhang mit Äußerungen zu Wittgenstein fällt der Satz: „Positivismus ist das, was man seiner Oma erzählen kann“. Wie sehen Sie den heutigen oder kommenden Weg des Denkens?

Christian Erdmann: Als ich Arbeiten für mein Philosophiestudium schrieb, haben die Professoren mir immer gesagt: sehr schön, aber passen Sie auf, daß Sie nicht zu poetisch werden. Und dann habe ich einen Roman geschrieben, der einem Lektor „zu philosophisch“ war. Meine Idee ist, Poesie war immer schon eine Art Philosophie, aber Philosophie muß noch mehr als eine Art von Poesie verstanden werden. Denn alles wir tun, in welcher Disziplin auch immer, das ist, daß wir uns Geschichten erzählen. Es gibt keine Wahrheit, die man verabsolutieren könnte. Perspektivismus ist heilsamer als Dogmatismus. Ich behaupte in meinem Roman ein paar Wahrheiten über diese Welt, aber letztlich ist es nur meine Sicht, meine Erfahrung. Wenn das neue Räume öffnet für jemanden, wunderbar. Wir können uns nur annähern, aber das Streben an sich ist erotisch.

Literatur-Feder: Wie gehen Sie mit dem Vorwurf um, dass die Fülle der zur Sprache gebrachten Kenntnisse gelegentlich die Handlung zu überwuchern scheint?

Christian Erdmann: Das wird ja oft ironisch gebrochen, beispielsweise in den ganzen bizarren Majakowski-Zitaten, die ja völlig unsinnig wirken. Auch wenn sie im Aljoscha-Zusammenhang dann wieder Sinn ergeben, werfen sie auf Aljoscha sicher nicht das Licht eines von seiner eigenen Bildung Ergriffenen. Es gibt auch Passagen, in denen zwei Leute in einem Raum sitzen und ziemlich behämmert versuchen, den ganzen Lauf der Dinge zu verstehen. Andererseits ist die Fülle dessen, was da auf Aljoscha einströmt, aktiver Teil der Handlung selbst. Wenn da die Professoren in ihren Vorlesungen Botschaften mitteilen, die Aljoscha in seinen eigenen persönlichen Bedeutungszusammenhang fügt, dann ist das so, als hätten die Dinge hinter den Dingen eine eigene Stimme. Man kann sie halt nur nicht in den Credits aufführen, sozusagen.

Literatur-Feder: Eigentlich erübrigt sich die Frage nach Vorbildern, Einflüssen. Sie werden im Roman in der Regel genannt. Gibt es trotzdem Schwerpunkte? Welche Rolle spielt Kierkegaards „Tagebuch des Verführers“ für einen gewissen Handlungsteil?

Christian Erdmann: Kierkegaard war kein direkter Einfluß. Ich sehe, was Sie meinen, es gibt vielleicht gewisse Parallelen, aber Aljoscha ist kein distanzierter Ästhetiker. Natürlich ist die schöne Unbekannte Projektionsfläche seiner Phantasien. Aber es ist ja nicht so, daß Aljoscha dabei zugleich systematisch auf der Flucht vor der Liebe wäre, daß er bei alldem nur einen letztlich hedonistischen Reiz auskostet.

Die Parallele liegt sicher darin: Aljoscha erlebt, wie ihm ein Ideal erscheint, und er spürt ihm nach, er wird zum akribischen Beobachter, jedes Detail aus dem Leben dieser Frau wird sein Fetisch, jeder ihrer Bewegungen folgt ein Sturzbach von Bedeutungen. Der Unterschied: Beobachtung ja, aber Kontrolle, Machtausübung? Nein. Planmäßiges Verführen? Nein. Die Frau wird nicht zum Opfer seiner diabolischen Inszenierung. Im Gegenteil lernt Aljoscha die ganze Zeit, daß es immer etwas gibt, das ihm voraus ist. Er läuft ständig hinterher, das ist sein Grundgefühl. Da ist etwas, das mit äußerster Raffinesse vorgeht, aber dieses Etwas ist nicht er selbst. Es ist etwas anderes, das da steuert, nicht er selbst.

Beim Verführer Kierkegaards gibt es diese latent sadistische Komponente, die Machtausübung über ein Objekt. Für Aljoscha ist es eher masochistischer Suspense, in einer Verführung, die, wenn schon, wechselseitig ist.

Auch verläßt Aljoscha eigentlich nie die moralische Ebene. Für den Verführer ist Zweisamkeit ja keine Perspektive. Für Aljoscha beginnt aber genau da das Dilemma. Er ist voller Skrupel, eigentlich ein durch und durch ethischer Charakter. Er fühlt sich schon schuldig, bevor er sich schuldig gemacht hat. Erst als er wirklich begreift, daß die Realität tatsächlich mit seinem Phantasma identisch ist, stellt sich ihm auch die Frage, ob Schuld überhaupt ein sinnvolles Wort ist.

Es gab eigentlich keine direkten literarischen Vorbilder, obwohl es Passagen gibt, die ich meine Thomas-Mann-Passage nenne oder meine Francois-Villon-Passage. Einflüsse dagegen gibt es unendlich viele, natürlich. Man kann aus allem etwas Brauchbares ziehen. Aus einem alten Chemiebuch habe ich einiges über Metamorphose gelernt. Musik war natürlich auch ein Einfluß. Ich habe mal gelesen, Musik kann das Gehirn in einen Zustand versetzen, in dem es neue „patterns of speech“ entwickelt. Das habe ich zuweilen ganz banal instrumentalisiert. Die Suche nach Flauberts „mot juste“… statt wie Flaubert in den Teppich zu beißen, habe ich mir Kopfhörer aufgesetzt. Und manchmal hat mich die Atmosphäre eines Stücks wie „Boy Child“ von Scott Walker oder „Frozen Warnings“ von Nico genau dahin geführt, wo das Wort oder das Bild war.

Literatur-Feder: Könnten Sie uns etwas über die Gründe zur Wahl des Titels sagen?

Christian Erdmann: Zuerst hieß der Roman „Die Katzenmenschenfürstin“. Freunde, die das Manuskript gelesen hatten, sagten mir aber, das klinge zu sehr nach Fantasy und zu historisierend. Daß es dann „Aljoscha der Idiot“ wurde… Aljoscha hat das Gefühl, das Leben hat eine innere Struktur, die aufregend und bedeutsam ist, ein geheimes Muster der Existenz. Nur, er kapiert es lange nicht. Er weiß nicht, ob er zu äußerster Klarsicht oder zu äußerster Unzurechnungsfähigkeit vordringt. Und das, was er versteht, versteht er eben etwas anders. Das ist, wovon im Buch gesagt wird, es ist das Russischste am Russen – alles etwas anders verstehen. Alles etwas anders tun. Er geht eben nicht auf diese Frau zu und fragt sie: „Wollen wir nicht mal einen Kaffee zusammen trinken?“ Das hätte alles zerstört.

„Idiot“ ist auch kein klassisches Schimpfwort für mich. Nicht seit Dostojewski. Es ist nicht negativ gemeint, es bezeichnet nur einen, der eben ein bißchen ein komischer Heiliger ist.

Literatur-Feder: Die Handlung erstreckt sich über neun Monate. Warum haben Sie sich für die Romanform entschieden, wenn sich die relative Kürze der Handlung auch in einer Erzählung hätte wiedergeben lassen?

Christian Erdmann: Es geht um die Vorstellung von Mustern, die vielleicht einerseits Produkt unserer unbewußten Sehnsüchte sind, die uns dorthin bringen, wo etwas in uns schon immer hin wollte, und die uns andererseits irgendwie von außerhalb unserer selbst am Wegesrand Zeichen geben. Wir verändern die Muster, die Muster verändern unsere Realität. Um all das darzustellen, hätte die komprimierte Form der Erzählung nicht ausgereicht. Die Situationen, die dem Protagonisten mit Bedeutung aufgeladen scheinen – sie werden beschrieben, aber es war auch der Versuch, das in die Sprache selbst eindringen zu lassen. Auch die Worte und Sätze, die Aljoschas Realität beschreiben, sind mit Bedeutung aufgeladen. Die Geschichte, die Handlung selbst, ist nicht übermäßig ausgefallen. Wie sie beschrieben wird, das ist ungewöhnlich. Die Ebenen in Aljoschas Wahrnehmung haben eine Entsprechung in der Sprache. Bis zu dem Punkt, an dem die Vermischung von Realität und Phantasie, von Traumzeit und Echtzeit, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, auch den vermeintlich auktorialen Erzähler völlig sabotiert. Aljoscha hat keinen Zweifel am kausalen Geordnetsein der Welt… aber er spürt einer genuin anderen Kausalität nach als der bekannten. All das, all diese Sequenzen und Koinzidenzen, ist in die Sprache eingewoben, diese ganze Textur. Manche Worte am Ende erklären manche Worte am Anfang. Das entspricht Aljoschas Gefühl, die Gründe für seine Gegenwart kommen aus der Zukunft. Eine Erzählung hätte all das nicht erlaubt. Konventionelle Erzählweisen werden immer wieder aufgebrochen, um darzustellen, wie Aljoschas Realität aufgebrochen wird, und wie sein Blick darauf sozusagen explodiert. Als würde eine Polaroidkamera in einen Haufen Polaroids explodieren, die sich gegenseitig anstarren.

Literatur-Feder: Den Protagonisten fehlt die Dimension der biografischen Vergangenheit nahezu völlig. Welches Konzept verfolgen Sie damit?

Christian Erdmann: Naja, es gibt schon Rückblenden, die helfen, den Punkt zu erklären, an dem Aljoscha und Leda jetzt stehen. Aber es stimmt, auch diese Rückblenden können von dem Punkt aus gesehen werden, an dem die Gegenwart für Aljoscha sich wie ein Universum ausdehnt. Die biografische Vergangenheit der Katzenmenschenfrau kennt Aljoscha ja lange nicht. Darum ist sie ja die Katzenmenschenfrau.

Literatur-Feder: „Wer auch immer dieses (das wiederholte Lesen) auf sich nimmt, der bekommt einen glücklichen Ausdruck im Gesicht“. Dies die Ankündigung des Herausgebers Vito von Eichborn. Hätten Sie eine Vorstellung davon, wie es zu diesem glücklichen Ausdruck kommen könnte?

Christian Erdmann: Ein ratloser, befremdeter Ausdruck ist sicher auch denkbar… ein „Hä?“ aus tiefstem Herzen. Ein Leser schrieb mir, bei vielen Büchern suche man die Nadel im Heuhaufen, während mein Buch ein Nadelhaufen sei. Manche sagen, der Einstieg in den Roman fällt schwer, und ich sage dann, wenn Sie die ersten 50 Seiten schaffen, kann Sie danach nichts mehr schrecken. Manche sagten mir: und dann kam diese Sogwirkung. Für mich ist das schwer zu beurteilen. Es scheint, entweder legt man das Buch schnell wieder weg, oder man läßt sich auf eine vielleicht schwierige, aber tiefgehende Erfahrung ein. Der glückliche Ausdruck, der kommt, wenn man Lust hat, sich von einem Buch ständig überraschen zu lassen. Wenn man sich zunächst fragt, wie kommt denn das jetzt da hin, dann aber alles plötzlich Sinn ergibt. Auch, daß Tarotkarten eine Konferenz abhalten, die aus dem Ruder läuft. Ein Theaterstück, mittendrin. Es ist überhaupt viel drin. Ich möchte an dieser Stelle Lotte Lenya zitieren: „Da wird was geboten für sein Geld!“

Literatur-Feder: Wir wünschen dem „komplexen Gespinst aus Gedanken und Gefühlen“ (Zitat: Vito von Eichborn) und seinem Autor weiterhin viel Erfolg!

Christian Erdmann: Ich bedanke mich ganz herzlich und wünsche Ihrem Magazin dasselbe! 


Das Interview führte Marlies Eifert zusammen mit Markus Fifka.

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The Everlasting Gaze

27 – Galleria del Costume

Christian Erdmann, Galleria del Costume, Florenz.

In der Galleria del Costume kam der Geist über Leda. Sie bewunderte die alten Stoffe, den Schnitt früherer Moden, sie studierte die Qualität der Verarbeitung und ignorierte, Zeichen der Ekstase, zwei oder drei Berühren verboten. Ihr Entzücken war ein sachverständiges, und ein schwarzes Charleston-Kleid wurde nicht von einem lasziven Vamp mit Perlenkette und Zigarettenspitze vorgeführt, sondern von der weißen Puppe Nr. 40. Aljoscha aber beschäftigten solche Fragen: welche Contessa hatte einst diese unfaßbar zierlichen Handschuhe von ihren unfaßbar grazilen Händen gestreift? Auf welches Bein hatten diese Spitzenstrümpfe ein Ornament im spätgotischen Flamboyantstil gezeichnet? Erweiterte die eingeengte Taille das Bewußtsein?

„Ein schwarzer Seidenstrumpf ist wie eine Glasur“, erklärte Aljoscha ungefragt. „Eine Glasur aus Dunkelheit. Geschmolzene Dunkelheit. Die Dunkelheit geschmolzener Träume. Auf dem Bein wie Blattgold auf einer Ikone. Sakraler Glanz eigentlich. Die Haut unter dem Glanz wird unberührbar. Durch den Schutz betont, durch die Betonung geschützt. Stiefel aus göttlichem Lack. Schwarze Rüstung als bloße Idee.“

„Ein Seidenstrumpf ist ein Kleidungsstück, Aljoscha.“

„Festgezurrt wie das Jagdkleid der Artemis! Schwarzes Licht, das sich über einen Schenkel ergießt! Unterweltsgöttinnenhülle!“


Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot

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Poèmes

Road Dust On Her Ankle Boots


Der Zug rast in den Sandsturm
Im Schatten einer Klapperschlange
Spielt sich nicht viel ab
Schwarzes Kleid auf heller Haut
Woher kommt das Mädchen?
Woher kommt das Mädchen?

Der Horizont verbiegt sich in der Hitze
Skelette klopfen an die Hintertür
Pferdeschrecken frißt den Klang
Von Bottleneck auf E
Wohin geht das Mädchen?
Wohin geht das Mädchen?

Reptilien kriechen durch den Korridor
Wolken brennen an den Rändern
Jemand sein im Niemandsland
Gefährte dieser Steppenhexen
Das Mädchen kommt zu mir
Das Mädchen kommt zu mir

Chiffon zitterte vom Herzschlag
In einem nie gedrehten Louise Brooks-Film
Der Mond hat einen Doppelgänger
Kein Organ ist kälter als Gehirn
Wohin führt das Mädchen?
Wohin führt das Mädchen?

Was ist es, das sie tun in Zimmer 16
Todesvogel landet hier auf ihrem Arm
Und flattert wieder fort
Das ist es, was sie tun in Zimmer 16
Das Mädchen macht
Das Mädchen macht
ihn ab, den Himmellack

Christian Erdmann: "Road Dust On Her Ankle Boots". Ein Gedicht. Bild CE.
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Poèmes

Untrunkener Seemann


Sehr weit unten warten wohl die Kraken
Auf die Proportionen eines Abgerutschten
Wo sind sie hin, die blinden weißen Fische
Die an meiner letzten Planke lutschten?

Sternvertäut, wie auf dem Deckel meines Sargs
Und nicht geneigt, in diesen Schlund zu sinken
Auf dessen Grund noch nie ein Auge sah
Wo die matten Arme der Ertrunkenen winken

Der bleiche Mond, erbarmt er sich?
Er malt mir eine Silberstraße auf die Wogen
War nicht schon einer, der auf Wasser ging?
War nicht einer, schlimmer noch als ich betrogen?

Als wär’s der süße Leib Kalypsos
Umschling‘ ich dieses Holz auf sieben Meeren
Und wenn kein Strand mehr mich als Treibgut will
Werd‘ ich noch lang den Nymphenleib beschweren

Ach! Zu kalt das Herz für alle Träume
Zu hart das Holz für einen Nymphenschoß
Zu mitleidlos der Plan der Fluten
Zu nah das Grab für einen Leichtmatros‘.

Christian Erdmann: "Untrunkener Seemann". Ein Gedicht.
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Aljoscha der Idiot

Polyphonie von Wirklichkeitsebenen

Rezension #6

Marlies Eifert über „Aljoscha der Idiot“ von Christian Erdmann

erschienen in: Literatur-Feder Magazin, Ausgabe 5, Juni 2007


Neueste Studien enthüllen, wie Frauen auf Liebeskonkurrenz reagieren: mit Rache und Vergeltung. Für Leda, die Freundin des Protagonisten Aljoscha Tuschkin, gilt dies keineswegs. Sie erklärt ihrem Geliebten ihre unverminderte Liebe, auch als der von einer Begegnung im Vorlesungsraum erzählt, die ihn stark beeindruckt habe. Diese Begegnung, das ist für den Leser und auch für Leda zu spüren, wird sein Leben von Grund auf verändern.

Ebenso wie Fürst Myschkin (1) wird „Aljoscha der Idiot“ einerseits als Lichtgestalt, andererseits als Unheilsträger bezeichnet, und es ist bis zu den letzten Seiten des Romans nicht sicher, ob er nicht ebenso die andere, ob er nicht auch „SIE“, wie sie im Roman genannt wird, ins Unglück stürzen wird…

Aljoscha Tuschkin ist Student. Und als solcher sammelt er Wissen ein. Über Kant z.B. oder Wittgenstein, Kierkegaard. (2) In der Metro liest er Hegel. Vorlesungen über Rembrandt, Poussin, Dürer werden erwähnt, Theologie-Vorlesungen. Der Student verschafft sich Kenntnisse über Legenden, über antike Mythen, Belletristik. – Die russische Literatur spielt eine Rolle, aber auch Sartre, Simone de Beauvoir. Nicht zu vergessen die Musik: Sacre du Printemps, aber auch Nick Cave. Eine vollständige Aufzählung ist hier nicht angestrebt.

Nun muss man sich nicht vorstellen, dass dieses Wissen schulmäßig an den Leser weitergegeben wird – etwa so, wie das ein Professor tut, der das Rednerpult verlässt, im Vorlesungsraum spazieren geht und „ex cathedra“ über Dinge berichtet, die eigentlich mit dem Thema, der Handlung, wenig zu tun haben.

Vielmehr: Das Wissen dient dem, worum es in der „Handlung“ geht, als Deutung, als Interpretation, als Metapher.

Aljoscha – wie gesagt – hört eine Vorlesung über Poussin. Dies ist keineswegs zufällig. Bei Poussin spielt die Mythologie eine besondere Rolle. Echo und Narziss bilden im Roman eine Metapher für die Beziehung zwischen Aljoscha und der Frau, der er in der Vorlesung immer wieder begegnet. Für sie gibt es viele Namen: Maria Magdalena, Katharina oder wie sie am häufigsten genannt wird: Katzenmenschenfrau.

Auch die Metamorphosen des Apuleius werden in der Vorlesung genannt. Aljoscha identifiziert sich mit dem „eseligen“ Lucius (3), dem die Göttin Isis erscheint.

Die Mythologie dient ganz offensichtlich zur Umschreibung der Faszination, die von der Frau ausgeht.

Alles in allem hat man den Eindruck, das Wissen wird in einen Becher gegeben, durcheinander gewürfelt und neu figuriert. Vieles hat eine Bedeutung innerhalb der Handlung, die sich für den Leser erst erschließen lassen muss. So erinnert der Titel des Romans an Dostojewskis Roman „Der Idiot“ oder der Name Aljoscha an eine Figur aus „Die Brüder Karamasow“.

Was ist Wirklichkeit, was die „eigentliche“ Wirklichkeit?

Da ist ein Student, der seit 10 Jahren „liiert“ ist mit Leda, einer Textilrestauratorin. Es ist mehr als eine Liaison: Aljoscha und Leda glauben an das Unbedingte der Liebe. Es gibt nur eine Welt, in der beide zu Hause sind. Dann trifft Aljoscha auf Katharina. Es geschieht wenig, denn erst nach 152 Seiten kommt es zum Blickkontakt, nach 262 Seiten lässt sich so etwas wie ein Gespräch erkennen. Obwohl „eigentlich“ nichts geschieht, entfernt sich Aljoscha von Leda, lässt in Gedanken und Gefühlen immer mehr von Katharina zu. Leda bezieht eine Wohnung, die Aljoscha restauriert, Aljoscha findet eine Wohnung ganz in der Nähe von Katharina.

So könnte man die Tatsachen umschreiben.

Aber wie sagt der Autor: „Erkenntnis ist kein Abbild von Tatsachen“. „Dieselbe Menge von Sinnesdaten kann auf verschiedenste Weise wahrgenommen werden.“

So würde die Beziehung, die sich zwischen Aljoscha und Katharina innerhalb von neun Monaten aufbaut, von außen kaum wahrgenommen werden können.

Nichts anderes geschieht, als dass Aljoscha und Katharina in verschiedenen Vorlesungen eine bestimmte Sitzordnung einnehmen. Für sich genommen bedeutet diese Tatsache wenig. Jedoch für Aljoscha und auch für Katharina – wie sich später herausstellen sollte – viel. So viel, dass darüber eine Beziehung mit Anspruch auf „Ewigkeit“ aufgegeben wurde. Der Ritus dieser Sitzordnung stellt einen Code dar, der außerhalb der Kommunikationsform „Sprache“ zu finden ist.

Das Sitzordnungsmotiv und das Katzen-Ritus-Motiv, beides durchzieht den ganzen Roman. Angefangen von „Cat People“ von Bowie bis zu Bastet, der ägyptischen Katzengöttin.

Katzen leben und lieben Riten, gleich ob es sich dabei um einen Panther handelt, um die Sphinx oder um die schwarz gekleidete Katharina mit spitzen Eckzähnen.

Man muss den Roman zweimal lesen – zum mindesten, um zu erkennen, wie viel Anfang im Verlauf der Handlung und im Ende enthalten ist. Motive aus dem Film „Katzenmenschen“, in dem Aljoscha IHR oder einer Vorstufe von IHR – wenn man so will – zum ersten Mal begegnet, durchziehen den Roman: Raubtier, Einsamkeit, hohe Absätze, das schwere und süße Parfum.

„Wehe dem, der Symbole sieht“ sagt der Erzähler. Aber: Nur Leser, die Symbole „sehen“ können, werden sich in die Handlung hineindenken können. Nur wenn sie Freude an Andeutungen, Umdeutungen, Beziehungsgeflechten, Metaphern, kurz an einer Polyphonie von Wirklichkeitsebenen haben und sich außerdem durch lange Sätze, die sich gelegentlich über mehrere Seiten hin erstrecken, nicht irritieren lassen, werden einen Zugang zur Welt Aljoschas haben.

Puschkin, Tuschkin, Myschkin – natürlich handelt es sich nicht um einen zufälligen Gleichklang! Zwischen Dostojewskis „Der Idiot“ und Christian Erdmanns „Aljoscha der Idiot“ bestehen, wie gesagt, Zusammenhänge.

Während Dostojewski eine Rede halten konnte im Gedenken an Puschkin, kann die Rezensentin lediglich hoffen, dass viele Leser ein Wahrnehmungsorgan, ein Auge haben werden für den Roman über Aljoscha den Idioten, oder wie man gewiss auch sagen kann: für diesen neuen Stern am Himmel der Literatur der Gegenwart.

_____

(1) aus Dostojewski: Der Idiot 

(2) Speziell die Kierkegaard-Lektüre war für den Verfasser offensichtlich bedeutsam. Zwar wird das „Tagebuch eines Verführers“ nicht genannt, aber Kierkegaard-Kenner dürften in Handlungsteilen das ein – oder andere in verwandelter Form wiedererkennen.

(3) Eine Gestalt aus Apuleius: Metamorphosen 

(c) 2007 by Marlies Eifert

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Rezension "Polyphonie von Wirklichkeitsebenen" von Marlies Eifert.
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Poèmes

Die Zitadelle


100 Menschen in der Zitadelle, als der Spuk begann
Wie ein Mysterienspiel, ein Traum in Acht und Bann

90 Menschen in der Zitadelle, „Wir sind alle nur Statisten“
Sagt ein Abbild der Maria, keiner weiß um den Protagonisten

80 Menschen in der Zitadelle, wie doch die Zeit schlafwandelt
Und die erste Schöne findet ihr Portrait verschandelt

70 Menschen in der Zitadelle, zu viele Zeitgenossen in der Menge
Schwanken wie gebrochene Versprechen durch die Gänge

60 Menschen in der Zitadelle, Schaufensterpuppen nähren Parasiten
Ein Zimmer wird verdunkelt für sonderbare Riten

50 Menschen in der Zitadelle, Worte aufs Geratewohl, Schüsse in den Mond
Masken fallen unerwartet, Augen plötzlich unbewohnt

40 Menschen in der Zitadelle, gezinkte Karten und ein Trick
Am Tisch von Tod und Teufel, aus dem Halbdunkel ein Blick

30 Menschen in der Zitadelle, Wahrheiten sind frei zum Umtausch
Die Göttin mit dem Phlegma schaukelt hin und her im Rumrausch

20 Menschen in der Zitadelle, für die Gesetze dieser Stätte blind
Die Angst, sie weht in mir wie eisig kalter Wind

15 Menschen in der Zitadelle, Augenlider schwarzgemalt geschlossen
Stirbt die Unschuld, Giftkuß unter ihre Haut geschossen

14 Menschen in der Zitadelle, Wirklichkeitsdarsteller suchen Sinn
Und jeder mit „Ich weiß es!“ auf den Lippen fährt dahin

13 Menschen in der Zitadelle, unter den sinistren Zinnen kein Warum
Die Gelassenen und die Ausgelassenen stehen still, für immer stumm

12 Menschen in der Zitadelle, ein dunkler Keller, wo es dumpf rumort
Während die Spirale der Gefühle unaufhaltsam abwärts bohrt

11 Menschen in der Zitadelle, dem Geisterseher wird der Kopf verdreht
Er schreit um Hilfe in der Sprache, die nur er versteht

10 Menschen in der Zitadelle, der Mann mit den distanzgewohnten Augen
Zu schwach, um Liebe aus Verheißungen zu saugen

9 Menschen in der Zitadelle, all die süßen Stimmen täuschen hier
Ihr Blick folgt mir seit Babylon, und schweigend folgt sie mir

8 Menschen in der Zitadelle, vergessener Nomade, Schuld im Herzen
Niemand wacht mit dir im Ring aus hundert Kerzen

7 Menschen in der Zitadelle, der Hieroglyphenleser sucht den Säulengang
Dunkle Kolonnaden, dreizehntausend Nächte lang

6 Menschen in der Zitadelle, der Schwadroneur, der nur sich selbst erregt
Eine trockene Knochenhand auf seine Brust gelegt

5 Menschen in der Zitadelle, der Mond ist blutig heute nacht
Stundenloses Zimmer, ihre Beine zittern, was hat uns hierher gebracht

4 Menschen in der Zitadelle, der letzte Zweifler steht auf einer Brücke
Sein gläsernes Gewissen zerspringt in tausend Stücke

3 Menschen in der Zitadelle, am Rand der Zukunft jagen Schattenwächter
Heimwehkranker Blick, zuletzt verglüht der Spiegelfechter

2 Menschen in der Zitadelle, Geisterritt auf brennendem Begehr
Im Morgengrauen steht die Zitadelle nicht mehr leer

"Die Zitadelle", Gedicht von Christian Erdmann.
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Poèmes

Jacqueline vielleicht


Durch Flavy-le-Martel
donnert der Fünfuhrzug
Vom Bäcker kommt
Jacqueline vielleicht

Jacqueline ist 11 und kann den Regen sehen, bevor er fällt
Du weißt jetzt, daß dir niemand glaubt, wenn du die Wahrheit sagst
Dein Vater unterm Citroën, seine Werkstatt, seine Welt
Deine Mutter blättert in Journalen aus Paris, wenn du sie fragst

Und der Nagellack läuft aus
Geh schön spielen, Kind
Mama, weißt du was?
Tu, was man dir sagt, Jacqueline

Jacqueline ist 11 und Gott hat sich die Augen ausgerissen
Madame Laclos die Lehrerin nennt es eine Phase, die vergeht
Am Kirschbaum hängt ein Seil, die Krähen wissen
Es ist Onkel Paul, der sanft im Wind der Picardie sich dreht

Jacqueline steht auf dem Feld
Sie hat aufgehört zu spielen
Bunte Reihen von Quadraten
tropfen aus den Linien

Septembervögel sind der Menschen müde, alles ist ein anderes jetzt
Die Geister kommen aus dem Abgrund bei der Mauer
Ein Eichhörnchen verblutet, eine Puppe ist zerfetzt
Scharlachrote Schatten liegen auf der Lauer

Jacqueline ist 11 und glaubt
sie ist den Streit nicht wert
Der Bruder, der nie kommen wollte
hält stumm den schwarzen Luftballon

Jacqueline mit Blumen aus dem Garten einer Anstalt
steht auf dem Feld, vergißt den Weg zurück
Paul ist tot seit dreißig Jahren, grau und kalt
erwidert er des Mädchens blauen Blick

Jacqueline verblaßt
im Wind der Picardie
Ich sah ihr weißes Kleid
vom Zug aus um fünf Uhr.

Christian Erdmann, Gedicht "Jacqueline vielleicht".
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Aljoscha der Idiot

Cover 2

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Cover der BoD-Edition, herausgegeben von Vito von Eichborn.

Cover der Neuausgabe von „Aljoscha der Idiot“ in der Edition BoD

Herausgeber: Vito von Eichborn

Februar 2007

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Aljoscha der Idiot

Königliches Metaphernfeuerwerk

Rezension #5

04. Oktober 2006 

Königliches Metaphernfeuerwerk 

Von Autor

Der plot ist nichts, was ein Autor daraus macht, ist alles. Wenn dieser Allgemeinplatz eines Belegs mehr bedürfte, Christian Erdmann lieferte ihn. 

Aljoscha, hypersensibler Student an einer Universität, ist mit Leda mehr oder weniger verbandelt, als ihm im UniMax ein rätselhaftes weibliches Wesen auffällt, das zum Objekt seiner, nein, nicht Begierde, sondern seiner Sehnsucht wird.

Pjotr, sein der Bildenden Kunst verpflichteter Freund, arbeitet an Skulpturen von sieben Köpfen, die am Ende des Romans im Brennofen gehärtet werden. So weit, so vertraut. Eine Liebesgeschichte im Studentenmilieu, doch was der Autor daraus macht, nötigt Respekt ab.

Von der ersten Seite an leistet der Roman dem Leser Widerstand, verwirrt ihn mit seiner zuerst tradiert und maniriert erscheinenden Sprache, bis er in deren Sog gerät, dem er sich kaum noch zu entziehen vermag.

Bilder bestechender Schönheit. Einfühlsame Blicke in das Seelenleben eines hypersensiblen jungen Mannes, der denkt und agiert als hätte ihn ein böser Geist aus dem Paris der Belle Epoque herausgerissen und im russisch eingefärbten Hamburg abgesetzt, wo es sogar einen Damtorskbahnhof gibt.

Als wäre das noch nicht genug für einen hochintelligenten, teils naturalistischen, teils surrealistischen und phantastisch-realistischen pikaresken Roman, erzählt Erdmann mit einer Fülle von Metonymien und Metalepsen, bricht vertraute Metaphern auf und steigert sie oft ins Absurde, nimmt die Aussage des ersten Halbsatzes im zweiten zurück. Das gelingt zwar durchaus nicht immer (hier wünscht man sich einen sensiblen Lektor), doch einem solchen Kunstwerk verziehe der Leser noch mehr kleine Ungeschicklichkeiten. Die Fülle von Hinweisen, Verweisen und Zitaten entschädigt mehr als genug. Von Majakowskij bis Puschkin, von Adorno bis Wittgenstein sowie Lyrics von David Bowie bis Julian Cope nutzt Erdmann für seinen Palimpsest, was ihm gerade in den Zusammenhang paßt, und erzielt damit weitere Irritationen, die sich wohl nur Lesern mit erheblicher kultureller Vorerfahrung erschließen werden.

Dieser Autor verweigert sich dem Zeitgeschmack konsequent. Gerade das läßt diesen Roman höchst singulär erscheinen. Für mich seit Monaten der interessanteste Roman: so hätte Salvador Dali vielleicht geschrieben, wenn er nicht lieber gemalt hätte.

Christian Erdmann, Amazon-Rezension für den Roman "Aljoscha der Idiot", betitelt "Königliches Metaphernfeuerwerk".

Königliches Metaphernfeuerwerk @amazon

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Aljoscha der Idiot

Faust schlagen

SPIEGEL ONLINE Forum

„Liebe – nicht nur ein Wort“

08.09.2006 



Stefan Möhler:

C.E. steht für Christian Erdmann, den ich gerade lese und der voll ist mit sinnreichen Zitaten. O.K., den Faust I wird er nicht schlagen, aber er ist nah dran. Allerdings muß ich warnend anmerken, dass ich ein ausgesprochenes Faible für Dada, Ex- und Impressionismus habe. 




Kritischer Leser:

Klar, das „Label“ „CE“ kann zwar auch für Produkte stehen, die der EU-Norm entsprechen (was auch immer das sei), aber eben auch für den Autoren von „Aljoscha der Idiot“. Tolles Buch! Entspricht’s der EU-Norm? Ich fürchte nicht. Dafür ist’s einfach zu gut.






09.09.2006

Stefan Möhler:

Ich für meinen Teil lese das Buch mit Hochgenuß. Endlich einmal ein Werk, das das eigene Denken nicht ausschaltet, sondern geradezu antreibt!

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Besprechung im SPIEGEL Online-Forum.
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Aljoscha der Idiot

Unbedingt lesenswert

Rezension #4

23. August 2006  

Unbedingt lesenswert 

Von Katshke

Ich hab erst angefangen und ungefähr ein Viertel des Buches gelesen, aber dessen Sprache ist so unglaublich, als hätte einer wiederentdeckt, dass alles, wirklich alles gesagt werden kann, jede kleine Einzelheit, Gedankensplitter.

Ganz kostbare Worte, Ideen, die wir uns in der Regel verbieten, wenn sie uns nicht zwischen Schlaf und Erwachen überfallen, Stimmungen, die nur leise anklingen, alles. 

Und das auch noch behutsam, so dass ich den Sog erst gar nicht spürte, der mich nun in diese Geschichte hineinzieht, dass es fast schmerzt.

Selbst wenn das Buch schlechter wird auf den anderen Seiten, was ich aber nicht glaube, lohnt es sich für mich wegen der ersten Seiten. 

Unglaublich, dass es so etwas noch gibt. Fast jeder Satz ist schon für sich genommen ein Kunstwerk.

Unbedingt lesenswert @amazon

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Aljoscha der Idiot

Durchgeknallt / Dichtkunst

SPIEGEL ONLINE Forum

Literatur – Was lohnt es noch, zu lesen?

27.08.2006

Leserin:

Nehmen wir mal an, wir diskutierten hier wirklich, was Kunst ist. Mein Mann hat gerade eben den Schreiber von „Aljoscha der Idiot“ zum Durchgeknallten erklärt und das wenige an Text, was er bei Amazon davon las, für die Ausgeburt eines kranken Hirns. Ich dagegen halte dieses Buch für Dichtkunst.

Monika Cate:

Ich auch! Kunst deshalb, für mich, weil er mit seinen Worten mir neue Räume erschloss, ich mich darin dann aber sofort heimisch fühlte, weil ich unvermutet auf Bekanntes, jedoch vorher Unsichtbares, traf.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, SPIEGEL Online Forum Literatur: Durchgeknallt / Dichtkunst.
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Aljoscha der Idiot

Ein schöner Rausch

SPIEGEL ONLINE Forum

Literatur – Was lohnt es noch, zu lesen?

11.08.2006

Zermelo: 

Was zu lesen lohnt? Auf jeden Fall das hier.

Christian Erdmann: Aljoscha der Idiot

arte de la comedia:

Erstaunlich.

Erstaunlich aus mehreren Gründen:
a) wird hier üblicherweise „mainstream“ empfohlen, und das ist C. Erdmann LEIDER (was die Verkaufszahlen angeht) oder GOTTSEIDANK (nicht, dass der irgendwann son Easy-BlaBla abliefert) noch nicht.

b) Ich les‘ ja üblicherweise keine Jungautoren: ich hab‘ da immer die Befürchtung, das könnte Oberstufenlyrik sein. Wer DAS erwartet, wird leider enttäuscht.

c) Ich kann’s – eigentlich – gar nicht leiden, wenn ich durch das Lesen eines Buches (und sei es auch nur für einen kurzen Zeitraum) meinen „Blick auf die Welt“ ändere. Das hat sowas Drogen-artiges.

Aber egal.. das war jedenfalls ein schöner Rausch.

Doch.. doch.. ich bleib‘ dabei: hat mir gefallen.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Rezension im SPIEGEL Online Forum: "Ein schöner Rausch".
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Aljoscha der Idiot

Keine konventionelle Erzählweise

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Literatur – Was lohnt es noch, zu lesen?

25.07.2006

Kritischer Leser:

Daher zurück zum Thema mit einem Literaturtip*p*: Christian Erdmann, „Aljoscha der Idiot“. Bin zwar noch nicht weit gekommen in dem Buch, aber das Wenige, was ich gelesen habe, gefällt mir sehr.

Und in schönster und bester alter Rechtschreibung gesetzt. :)

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Das literarische Orchester – spielen Sie mit!

11.08.2006

Zermelo:

Ich habe hier mal ein bißchen gestöbert und hab dabei Aljoschas Buch entdeckt. Vielleicht keine ganz einfache Lektüre, aber ich denke, die werde ich mir mal vornehmen. Scheint etwas für Herz, Seele und Verstand zu sein. Was will man denn mehr?

Christian Erdmann: Aljoscha der Idiot

Stefan Möhler:

Hab grad mal bei amazon nachgeschlagen. Ist ja sogar erschwinglich und die Kundenbewertung dort ist beeindruckend.

24.08.2006

Markus Pettering:

Zu Recht.

Ich bin etwas über die Hälfte hinaus mit der Lektüre (173 von 301 Seiten).

Der Roman ist sprachlich sehr originell, so, wie wir den Autor vom Forum her kennen.

An äußerer Handlung ist wenig bis nichts vorhanden; auktorial erzählt, aber da alles in der Seele des Protagonisten Aljoscha stattfindet, ließe sich auch von personaler Erzählweise sprechen.

Personencharakterisierung entsteht, wenn überhaupt, dann nur aus der Wahrnehmung Aljoschas.

Auch die äußere Welt bleibt vage. Aljoscha ist irgendwie Student der Philosophie und Kunstgeschichte in (?) St Petersburg und malt selber. Woher sein Geld kommt (er unternimmt weite Reisen; er hat Telefon, Walkman und so, wie ein deutscher Student), erfährt man nicht. Ein paar Andeutungen weisen auf die Jetztzeit hin, und es wird viel Metro gefahren.

Das alles bleibt im Nebel gegenüber der Nachzeichnung seiner menschlichen Beziehungen bzw der Entwicklung einer traumhaften, verhängnisvollen (?) Liebe zu der sog „Katzenfrau“ (während er zugleich mit seiner ersten Liebe, der gebildeten und praktischen Leda, liiert ist, von der er sich aber allmählich, äußerlich kaum wahrnehmbar, entfremdet). Die Katzenfrau — SIE tritt immer dienstags in seiner kunstgeschichtlichen Vorlesung in Erscheinung und scheint einem schwarzweißen Schreckens-Film von 1942 entstiegen, einem am Anfang des Romans wiedergegebenen einsamen nächtlichen Fernseherlebnis Aljoschas — wird von ferne durch Aljoscha angebetet (ähnlich Beatrice durch Dante, dem u.a. eine Reise nach Florenz gilt); bis auf S. 168 hat er SIE nie einmal anzusprechen gewagt, obwohl er sich schon ein Jahr lang nach ihrem Anblick dienstags verzehrt. Das alles treibt ihn an den Rand des Wahnsinns, was u.a. durch ein kakophones Wechselgespräch zwischen den Figuren des Tarotspiels nachgezeichnet wird, das sich anscheinend in seinem Kopf abspielt.

Der Text ist aber nicht ohne Spannung. Der Leser fragt sich, ob es endlich einmal zu einem Kontakt zwischen dem Protagonisten und IHR kommen wird (niemand erfährt bis auf S. 173 auch nur IHREN Namen, SIE wird stets nur mit einem Personalpronomen in Majuskeln apostrophiert).

Es gibt viel Bezugnahme auf dichterische, philosophische und psychologische Texte (manchmal könnte das Namedropping etwas reduziert werden; aber manches davon ist auch wieder sehr witzig), ferner werden immer wieder in fetten Majuskeln heutige Lyrics eingeworfen (die hört Aljoscha in seinem Walkman).

Jedenfalls keine konventionelle Erzählweise. — Eine interessante neue Stimme.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Keine konventionelle Erzählweise.
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Aljoscha der Idiot

Ein Gemälde aus Worten oder Eine Reise in die Mitte der Wirklichkeit

Rezension #3

29. Juni 2006

Ein Gemälde aus Worten oder Eine Reise in die Mitte der Wirklichkeit

Von Monika Cate

„Aljoscha der Idiot“ von Christian Erdmann möchte ich nach einmaligem Lesen nicht im Regal verschwinden lassen. Ich freue mich schon auf das zweite Mal. Die beschriebenen Ebenen und Verzweigungen des Seins und Werdens konnte ich beim ersten Lesen gedanklich und gefühlsmässig gut verfolgen und auf mein Tagesbewusstsein erweiternd einwirken lassen, doch möchte ich den vielen Verzweigungen mehr in der Tiefe gerecht werden, nein, sie beim zweiten Mal mehr auskosten.

Das Lesen schien mir eine Reise in die Mitte der Wirklichkeit zu sein, auch wenn es dem Leser vielleicht nicht bewusst ist. Das Licht, das der Autor auf seine ganz eigenen Formen scheint, entspricht in der „mechanischen“ Anwendung einem immer stattfindenden Prozess und drückt sich für jeden in anderen, individuellen Formen aus. Wie er das macht, ist wunderbar. Beim Lesen entstand meine eigene Parallelwelt und führte mich in meine eigene Vergangenheit, und von da in eine veränderte Gegenwart, ein Prozess, der von ihm auch so beschrieben ist.

Einmaliges Lesen reicht auch deshalb nicht, weil soviel angesprochen wird, das doch schnell wieder verblassen kann, auch weil die Entwicklung des zentralen Themas einfach zu sehr fasziniert. Ich liess den Lesezug schneller fahren und konnte so die Landschaft nicht genügend betrachten. Am Anfang markierte ich noch einzelne Aussichten, die mich besonders anregten. Auch das möchte ich beim erneuten Lesen vertiefen. Eigentlich stecken mindestens 3 Bücher in diesem einen, so dicht ist die Sprache.

Sehr schön und hilfreich für den Aufbau der verschiedenen Ebenen sind der Einsatz von englischen Songtexten, von fett Gedrucktem, kursiv Gesetztem, gross Geschriebenem. Referenzen zu Malern, Dichtern und Philosophen überzeugen mich nicht so sehr, setzen sie doch voraus, dass der Leser mit diesen vertraut ist, um der Erwähnung die ihr zustehende Bedeutung zu geben und damit diese besondere Qualität im Erzählfluss zu verankern. Doch möchte ich betonen, dass bei vorhandener Vertrautheit die Referenzen ihren Zweck erfüllen und jeweils noch eine weitere Bedeutungsebene in die Leinwand weben.

Besonders hervorheben möchte ich das Ende. Fast atemlos kam ich dort an und wurde zum Verweilen gezwungen zwischen zwei Schritten, und wie hab ich das Verweilen genossen! Es war ein magischer Augenblick. Das sich entwickelnde neue Selbstverständnis des Protagonisten sichtbar werden zu lassen in dieser Form, der Moment des Innehaltens vor dem unwiderruflichen Schritt, sich selbst in diesem Augenblick eher passiv dem Unvermeidlichen, wie auch immer es sich entfalten mag, hinzugeben, das hat Christian Erdmann wunderbar beschrieben. Alles Vorhergegangene weist auf diesen Moment hin und darüber hinaus und von dort auch wieder auf den Anfang.

Werden wir am Ende immer mehr mit unserem wahren Selbst verheiratet sein?

Das steht als Frage vor mir, am Ende einer Lesereise, die mir sehr viel bedeutet.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Rezension #3: Ein Gemälde aus Worten oder Eine Reise in die Mitte der Wirklichkeit.

Ein Gemälde aus Worten oder Eine Reise in die Mitte der Wirklichkeit @amazon

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Aljoscha der Idiot

Respekt!

Rezension #2

25. November 2005

Respekt!

Von Ein Kunde

Also erst mal vorne weg: großes Kompliment an Herrn Erdmann!

Wer die Deutsche Sprache liebt, wird auch dieses Buch lieben, wer das Außergewöhnliche liebt, erst recht. Und eins ist gewiß, ein Idiot ist der Autor bestimmt nicht.

Die Faszination dieses Buches liegt eindeutig in der Sprache, der Autor versteht es nach allen Regeln der Kunst, diese zu gebrauchen und immer wieder aufs neue auf das Herrlichste einzusetzen, Langeweile kommt garantiert nicht auf.

Die Handlung, durchaus alltäglich? tragisch? oder vielleicht sogar romantisch? Nein, wohl eher nicht, aber außergewöhnlich und faszinierend. Sicherlich kein Buch für Liebhaber der seichten Kost a la Pilcher, für Kenner der großen Namen und Klassiker jedoch ein Muß.

Großartiges Buch, großartiger Wissensstand des Autors, doch leider bislang sein einziges Werk.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Rezension #2: Respekt!

(Rezension auf amazon wurde später gelöscht)

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Aljoscha der Idiot

Love never dies

Rezension #1

13. Februar 2005

Love never dies

Von mary smith

Christian Erdmanns wunderschöner Roman erzählt die Geschichte des Philosophiestudenten Aljoscha Tuschkin, der das bittersüße Ende seiner Jugendliebe und den geheimnisvollen Anfang einer außergewöhnlichen, großen Liebe erlebt.

Der Autor schreibt in einem atemberaubenden, wunderbar altmodischen Sprachstil und führt den Leser mit unglaublicher Gewandtheit, erstaunlich weit gefaßtem Wissen und äußerst feinem Humor durch die tiefe, empfindungsreiche, philosophisch geprägte und doch postmoderne Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonisten.

Man kann und will sich den erzählerisch erzeugten Stimmungen, den beschriebenen Umgebungen und Personen und vor allem der Seele dieses „Idioten“ kaum entziehen.

Ich werde wohl nie mehr den Hörsaal einer Universität betreten ohne mich an „Aljoscha“ zu erinnern und ich werde nie wieder Kunstgeschichte-Studentinnen sehen können ohne in unkontrolliertes, wenngleich liebevolles Lachen auszubrechen.

Eine Hommage an die Liebe, die Philosophie, die Musik und die Kunst – daher unbedingt lesenswert für alle, die noch nicht aufgehört haben oder wieder anfangen wollen zu denken und zu fühlen.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Rezension #1: Love never dies.

Love never dies @amazon

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Aljoscha der Idiot

Historie

Vito von Eichborn schrieb am 3. Mai 2007 um 22:23 Uhr:


Bis vor kurzem habe ich geglaubt: verkannte Dichter gibt’s nicht mehr in unseren inhaltshungrigen Zeiten.

Bis ich bei BoD auf ein tolles Buch stieß. (Dies soll jetzt nicht als Werbung mißverstanden werden – und vorsichtig: es ist nicht leicht zu lesen.) Erdmann „Aljoscha der Idiot“ – das ist ganz große Literatur von einem so klugen wie bescheidenen Autor.

Und jeder normale Verlagslektor lehnt das ab mit dem fürchterlichen Argument: „Das ist richtig gut – und richtig unverkäuflich.“




(Vito von Eichborn, Verleger, @ literaturcafe.de – Die wichtigsten Tipps eines Verlagslektors / Comments)

Vito von Eichborn über "Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann: "Richtig gut und richtig unverkäuflich".

Buch des Monats    BoD News 02/2007 

Aljoscha ist Philosophiestudent und eigentlich mit der sanften Leda liiert. Doch eines Tages begegnet er im Hörsaal einer Frau, deren Gang allein ihn hypnotisiert, „weil er schon am Klang der Absätze gehört hatte, dass diese Schritte ihm galten“. Die stumme Liebe zu der unbekannten Schönen wird für Aljoscha zur wahren Obsession. Während äußerlich scheinbar nichts geschieht, verändert sich alles, es entspinnt sich ein komplexes Geflecht aus Realität und Fiktion und bestimmt Aljoschas Sein. Auch Leda bleibt das natürlich nicht verborgen, und doch gibt Aljoscha sich alle Mühe, sie zu lieben …

Christian Erdmann hat selbst Philosophie studiert und führt mit außergewöhnlicher Sprachkraft und atemberaubender Gewandtheit durch die tief empfundene Gedanken- und Gefühlswelt des Protagonisten. „Aljoscha der Idiot“ ist eine Geschichte über das eigentlich Unsagbare. Eine Geschichte voller Anspielungen und Rätsel, ein Mosaik des Fühlens und Träumens, jenseits von Vernunft und Verstand. Eine Geschichte, über die Vito von Eichborn sagt, sie sei „literarisch das Beste, was ich in den letzten Jahren gelesen habe“.

"Aljoscha der Idiot" von Christian Erdmann ist Buch des Monats bei Books on Demand.

Wo die Zukunft hingeht

„Literatur, zumal wenn sie anspruchsvoll ist, war ja immer in einer Nische. Und dass so etwas Literarisches wie ‚Aljoscha der Idiot‘ bei BoD lieferbar ist – das kommt im Februar in meiner Edition -, das zeigt, wo die Zukunft hingeht…“

Interview mit Vito von Eichborn, BoD AKTUELL 26

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Interview mit Vito von Eichborn in BoD AKTUELL.

Ein literarischer Diamant

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Ankündigung der Neu-Edition, Booklet für den Buchhandel, Text Vito von Eichborn.

„Aljoscha ist Student der Philosophie. Während er mit der liebevollen Leda liiert ist, werden stumme Verabredungen mit einer unbekannten Schönen zur Obsession. Die Wirklichkeit scheint voller verborgener Muster. Aljoscha versucht, die Zeichen zu entschlüsseln…“

Ankündigung der Neu-Edition

Booklet für den Buchhandel, Januar 2007

Text Vito von Eichborn (Herausgeber der Edition BoD)


Leipziger Buchmesse

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Präsentation des Romans auf der Leipziger Buchmesse.

Präsentation von „Aljoscha der Idiot“ auf der Leipziger Buchmesse, März 2005


Kurzvorstellung des Romans im Messe-Sonderteil von BoD AKTUELL 19
Frühling 2005

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Aljoscha der Idiot

Wovon handelt der Roman?

Davon, wie alles sich verändert, obwohl scheinbar nichts geschieht. 

Die Welt ist alles, was der Fall ist, sagte Wittgenstein. Die Welt ist nichts, was der Normalfall ist, davon handelt dieser Roman. Er beschreibt jenen quasi-pathologischen Zustand, den die Wissenschaft unter dem Fachbegriff „Begegnung mit einer Frau“ kennt.

Wer ist diese Frau? Was hat sie mit einem Horrorfilm aus dem Jahre 1942 zu tun? Was weiß sie über den Studenten Aljoscha? Und warum geschieht nichts, außer daß Aljoscha ihr wieder und wieder begegnet, als wären es geheime Verabredungen?

Warum scheint SIE alles über den Sinn dieser Begegnungen zu wissen und er nicht? Manipuliert SIE den Ablauf der linearen Zeit? Wie fühlt es sich an in der Realität hinter der Realität, wo die Welt gar nicht entzaubert ist? Ist die Wirklichkeit in Wirklichkeit voller verborgener Muster? Von welcher Art ist dieser Blick, der die Vernunft in 1000 Stücke schlägt?

Warum ist SIE anders, unvorstellbar anders?

Was haben der alte Matthäus, Gott, Immanuel Kant, Hilfssheriff Iggy Pop, der Herzausreißer Nick Cave, ein Saufaus namens Aristophanes, die unentzifferbare Wahrheit des Schauerlichen, Isis, Iris, Orpheus, ein dunkles Geschlecht, Maria Magdalena, Caravaggios Messer, Dantes Begegnung mit Beatrice, die Dritte Sinfonie von Gustav Mahler, die Gedichte von Majakowski, ein säbelrasselnder Hauptmann, ein Satz von Rilke, der Wäscheberg von André Breton, die Metamorphosen des Ovid und die des Apuleius, Professor Pfropfnapf und seine aufregende Assistentin Marie-France, Rembrandt, Dürer und Poussin, die Zahl 7, der Fels, von dem es hieß, er würde niemals bröckeln, eine Blüte vom Grab der Kameliendame, ein Vers des Dichters Percy Shelley, die Marionette Petruschka, der Scheitel des Rowland S. Howard, sieben Köpfe aus Ton, Schillers Schreibtisch-Schublade, ein Opfermädchen aus „Le Sacre du Printemps“, Vaslav Nijinsky, menetekelnde Gelehrte und merkwürdige Kommilitonen in dieser Geschichte zu suchen? 

Ist Liebe die höchste Form der Magie? Warum sieht Leda im Traum, daß Aljoscha sie verläßt? Gibt es Katzenmenschen? Warum ist Aljoscha ein Idiot? Und was sagt eigentlich Aljoschas Freund Pjotr zu alldem? 

Fragen, auf die der Roman eine Antwort gibt. Manchmal auch mehrere Antworten.

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Wovon handelt der Roman?

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Aljoscha der Idiot

Stimmen zum Buch

„Ein Roman über einen Mann zwischen zwei Frauen, über die Liebe in all ihren Facetten, in Traum und Wirklichkeit… ein sensibel und gefühlvoll erzählter, ungewöhnlicher Roman… Die Handlung wird aus der Perspektive eines personalen Erzählers vermittelt, der dem Leser Einblicke in die subjektiven Eindrücke, Erlebnisse, Gefühle und Träume des Protagonisten gewährt. Traum- und Gedankenwelt Aljoschas und die Realität wechseln sich ab, stehen nebeneinander und verschwimmen zum Teil. Daraus bezieht der Roman seinen besonderen Reiz. Der Autor bedient sich einer dichten, komplexen Sprache, mit der er seine Charaktere mit viel Gespür für psychologische Vorgänge sensibel und glaubhaft entwirft.“ 

(Verlagslektor I)





„Mich hat Ihr Text sehr beeindruckt; er ist sehr wortmächtig. Etwas manieriert erschienen mir die in den Text implantierten Früchte Ihres Philosophie-Studiums, die englischen Fragmente, die exotische Namenswahl und vielerlei Einzelausdrücke und Wendungen. Und auch die Einbettung der traumartigen Passagen hat mich nicht ganz überzeugt. Aber das ist nur meine persönliche Meinung, und fassen Sie diese Kritik vor allem als artikuliertes Interesse an Ihrer Schriftstellerei auf.“ 

(Verlagslektor II)





„Es ist positiv zu bewerten, dass Sie mit Ihrem Roman literarisch hohe Ansprüche verfolgen. Doch unserer Erfahrung nach lassen sich derart ambitionierte belletristische Debüts kaum noch auf dem Markt durchsetzen. Für uns ist dieser Versuch mit einem zu hohen Risiko verbunden.“ 

(Verlagslektor III)





„Die Frau von Stein findet meine Methode besser als die deinige.“ 

(Jakob Michael Reinhold Lenz an Johann Wolfgang von Goethe; Briefe von und an J. M. R. Lenz, Bd. II, Leipzig 1918, 31) 





„Indessen, trotz alledem, und obwohl man dieses und jenes und auch noch ein Drittes zugeben kann, und vielleicht sogar… Ja, wo gibt es denn keine Unsinnigkeiten? Was man gegen diese Geschichte auch einwenden mag – irgend etwas ist an ihr dran. Redet, was ihr wollt: solche Dinge kommen vor. Zwar selten. Aber sie kommen vor.“ 

(Nikolaj Gogol, Meistererzählungen, Zürich 1988, 446)





„… es handelt sich um Ereignisse, die ihrer Art nach bloß festgestellt werden können, aber sie haben jedesmal ganz das Aussehen eines Signals, ohne daß man genau sagen könnte, was für ein Signal es ist, sie lösen in voller Einsamkeit das Bewußtsein unwahrscheinlicher Mitwirkung aus…“ 

(André Breton, Nadja, Pfullingen 1960, 15)





„Das Rätsel ist folgendes: wie kann man ein Geheimnis haben, ohne es zu wissen? Die rätselhafte Lösung ist folgende: nur der andere weiß es, nur Gott weiß es, nur das Schicksal weiß es, das Geheimnis ist das, was euch ohne euer Wissen umgibt.“ 

(Jean Baudrillard, Die fatalen Strategien, München 1991, 165)





„Der Roman handelt vom Leben – stellt Leben dar. Oft enthält er Begebenheiten einer Maskerade – eine maskierte Begebenheit unter maskierten Personen. Man hebe die Masken – es sind bekannte Begebenheiten – bekannte Personen.“ 

(Novalis, Briefe und Werke III, Berlin 1943, 130)





„Und von den verschiedenen Lesarten, die eine Geschichte zuweilen hat, ziehe ich für meinen Gebrauch die ungewöhnlichste und merkwürdigste vor.“ 

(Michel de Montaigne, Essais, Zürich 1996, 153)





„Das Schicksal liebt es, Muster und Figuren zu erfinden. Seine Schwierigkeit beruht im Komplizierten.“ 

(Rainer Maria Rilke, Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge, Leipzig 1938, 241)





„Von mir aus will ich noch bemerken, daß fast jede Wirklichkeit, wenn sie auch ihre unwiderleglichen Gesetze hat, unwahrscheinlich und unglaublich erscheint. Und je wirklicher sie ist, desto unwahrscheinlicher sieht sie mitunter aus.“ 

(Fjodor Dostojewskij, Der Idiot, München 1979, 495)





„So gesehen gibt es überall Verbindungen und Verführung: nichts ist isoliert, nichts geschieht zufällig – der Zusammenhang ist absolut. Das Problem bestünde eher darin, diesen totalen Zusammenhang der Ereignisse an bestimmten Punkten zu bremsen oder anzuhalten: den Taumel der Verführung und der Verkettung der Formen untereinander anhalten, das heißt diese magische Ordnung (andere werden sagen, diese magische Unordnung), die wir in Form von kettenartigen Sequenzen und (glücklichen oder unglücklichen) Koinzidenzen, in der Form des Schicksals und der unvermeidbaren Vereinigung, bei der sich die Ereignisse wie durch ein Wunder zusammenfügen, plötzlich wieder auftauchen sehen (…)“ 

(Jean Baudrillard, Die fatalen Strategien, München 1991, 184 ff.)





„Alle Leidenschaft ist eine Bezauberung. Ein reizendes Mädchen eine reellere Zauberin, als man glaubt.“

(Novalis, Briefe und Werke III, Berlin 1943, 179)





„Die Leidenschaft setzt alles zu sich selbst in Bezug.“ 

(Charles Baudelaire, Mein entblößtes Herz, Frankfurt am Main 1986, 16)





„Jetzt gehört es nicht nur zu meinen Gewohnheiten, sondern auch zu meinem Geschmacke – einem boshaften Geschmacke vielleicht? -, nichts mehr zu schreiben, womit nicht jede Art Mensch, die ‚Eile hat‘, zur Verzweiflung gebracht wird.“ 

(Friedrich Nietzsche, Morgenröte, Stuttgart 1991, 9)





„Als sein erstes Buch – Betrachtung – bei Wolff erschienen war, sagte er mir: ‚Elf Bücher wurden bei André abgesetzt. Zehn habe ich selbst gekauft. Ich möchte nur wissen, wer das elfte hat.‘ Dabei lächelte er vergnügt.“ 

(Max Brod, Über Franz Kafka, Frankfurt am Main 1974, 368)





„Mein Gott“, seufzte Des Esseintes, „wie wenig Bücher es doch gibt, die man zum zweitenmal lesen kann!“ 

(Joris Karl Huysmans, Gegen den Strich, Zürich 1981, 330)





„Wer zwei Paar Hosen hat, mache eins zu Geld und schaffe sich dieses Buch an.“ 

(Georg Christoph Lichtenberg, Pfennigs-Wahrheiten, München 1992, 39)





„Es gibt immateriellen Schrott und es gibt aurum sine materia. Wer nicht weiß, was das ist, der sollte dieses Buch erwerben und es lesen.“ 

(Bernhard H. F. Taureck, Professor der Philosophie, Universität Braunschweig) 





„Ich würde gerne meinen gesamten Vorrat an Vitaminkeksen hergeben, um rauszukriegen, was drinsteht!“

(Léo Malet, Das fünfte Verfahren, Reinbek bei Hamburg 1997, 135)

Christian Erdmann, Aljoscha der Idiot, Stimmen zum Buch (1).
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Aljoscha der Idiot

Cover 1

Christian Erdmann, "Aljoscha der Idiot", Cover der Originalausgabe mit Holzschnitt von Frans Masereel.

Cover der Erstausgabe von „Aljoscha der Idiot“, 
erschienen im Januar 2005

Holzschnitt von Frans Masereel (aus „Mein Stundenbuch“)

Reproduktionsgenehmigung der VG Bild-Kunst nach Zustimmung durch den Masereel-Nachlaß am 17.11.2003