In einem Karpatenbad begegnet Severin von Kusiemski, ein galizischer Edelmann, zwei Frauen. Die eine ist aus Stein: eine Statue der Venus im Park des Hauses, das Severin bewohnt. Die andere, Wanda von Dunajew, ist eine junge, reiche Witwe aus Lwow und wohnt im selben Haus wie er – eine Etage über ihm. Severin betet die kalte Marmor-Venus an als „das schönste Weib, das ich in meinem Leben gesehen habe“ (Sacher-Masoch 1968, 16). Schon als Knabe, so wird Severin Wanda gestehen, sei er heimlich in die Bibliothek seines Vaters geschlichen, um eine Venus aus Gips zu küssen und ihren schönen kalten Leib wollüstig zu umschlingen, während er sich gegen den Kuss eines reizenden Stubenmädchens mit einem Tacitus-Buch zu wehren suchte; Severin nennt diese Disposition übersinnlich. „Die Urbilder alles Schönen senkten sich tief in meine Seele […]“ (38). Severin ist ein hypertroph apollinischer Anbeter weiblicher Schönheit. Seine „Scheu vor dem Weibe“, bekennt er, „war eben nichts, als ein auf das Höchste getriebener Schönheitssinn“ (39). Camille Paglia hat hier die Richtung umgekehrt: der aufs Höchste getriebene Schönheitskult ist eben auch Scheu, Beglaubigung weiblicher Macht. Severin hegt das fiebrige Verlangen, eine Frau anzubeten, und dieses Verlangen vermutet er gesteigert durch die Grausamkeit und Tyrannei der Angebeteten: je despotischer die Frau, so stellt Severin sich vor, um so intensiver seine Anbetung.
Die Begegnung mit Wanda läßt Severin den Kuss des Wirklichen ersehnen – in Gestalt von Peitschenhieben. Auf die Rückseite eines Bildes von Tizians Venus mit dem Spiegel, die Severin in Venus im Pelz umtauft, schreibt er seine Vision von der qualvollen Seligkeit, „ein Weib anzubeten, das uns zu seinem Spielzeug macht, der Sklave einer schönen Tyrannin zu sein, die uns unbarmherzig mit Füßen tritt“ (17). Als die schöne Witwe – sie hat (tizian)rotes Haar – bei Severin um zerstreuende Lektüre ersuchen läßt, rafft er einige Bände zusammen; in einem davon befindet sich – Psychopathologie des Alltagslebens – das Bild, „samt meinen Ergüssen. Was wird sie dazu sagen? – Ich höre sie lachen. Lacht sie über mich?“ (18).
Als Severin sich in einer Vollmondnacht zur vergötterten Venusstatue begibt, findet er sie in einen Pelz drapiert; dann begegnet er „Venus“ auf einer steinernen Bank und kann, als ein diabolischer Blick aus grünen Augen ihn trifft, nicht mehr zwischen Kunstwerk und Wanda von Dunajew unterscheiden. Verwirrt ergreift er die Flucht, ein spöttisches Lachen verfolgt ihn. Am nächsten Morgen gesteht Wanda ihren Einfall als Vorwand: „Ich habe immer den Wunsch gehabt, einmal einen ordentlichen Phantasten kennenzulernen – der Abwechslung wegen […]“ (21). Wanda also initiiert die Begegnung, und sie ist, allen späteren gegenteiligen Äußerungen zum Trotz, von Anfang an geneigt, ihr Spiel mit Severin zu spielen.
Was folgt, wirkt vordergründig wie die Erziehung Wandas zur strengen, mit Peitsche, Pelz und Stiefeln ausstaffierten Herrin, die Severin die Erfüllung seiner Sehnsüchte gewährt, die detailgetreue Umsetzung seines Idealbildes in die Realität. Was Severin jedoch erleben wird, ist der Verlust der Kontrolle über die Dialektik von Lust und Pein: als Wanda die ihr zugedachte Funktion nicht nur buchstäblich annimmt, sondern Severins Phantasien übertrifft, zersetzt sie die Bildhaftigkeit des Bildes und vernichtet die Konstellation, die Kontrolle ermöglicht. Severin wünscht eine Frau als das totale Subjekt zu verobjektivieren; statt dessen wird Wanda seine Verobjektivierungsversuche immer wieder übersteigen, sie wird das totale Subjekt selbst, eine Femme fatale, die ihre Objekte nach Belieben austauscht.
Wanda äußert zunächst, sich nicht grausam der Qualen erfreuen zu wollen, die sie mit ihren Reizen erregt, vielmehr lebe sie ein heidnisches Ideal der Ungezwungenheit und Promiskuität: „… ich liebe jeden, der mir gefällt, und mache jeden glücklich, der mich liebt“ (24); sie setzt das Lustprinzip als Realitätsprinzip: „Ich verzichte auf euren heuchlerischen Respekt, ich ziehe es vor, glücklich zu sein.“ (24). Severin glaubt, diese Grundsätze einer Frau, die als „Griechin“ (25) leben will, als griechische Liebesgöttin, mit seinem Ideal eines göttlichen Weibes vereinbaren zu können. Er gibt zu bedenken, daß die Griechen ihr freies, ungezwungenes Leben nur führen konnten, weil sie über Sklaven verfügten. Wanda erwidert, eine olympische Göttin wie sie brauche „ein ganzes Heer von Sklaven. Hüten Sie sich also vor mir.“ (26). Und doch ist es Wanda, die fragt: „Wollen Sie mein Sklave sein?“ und anfügt: „[…] ich habe Talent zur Despotin“ (26). Severin ist in jeder Hinsicht von Anfang an gewarnt. Er will eine Despotin, die nur für ihn despotisch ist, doch Wandas „heidnische“ Gestimmtheit bedeutet Severin nahezu mit dem ersten Satz, daß hier ein Experiment nach ihren Regeln stattfindet.
Severin glaubt, in einem delikaten Prozeß eine Frau von ihrer Rolle als grausamer Göttin überzeugen zu müssen, aber an jedem Punkt des Prozesses ist die Frau schon da: „Nun, am Ende ist an allen Ihren Passionen nichts so Apartes oder Seltsames, denn […] jeder weiß und fühlt, wie nahe Wollust und Grausamkeit verwandt sind.“ (36) – Wanda von Dunajews Worte. Sie zögert, ihre Position als Herrin einzunehmen, jedoch nicht, weil ihr diese Persona fremd wäre; wiederholt gibt sie ihr Wissen um sich selbst zu erkennen: „… geben Sie acht, wenn Sie Ihr Ideal finden, kann es leicht geschehen, daß es Sie grausamer behandelt als Ihnen lieb ist“ (45); „[…] sprechen Sie nicht mehr von diesen Dingen. Verstehen Sie mich, nie mehr. Ich könnte am Ende wirklich – ‚ Sie lächelte […]“ (47). Warum also zögert sie?
Severin erklärt, er liebe Wanda mit ganzer Seele, doch er trage ein zweifaches Ideal in sich; und wenn er mit einer Frau nicht Leben und Schicksal teilen könne in unbedingter, ausschließlicher, gegenseitiger Liebe, „nun dann nur nichts Halbes oder Laues! Dann will ich lieber einem Weibe ohne Tugend, ohne Treue, ohne Erbarmen hingegeben sein. Ein solches Weib in seiner selbstsüchtigen Größe ist auch ein Ideal. Kann ich nicht das Glück der Liebe voll und ganz genießen, dann will ich ihre Schmerzen, ihre Qualen auskosten bis zur Neige; dann will ich von dem Weibe, das ich liebe, mißhandelt, verraten werden, und je grausamer, um so besser.“ (35)
Er will, daß Wanda eines seiner zwei Ideale wählt, und Wanda ahnt voraus, daß sie den Mann, der sie so wahnsinnig zu lieben behauptet, zutiefst erschüttern wird, wenn sie das zweite Ideal wählt, das Ideal der Despotin. Sie weiß sehr gut, wozu sie fähig ist („grausamer als Ihnen lieb ist“), indes fühlt sie auch Liebe für diesen Phantasten. Die Konstellation ist fatal, wenn Liebe und Masochismus bzw. Liebe und Despotismus sich nicht komplettieren, sondern gegenseitig in die Quere kommen: lebt Severin seinen Masochismus, wird seine Liebe leiden, und Wanda weiß es. Lebt sie ihren Despotismus, wird ihre Liebe leiden, auch dies weiß Wanda.
Tatsächlich sagt Wanda: „Die meisten Männer sind so gewöhnlich, ohne Schwung, ohne Poesie; in Ihnen ist eine gewisse Tiefe und Begeisterung, vor allem ein Ernst, der mir wohltut. Ich könnte Sie liebgewinnen.“ (28) Und etwas später: „Ich glaube, daß Sie mich lieb haben und auch ich habe Sie lieb, und was noch besser ist, wir interessieren uns füreinander (…)“ (30), womit sie einen sehr modernen Grund für das Scheitern von Partnerschaften anspricht: Menschen, die sich nicht wirklich füreinander interessieren. „Aber, Severin“, entgegnet sie ihm dann einmal zornig, „halten Sie mich denn dessen für fähig, einen Mann, der mich so liebt wie Sie, den ich liebe, zu mißhandeln?“ (36)
Und je mehr Severin zum Ausdruck bringt, daß er sie dafür nur um so mehr anbeten würde, um so reizvoller wird für sie die Vorstellung, seine Herrin zu sein. Sie weiß besser als er, daß sie damit keineswegs nur als Aktrice aufreten würde, die einen exakt vorgegebenen Part spielt. Severin erzählt Wanda, daß er einmal einer jungen Schauspielerin den Hof machte, aber eigentlich nur in ihre Rollen verliebt war. Wanda wird Severin davon in Kenntnis setzen, daß sie keine Schauspielerin ist. Während Severin glaubt, Wanda weiterzutreiben, treibt in Wirklichkeit Wanda Severin weiter. Deleuze behauptet als Gesetz: „Der Masochist muß sich seine Despotin heranbilden, er muß sie überreden […]“ (181); in Wahrheit sei sie es, die von ihm geformt und in eine Rolle gedrängt werde. Deleuze verkennt aber, warum Wanda zögert. Sie zögert, weil sie weiß, daß ihr Wille zur Dominanz und Severins Wunsch nach Unterwerfung derart stark sind, daß es die Liebe exorzieren wird, daß diese Konstellation für sie beide eine so mächtige Anziehungskraft besitzt, daß es jenen Zustand, in dem Wanda noch erklärt, „daß ich nicht das Herz habe, dir weh zu tun“ (50), beenden wird. Nicht Severin bringt Wanda dazu, ein von ihm fingiertes Selbst anzunehmen; Wanda bringt im Wissen um das, was in ihr ist, Severin dazu, sich immer bedingungsloser ihren Launen auszuliefern. Sie findet Genuß daran, ihn immer grausamer auf die Probe zu stellen, seine Neigungen ihren Vorstellungen anzugleichen. Und tatsächlich ist Severin, von seinem „monogamen“ Dominanzideal abrückend, gewillt, in sein Szenario das Bild einer Herrscherin einzufügen, die sich notwendig einer Vielzahl von Liebhabern bedient:
„[…] ich sah im Weibe die Personifikation der Natur, die Isis, und in dem Manne ihren Priester, ihren Sklaven und sah sie ihm gegenüber grausam wie die Natur, welche, was ihr gedient hat, von sich stößt, sobald sie seiner nicht mehr bedarf, während ihm noch ihre Mißhandlungen, ja der Tod durch sie zur wollüstigen Seligkeit werden […] Der Sklave eines Weibes, eines schönen Weibes zu sein, das ich liebe, das ich anbete! […] das mich bindet und peitscht, das mir Fußtritte gibt, während es einem andern gehört.“ (43 ff.)
Hier wird die ungeheure geistige Dimension des Masochismus offenbar; die Lust an physischem Schmerz spielt bei Sacher-Masoch eine durchaus nebensächliche Rolle. Severin liebt Wanda, erstens. Er sieht in ihr die Inkarnation weiblicher Macht, Überlegenheit und Grausamkeit, zweitens. Sein Wille zur Vermischung von Lust und Pein spielt auch mit der Vorstellung, daß sich die Geliebte einem oder mehreren anderen hingibt, weil es ihr Wille ist, auf diese Art grausam zu sein.
Für Freud war „weiblicher“ Masochismus eine Typenbezeichnung, männlicher Masochismus ein zu lösendes Rätsel. In der Venus im Pelz ist männlicher Masochismus die Lust an der Anbetung der überlegenen Frau. Doch legt Severins Geschichte nahe, daß diese Lust als Inszenierung einer Vorstellung genau dann in Schrecken umschlägt, wenn die Inszenierung durch eine ungeahnte Realität überholt wird. Während Wanda Severin davor warnt, daß die Realität ihn entsetzen würde, wäre sie wirklich die Frau, die seiner Phantasie Wahrheit verleiht, drängt Severin sie, seine Phantasien zu erfüllen, ja zu übertreffen, weil er bis zum Ende daran glaubt, daß er selbst dieses Übertreffen noch in seine Inszenierung einfügen kann. Während Wanda ihn ungeduldig, schon mit der Peitsche in der Hand, warnt: „Ich hasse alles, was Komödie ist“ (50), während sie deutlich macht, daß Severin nur „gefährliche Elemente in meiner Natur“ (51) weckt, und im nächsten Augenblick zur grausamen Frau wird, die Vergnügen darin findet, ihren Sklaven zu peitschen, und eine „teuflische Neugier“ verspürt, „zu sehen, wie weit deine Kraft reicht“ (51), lebt Severin noch in der apollinischen Vorstellung, wenn er sagt: „In der Tat liegt in der Treulosigkeit eines geliebten Weibes ein schmerzhafter Reiz, die höchste Wollust.“ (58).
Severin will es ertragen, daß Wanda sich einem anderen hingibt, wenn er sie nur nicht verliert – also den Reiz ihrer Grausamkeit auskosten kann. Als er ruft: „Dein Sklave sein! Dein willenloses, unbeschränktes Eigentum, mit dem du nach Belieben schalten kannst, und das dir daher nie zur Last werden kann. Ich möchte, während du das Leben in vollen Zügen schlürfst, in üppigem Luxus gebettet das heitere Glück, die Liebe des Olymps genießest, dir dienen (…)“ (59), stimmt Wanda ihm zu: „(…) nur als mein Sklave könntest du es ertragen, daß ich andere liebe (…)“ (59); als sie aber hinzufügt: „Ich will Sklaven haben, hörst du, Severin?“ (59), entgegnet er: „Bin ich nicht dein Sklave?“ (59). Die Antwort zeigt, daß er den Unterschied zwischen Singular und Plural nicht wirklich verinnerlicht hat, daß er nach wie vor Phantasien verbalisiert, von denen er glaubt, daß er auch in der Realität mit ihnen umgehen könne; tatsächlich hat er den apollinischen Arm ausgestreckt und verschließt die Augen vor der Realität, in der Wanda beinahe nebenher Sätze sagt wie: „Jede Frau hat den Instinkt, die Neigung, aus ihren Reizen Nutzen zu ziehen, und es hat viel für sich, sich ohne Liebe (…) hinzugeben, man bleibt hübsch kaltblütig dabei und kann seinen Vorteil wahrnehmen“ (56), und weniger nebenher: „… merk‘ dir überhaupt, was ich dir jetzt sage: fühle dich nie sicher bei dem Weibe, das du liebst, denn die Natur des Weibes birgt mehr Gefahren als du glaubst.“ (56). Die Femme fatale spielt mit dem männlich-apollinischen Versuch, die Femme fatale als Faszinosum genießen zu können.
Daß Severin, um Wanda nicht zu verlieren, aus ihrer Promiskuität Lust zu ziehen gewillt ist, genießt Wanda ihrerseits; die Vorstellung von einer zügellos ihre Wollust mit anderen auslebenden Geliebten, die Vorstellung von Wandas Genuß daran läßt Severin ausrufen: „Welch ein Gedanke! (…) ich empfinde eine Art Grauen vor dir.“ (58). Aber dieser Horror Severins ist lustbetont, solange er einem imaginierten Szenario gilt, dem Bild einer Frau, die er um so mehr anbetet, je mehr sie ihn leiden läßt.
Doch der Zeitpunkt ist gekommen, da es Wanda mit ernster Wehmut erfüllt, wenn das Szenario „eine goldene Phantasie, welche nie wahr werden kann“ (59 ff.) bleiben soll, und Severin wird bewußt, mit welchem – scheinbaren – Widerwillen sie noch vor kurzem seine Phantasien aufzunehmen schien und mit welchem Ernst sie jetzt die Ausführung derselben betreibt. Wanda entwirft den Vertrag, der Severin zu ihrem Sklaven macht, mit dem Status eines leblosen Dings, eines Spielzeugs, das sie „zerbrechen kann, sobald es mir eine Stunde Zeitvertreib verspricht. Du bist nichts und ich bin alles. Verstehst du?“ (61). Sie selbst verspricht, ihm stets im Pelz zu erscheinen – aber nicht, weil es seiner Lust dient, sondern „weil er mir das Gefühl einer Despotin gibt“ (62). Die Femme fatale nimmt dem Fetischisten also auch die Kontrolle über die fetischistische Struktur aus der Hand. Sie trägt die Insignien ihrer Macht – Peitsche, Stiefel, Pelz – nicht für ihn, sie übernimmt sie vielmehr als die ihren. Auch hier bricht die Verobjektivierungsstruktur zusammen. Wanda weiß, daß die „Macht meiner Schönheit“ (62) ihr einen Sklaven verschafft. Also nutzt sie die Objekte seines masochistischen Fetischismus, um ihre Macht zu vergrößern. Sie tut nicht Severin einen Gefallen, sondern sich selbst. Als Wanda sich die Schönheit von Severins Märtyrerblick vorstellt, „wenn du totgepeitscht würdest“, sinniert er: „Manchmal wird mir doch etwas unheimlich, mich so ganz, so bedingungslos in die Hand eines Weibes zu geben. Wenn sie meine Leidenschaft, ihre Macht mißbraucht? Nun dann erlebe ich, was seit Kindesbeinen meine Phantasie beschäftigte, mich stets mit süßem Grauen erfüllte. Törichte Besorgnis! Es ist ein mutwilliges Spiel, das sie mit mir treibt, mehr nicht. Sie liebt mich ja, und sie ist so gut, eine noble Natur, jeder Treulosigkeit unfähig (…)“ (63).
Severin glaubt also an das Spiel, die Inszenierung, und er glaubt, daß das süße Grauen auch bei Wandas Machtmißbrauch noch anhielte; das heißt, daß er Wandas Machtmißbrauch in die Inszenierung hinein zu prolongieren bestrebt ist. Der Reiz liegt für ihn aber nicht im Machtmißbrauch selbst, sondern in der Möglichkeit des Machtmißbrauchs, im: „sie kann, wenn sie will“ (ebd.); trotzdem hält Severin Wanda dessen letztlich für unfähig. Schon der erste begehrende Blick aber, den Wanda auf der Promenade einem russischen Fürsten zuteil werden läßt, stürzt Severin in Erschrecken: „Liebst du mich denn nicht mehr – “ (64). Als Wanda erklärt, nur Severin zu lieben, sich aber von dem Fürsten den Hof machen lassen zu wollen, ist Severin bereits von diesen Worten zermalmt. Sie beauftragt ihn, Informationen über den Fürsten einzuholen, und Severin hält Wanda vor, sie nehme seine Phantasie zu ernst. Wanda kann ihn zurecht der Feigheit und des Wortbruchs bezichtigen: „Du bist frei. Ich halte dich nicht.“ (67).
Mit diesen Worten, sie weiß es, zurrt sie die Fesseln um ihren Sklaven nur fester. Sobald sie ihm mit der Freiheit droht, ist er gewillt, alles zu erdulden. Sie führt ihm vor, wie gerade sein Befreiungsversuch ihn zum Sklaven macht; wie schon die apollinische Strategie selbst Anerkennung der Macht ist, von der sie Distanz erstrebt. Und sobald die Frau die ihr eigene Macht bewußt übernimmt, ist die Anbetung aus der Ferne nicht mehr möglich: die Frau fordert entweder, daß die ihr zugeschriebene Macht silbengetreu umgesetzt wird, oder sie interessiert sich nicht länger für den, der ihr die Macht zuschreibt.
Severins Identität ist im Untergang begriffen. Bebend vor Wut, doch auch vor Genuß und prickelnder Aufregung muß er zur Kenntnis nehmen, daß er nicht mehr Severin ist: Wanda beschließt, ihren Diener, denn als solcher wird er auf ihrer Reise nach Italien nur noch in Erscheinung treten dürfen, Gregor zu nennen, und sie untersagt ihm jedwede Vertraulichkeit, mit dem Befehl, sie von nun an Herrin zu nennen. Sie reist in einem Coupé erster Klasse, Gregor erhält ein Billett dritter Klasse und den Auftrag, bei jedem Halt zu Wandas Abteil zu eilen, um nach ihren Wünschen zu fragen; seine Herrin läßt sich von einer Reihe von Kavalieren den Hof machen. In Wien zwingt sie ihn, seine Kleidung gegen eine Livree zu tauschen, und er hat das Gefühl, seine Seele dem Teufel verschrieben zu haben. Nachts liegt er auf hölzernen Ruhelagern oder in ungeheizten Zimmern wie auf der Folter; sobald Wanda nur ein einziges Zeichen von Vertrautheit in die Abfolge von Demütigungen einwebt, gesteht er ihr jedoch, wie seine Verehrung immer fanatischer wird, je mehr sie ihn mißhandelt.
Wanda mietet in Florenz eine Villa, die „einem so seltsamen, phantastischen Verhältnisse, wie es das unsere ist“ (83), einen entsprechenden Rahmen gibt; sie bringt Severin jetzt durch eine Zofe den Befehl, vor seiner Herrin zu erscheinen. Überwältigt von ihrer Schönheit unterzeichnet er den Vertrag, mit dem er endgültig darauf verzichtet, der Geliebte der Wanda von Dunajew zu sein. Und als die Tinte trocken ist, läßt Wanda ihn, der nun endgültig nurmehr ihr Sklave ist, von drei Dienerinnen an eine Säule binden für eine erste ernste Demonstration ihrer Macht; sie peitscht ihn bis aufs Blut, während sie erklärt, daß er sie jetzt kennen lernen werde. Und zieht sich danach für einen Monat von ihm zurück, „damit ich dir fremd werde“ (91).
Als er Wanda wieder zu Gesicht bekommt, schickt sie ihn aus, um einen florentinischen Adligen, den Fürstin Corsini, zum Dejeuner mit seiner Herrin zu laden, und Severin muß erleben, wie seine geliebte Herrin mit dem potentiellen Geliebten über die Ungeschicklichkeit des Dieners lacht. Sie richtet ihren Sklaven mit immer kürzeren Befehlen und immer häufigeren Peitschenhieben ab, doch das Schlimmste für Severin sind die Phasen, in denen sie „keinen Blick, keine Silbe für mich, nicht einmal – eine Ohrfeige“ (96) hat. Blick, Wort, Ohrfeige oder Peitschenhieb sind nahezu gleichwertig, sofern vom angebeteten Wesen gewährt.
Die Zufügung verwandelt das Objekt der masochistischen Phantasie zwar spürbar in ein Subjekt, doch versucht das masochistische Szenario gleichzeitig, und immer noch, das zufügende Subjekt im Objektstatus zu halten: dadurch nämlich, daß es dem eigenen Entwurf entspricht. Beim Horrorfilm ist die Struktur ähnlich: das Geschehen des Horrorfilms ist gleichsam das Subjekt, dem sich der Zuschauer als Objekt aussetzt, gleichwohl wird der Horrorfilm dabei aus ästhetischer Distanz, aus der apollinischen Sicherung heraus wahrgenommen.
Der Angriff auf die apollinische Sicherung geschieht in der Venus im Pelz dadurch, daß einem männlichen masochistischen Subjekt, das seine Lust, sich einem weiblichen Subjekt als Objekt auszuliefern, eigentlich nur dann als Lust erfährt, wenn es diesen Prozeß der Auslieferung wiederum subjektiv kontrollieren kann, die Kontrolle über eben diesen Prozeß sukzessive entzogen wird. Das Bemerkenswerte dabei ist das Maß an Kontrollentzug, das Severin noch in Lust umzusetzen weiß. Das heißt: der masochistisch gewollte Entwurf (einer Herrin) wird zum tatsächlichen Subjekt der Macht, die Frau übernimmt die ihr zugeschriebene Macht rückhaltlos, übersteigt das Gewollte und zwingt so das masochistische Subjekt, den lustgewährenden Entwurf immer weiter auszudehnen.
Severin malt sein Bild von der grausamen Frau immer neu, zugleich ist Severin immer wieder, immer stärker und am Ende ohne jede Gnade gezwungen, die Zufügung durch das Machtsubjekt zu erleiden: immer weitere Ausdehnung der Ästhetisierung (das Bild der grausamen Frau, deren Grausamkeit seinen Entwurf stets übersteigt), immer heftigere Zufügung des realen Machtsubjekts.
Jenseits der apollinischen Sicherung Lust zu finden darin, ein Objekt zu sein, das Zufügung erleidet, heißt, Lust am Übergriff zu entwickeln. Die Lust am Übergriff auf das Selbst könnte wiederum zweierlei bedeuten: ein Verlangen nach Bestätigung des Selbst im Erleiden, in dem die Identitätsgrenze fühlbar wird, oder ein Verlangen nach Hinzufügung, nach Öffnung des Eigenen für Fremdes, in dem die Identitätsgrenze gerade ihrer Bedeutung entkleidet wird.
Severin versteht, daß Wanda ihn so weit erniedrigt hat, daß sie es nicht einmal der Mühe wert findet, ihn zu quälen. Als er eines Nachts vor ihrem Bett schlafen darf, raubt ihm der Anblick ihrer Schönheit nahezu den Verstand: „Aber sie bedurfte meiner nicht.“ (96). Die Annäherung, die Wanda inszeniert als zärtliche Geliebte, schlägt um in eine eiskalte Demonstration, nach der Severin vermuten muß, daß nicht mehr die grausame Frau, sondern die zärtliche Geliebte das Bild ist, die Rolle, die Wanda spielt.
Einmal, da er seine Herrin, als ihr Badediener, unverhüllt sieht, ohne die fetischistisch aufgeladenen Insignien, wirkt ihre Schönheit für Severin weniger grausam, Wanda in ihrer Nacktheit „so heilig, so keusch“ (107). Der Fetisch ist ein Ding, das aufgeladen ist mit übernatürlicher Kraft, mit einer Macht, die ein Ding im Weltbild der aufgeklärten Ratio nicht haben sollte. Der Fetisch ist die Fusion von Materie und Eros, die Fusion von psychischer Energie mit einem Objekt. Fetischismus ist magisches Denken, magischer Zusammenhang. Erotischer Fetischismus beantwortet die alte Truffaut’sche Frage „Haben Frauen was Magisches?“ mit „Ja, und außerdem haben sie was Magisches an.“
Der Fetisch entsteht durch und wirkt auf eine Komponente des Seelischen, die nach Hingabe und Unterwerfung strebt; auf ein Verlangen, sich unwiderstehlich faszinieren zu lassen. So ist der Fetisch prädestiniert zur Liaison mit dem Erotischen. Die Macht des erotischen Fetisch ist es, Träume, Sehnsüchte, Wünsche an sich zu binden. Der Fetisch ist kein Objekt, sondern ein Kosmos. Nach klassischer Regel ist die Frau Trägerin oder Inhaberin dessen, was zum Fetisch werden kann, von Objekten, denen die Macht des Heiligen zugesprochen wird; Teile von ihr oder an ihr werden mit der Kraft der Faszination „geladen“ wie ein elektrischer Akkumulator. Der Fetischist wählt mit dem Fetisch die schöne Unfreiheit in der Relation zu der Persönlichkeit, die den Fetisch innehat.
Der Fetisch ist Konkretion und Eingeständnis der ambivalenten Macht, die die Frau auf den Mann ausübt. Der Fetisch setzt eine Grenze und erhöht mit dieser Setzung der Grenze zugleich die Lust, sie zu überschreiten. Die Frau, die den Fetisch anlegt, ihre Schönheit mit dem Fetisch unterstreicht, verspricht damit absolute Lust; zugleich macht sie sich zur Göttin, zur absoluten Herrin über die Erregung des sie Begehrenden. Der Fetisch bedeutet eine Distanz, die das Begehren sichtbar macht. Der dem Fetisch sich unterwerfende Eros gerät in eine Phase des Suspense und verbindet sich schon in der Einwilligung, die Faszination zu erleiden, mit dem Masochismus; der Masochist willigt ein, sich strafen zu lassen für das sichtbar gewordene Begehren.
Die ersehnte Grausamkeit entsteht für den Masochisten gerade durch die Distanz; die Grausamkeit ist deshalb grausam, weil sie die Distanz sichtbar macht. Darum ist es das Grausamste, dem Masochisten die Grausamkeit zu entziehen: der Masochist lebt in dem „grausamen“ Spannungszustand, der sein Begehren bloßlegt. Die von seiner Herrin getragenen fetischistischen Insignien reflektieren ihm sein Begehren, sie konturieren das, was ihm entzogen wird. Je mehr Entzug, um so gesteigerter sein Begehren; um so mehr Eros als Streben. Die Zufügung durch die Peitsche ist Zufügung über die Distanz. Und trotzdem erlebt der Masochist in dieser Distanz äußerste Verschmelzung; darum leidet er, wenn die Angebetete ihm diese Zufügung entzieht. Weil er aus Leiden Lust gewinnt, potenziert sich die Macht seiner Herrin über ihn; wenn sie tut, was er ersehnt, bindet sein Leiden ihn an ihre Macht; wenn sie es nicht tut, auch. Je weiter die inszenierte Distanz zur Frau, um so aufgeladener das Kraftfeld, in dem Lust und Schrecken changieren: der die Frau anbetende Masochist beweist, wie dieses Changieren zwischen Lust und Schrecken die Distanz nur äußerlich vergrößert, psychologisch aber mit Intensität auflädt.
Severin muß Wanda zu einem nächtlichen Zusammentreffen mit einem Mann im dunklen Mantel am Ufer des Arno bringen. „Das tue ich ja nur, um dich zu reizen“, erklärt sie, „ich muß Anbeter haben, damit ich dich nicht verliere, ich will dich nie verlieren, niemals, hörst du, denn ich liebe nur dich, dich allein.“ (102). Wanda hätte es vermocht, Liebende und grausame Frau zugleich zu sein, Grausamkeit in ihrer Liebe und Liebe in ihrer Grausamkeit zu leben, aber letztlich ist es Severin selbst, der diese Balance zerstört. Wandas Worte sind nur noch letztes Aufflackern dieser Liebe, vielleicht ist es auch nur noch die Rolle der Liebenden, die sie spielt, um damit die Grausamkeit noch zu steigern, wenn sie ihre Lust an der Dominanz erneut offenbart. Wir erinnern uns an Worte, die Wanda zuvor gesprochen hat: „Es lag wohl in mir […], vielleicht wäre es nie an das Licht getreten, aber du hast es geweckt, entwickelt, und jetzt, wo es zu einem mächtigen Trieb geworden ist, wo es mich ganz erfüllt, wo ich einen Genuß darin finde, wo ich nicht mehr anders kann und will, jetzt willst du zurück – “ (66).
Hand in Hand verschwinden Wanda und der Fremde in der Dunkelheit der Büsche, und als sie nach einer qualvollen Stunde zurückkehren, ist Wandas Antlitz von einem schwärmerischen Ausdruck verklärt. Es ist, wie sich herausstellt, ein deutscher Maler, den Severin bald darauf seiner Herrin in ihrer Residenz melden darf. Ob sie ihn liebe? Nun erhalten wir Gewißheit: „Dich habe ich geliebt, so innig, so leidenschaftlich, so tief wie ich nur lieben konnte, aber jetzt liebe ich auch dich nicht mehr […]“ (104).
Als sie sich von dem Maler portraitieren läßt, der sie ebenso anbetet wie Severin, schlägt Wanda ihren Diener nur deshalb mit der Peitsche, damit ihr Antlitz den zu verewigenden grausamen und höhnischen Ausdruck annimmt. Und der Maler verfällt diesem Ausdruck auf der Stelle: „‚Ja -‚ schreit der Deutsche wie im Wahnsinn auf – ‚peitschen Sie mich auch.'“ (111). Tatsächlich fesselt Wanda den Maler, „und dann, als sie mit halb geöffnetem Munde, so daß ihre Zähne zwischen den roten Lippen blitzten, auf ihn lospeitschte, und ehe er sie mit seinen rührenden, blauen Augen um Gnade zu bitten schien – es ist nicht zu beschreiben.“ Doch hat die Szene für Severin „einen schauerlichen Reiz“ (112).
Schließlich erregt Wanda sich an der Erscheinung eines Mannes, den Severin Apollo nennt – „Apollo, der den Marsyas schindet“ (115), und sie durchschaut sowohl Severins Gedankenwelt als auch den Unterschied zwischen seiner Gedankenwelt und der Realität: „‚Du kannst dir denken‘, lachte sie auf, ‚daß dieser Mann mein Geliebter ist, und daß er dich peitscht, und es dir ein Genuß ist, von ihm gepeitscht zu werden.'“ (116). Du kannst es dir denken, meint Wanda, aber du glaubst immer noch nicht, daß ich es in die Realität umsetze.
Es handelt sich um einen Griechen, wie Severin auszukundschaften beauftragt war, und sein nächster Auftrag lautet, Zusammentreffen Wandas mit Apollo zu arrangieren. „Alles, was bis jetzt gewesen, erschien mir als ein kindisches Spiel; nun aber war es Ernst, furchtbarer Ernst.“ (120). Die Frau, die er liebt, begehrt, anbetet, begehrt nun ihrerseits, sich einem Apollo hinzugeben, sich seiner Leidenschaft zu unterwerfen, und Severin muß diesem Begehren beiwohnen, im Beisein beider nur noch als Domestike wahrgenommen; die Eifersucht und die Erniedrigung drohen ihn zu zerreißen. Wanda gibt ihm zu verstehen:
„In mir haben gefährliche Anlagen geschlummert, aber du erst hast sie geweckt; wenn ich jetzt Vergnügen daran finde, dich zu quälen, zu mißhandeln, bist nur du schuld, du hast aus mir gemacht, was ich jetzt bin“ (129), sie leugnet nicht, daß in ihr war, was Severin ersehnte; sie wirft ihm nur vor, daß alle Probleme daraus entstanden, daß Severin nur seine Strategie gelten ließ. Severin offenbart sich als derjenige, der glaubte, das Subjekt, von dem er Beherrschung ersehnte, als Objekt kontrollieren, besitzen zu können: „Wenn ich dich nicht besitzen soll (…), so soll dich auch kein anderer besitzen.“ Und wenn Wanda höhnisch antwortet: „Aus welchem Theaterstück ist diese Stelle?“ (130), verdeutlicht sie noch einmal ihre Position, die von Anfang an eben zu keinem Theaterstück gehörte, als Realität.
Alle vermeintlichen Theaterstücke dienten einem Theater der Realität, auch das letzte: zunächst ihre Liebe zu dem Griechen selbst als Schauspiel deklarierend, dann Severin mit gespielter Zärtlichkeit („Ob ich es noch kann?“, 134) zu einer Auspeitschung einladend, die vorgeblich, zur Beruhigung der Nerven aller, das Gleichgewicht zwischen seiner masochistischen Anbetung und seiner Liebe zu ihr wiederherstellen soll, übergibt Wanda im letzten Augenblick die Peitsche an den plötzlich hervortretenden Griechen. Severin bekennt: „Das übertraf meine Phantasie“ (136), und Wanda bekennt sich zum Genuß an dieser Szene, bekennt sich als Femme fatale: „Es hört Sie niemand (…), und niemand wird mich hindern, Ihre heiligsten Gefühle wieder zu mißbrauchen und mit Ihnen ein frivoles Spiel zu treiben“ (137). In ihren Pelz gehüllt auf der Ottomane ruhend, sieht Wanda mit grausamer Neugier zu, wie der Grieche Severin alle Poesie aus dem Leib peitscht, nachdem er anfangs selbst hier noch einen phantastischen Reiz empfindet.
Ein Apollo Genannter also symbolisiert die fatalen Rückwirkungen der apollinischen Strategie selbst. Die Erkenntnis des Existierens der Femme fatale jenseits aller Versuche, sie zu verobjektivieren und zu kontrollieren, wird Severin mit apollinischen Peitschenhieben verabreicht. Drei Jahre später erhält Severin einen Brief von Wanda, in dem sie erklärt, sie habe ihn wirklich geliebt, es dann jedoch pikant gefunden, die Verwirklichung seines Ideals zu sein; und sie habe ausprobieren wollen, ob es möglich sei, Severin in einer Radikalkur zu heilen.
Zur Heilung gebracht werden müßte die männlich-apollinische Tendenz, die ersehnten und selbst die gefürchteten Qualitäten in der Frau selbst in die Hand nehmen zu wollen. Wanda glaubt, wie eh und je, wie bei der Begegnung mit Severin, an das Glück des Augenblicks – das es für sie nur ohne übergeordneten Rahmen gibt, nur in einem Feld, in dem alles sein kann, weil nichts sein muß. Wenn die Macht der Frau jenseits apollinischer Strategien anerkannt wäre, könnten das Ausspielen dieser Macht und das Erleben dieser Macht lustvoll bleiben.
Letztlich gibt auch die Venus im Pelz ein Beispiel dafür, wie der hypertrophen apollinischen Strategie der Zustand Horror, die Ambivalenz von Lust und Schrecken, inhärent und nahezu unausweichlich ist. Der Versuch der Distanzgewinnung durch Verobjektivierung unterstreicht die Macht dessen, von dem die apollinische Strategie sich ein Bild mit festen Grenzen und Formen zu machen sucht. Die Macht der fatalen Frau aber ist real genug, um die apollinische Kraft zum Erzeugen des Bildes der fatalen Frau ad absurdum zu führen. Wanda setzt auch den Masochisten als apollinischen Tyrannen außer Kraft. Deleuze irrt, wenn er Wanda lediglich als verwirklichtes Element des masochistischen Phantasmas betrachtet und sie nur als „Bestandteil der masochistischen Situation“ (200) auffaßt. Wanda erklärt alle einschränkenden Bedingungen, die dem Ideal Severins entspringen, für nichtig. Ihre Macht beweist sich in der unendlichen Überschreitung aller Zuschreibungen, die sie treffen. Severin spricht einmal von „ihren mörderischen Lippen“ (54). Was sie tatsächlich tötet, sind alle männlichen Versuche, ihre Freiheit einzuschränken.
Literatur:
Leopold von Sacher-Masoch, Venus im Pelz, Frankfurt am Main 1968
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