„I was, for a very long time, passionately in love with her… as I’m sure she’s guessed. Every male in the world and a number of females also were. And we all still are.“ – David Bowie 1997

JOURS DE FRANCE No. 553, 19 Juin 1965,
2003 in Paris erworben.
Traum 25.07.2000: Mit Jean Cocteau geplaudert und ihn auf seine Zeichnung von Strawinsky angesprochen – die ganze Nacht plaudern wir mit aller Welt, immer wieder wache ich auf und denke, ich muß es aufschreiben, but I don’t. „Wir“ sind Francoise Hardy und ich.
SPIEGEL ONLINE Forum
05.09.2006
Christian Erdmann:
Ich habe ihre Aufnahmen aus den frühen 60ern vor einiger Zeit für mich entdeckt, oder besser, mich in sie verliebt, und mir bei einem der Bouquinistes an der Seine ein paar Original-Singles gekauft, obwohl ich dafür immer eigens den Plattenspieler entstauben muß.
Sie gehörte ja zu denen, die in den 60ern überredet wurden, deutsch zu singen und in deutschen Shows aufzutreten, beherrschte das aber sehr gut (sie hat Deutsch studiert). Vor einigen Jahren tauchte sie dann mit „Le Danger“ auf, das sie mit einer Rock-Formation einspielte, die Band liefert einen knochentrockenen, interessanten Gegensatz zu ihrer halb melancholischen, halb erotischen Stimme, und kurz danach machte sie ein bezauberndes Duett mit Iggy Pop, „I’ll Be Seeing You“.
19.11.2007
dj1204:
Jetzt muß ich eingestehen, eine Bildungslücke zu haben. Was ist Yé-Yé?
CE:
Oh, Yé-Yé ist französisch für „Yeah Yeah“ :) und meint die französische Popmusik der 60er, die Girlgroup- und Phil Spector-Touch mit der Chanson-Tradition kombinierte. Protagonisten waren etwa Johnny Hallyday, Francoise Hardy, France Gall, Sylvie Vartan oder Serge Gainsbourg. Die Backgroundsängerinnen klangen immer noch ein wenig sexier, schriller und zickiger als die US-Vorbilder.
Ein bedeutendes Thema der französischen Sixties war das der „Puppe“, etwa bei Michel Polnareff: „La poupée qui fait non“.
So bedeutend, daß es auch eine deutsche Version gab:
Gainsbourg schrieb für France Gall den Eurovisions-Sieger „Poupée de cire, poupée de son“,
Sylvie Vartan sang „Jolie poupée“.
Archetypischen Backgroundsängerinnenklang findet man etwa auf „Pourtant tu m’aimes“,
und ich hoffe,
die beiden Tröpfe, die sich an der göttlichen Francoise Hardy schubbern durften,
haben ihren Frieden gefunden.
Mit der dem französischen Rationalismus eigenen, zwingenden Logik entwickelte sich das Puppen-Thema in eine Barbarella-Ästhetik, etwa bei Sylvie Vartan, „Irrésistiblement“,
und natürlich bei Brigitte Bardot, „Harley Davidson“, ebenfalls vom verkrachten, aber omnipräsenten Genie Gainsbourg komponiert:
Kopfhörer einstöpseln und dem Mann recht geben, der da sagt: „This has to be one of the best grooves ever“.
Mitte der 90er ging Francoise Hardy mit einer Rockband ins Studio und kam mit „Le Danger“ wieder heraus. „Mir ist ein Album lieber, auf dem ich alle Lieder mag und das sich schlecht verkauft, als eins, das ein Erfolg ist, aber im Grunde nichts taugt. ‚Le Danger‘ war so ein Album, auf das ich sehr stolz bin und das kein Publikum fand.“
20.11.2007
dj1204:
Vielen Dank für die Links! Du hast Recht, Serge Gainsbourg hatte ja wirklich unglaublich gute Rhythmen, da war er seiner Zeit wirklich voraus.
Ich denke, Benjamin Biolay knüpft an diese früheren Protagonisten an. Er sieht sich wahrscheinlich als Fortsetzung des Chanson-Pop und er hat ja auch diese ganze Nouvelle Pop Szene in Frankreich angestoßen. „Trash Yé Yé“ wirkt auf mich trotz des erheiternden Titels eher nachdenklicher als seine Vorbilder, seine Stimme klingt auch düsterer als früher noch auf „Rose Kennedy“.
CE:
Francoise Hardy steht bei mir neben „The Marble Index“ von Nico, dem düstersten Abgrund, den man finden kann. Wobei „Frozen Warnings“ aber wiederum so schön ist in seiner monumentalen Einsamkeit, daß man sofort den Schlüssel für den Hölderlin-Turm suchen möchte.
dj1204:
Von Francoise Hardy sollte ich mir dringend mal ein älteres Album kaufen.
CE:
Ja, die sind zauberhaft. Von den ganz frühen habe ich zwei, beide hießen ursprünglich einfach „Francoise Hardy“, von 1963 und 1964. Einige Songs kennst Du bestimmt, „Mon amie la rose“ vielleicht. Multilinguale Intelligenzbestie, sie hat ja in diversen Sprachen gesungen, es gibt einen Sampler namens „All Over The World“, der einiges davon versammelt. Ich liebe ihre Version von „Catch A Falling Star“.

Weil sie oftmals unser Denken auf die Wege lenken
Die wir dann gehen
Kommentarsektion Antirationalistischer Block
21.02.2015
acapulco ramon:
vive la france (gall) et francoise (hardy) … schönste blüten aus dem frankenreich…
francoise hardy, in die angeblich bowie so verliebt war … welch pure schönheit. man schaue sich bei yt … was mach ich ohne dich ? an, die deutsche version von comment te dire adieu.
traumhafte sehnsucht in diesem gesicht, zum niederknien.
france gall war aber auch in zuckersüssen charme gegossen…
frankreich in den 60igern, yeye!!!
CE:
„Ich war lange Zeit leidenschaftlich in sie verliebt. Sie weiß das bestimmt. Alle Männer dieser Welt waren es. Und auch ein paar Frauen. Wir sind es immer noch.“ (Bowie)
Mick Jagger nannte sie sein Ideal, Scott Walker hatte ihr Bild an der Wand, Dylan hatte ja schon 1964 seine Bewunderung ausgedrückt mittels Poem auf LP, trifft sie dann zwei Jahre später auch in Paris, aber er beeindruckt sie offenbar nicht übermäßig. :) Nick Drake besucht sie im Studio, als sie in den frühen Siebzigern in England aufnimmt, sagt aber kaum ein Wort. Sie kannte seine Alben und hatte ihn gefragt, ob er ein paar Songs für sie schreiben könne. Kurz vor seinem Tod klingelt er noch einmal an der Tür ihres Apartments auf der Ile St Louis, erkennt die Stimme aber nicht, die er durch die Sprechanlage hört, und geht ohne ein Wort davon. – Später die Kollaborationen mit Blur und Iggy Pop („Alles, was sie sagte, war: Wie bist du nur an meine Nummer rangekommen?“).
Unwiderstehlich bezaubernd diese Mischung aus Schönheit und Ernsthaftigkeit, Erotik und Melancholie, dieses Capricornmädchen, das mit Scheu und Pessimismus kämpft, sie hat starkes Lampenfieber und vergißt vor Aufregung bei Liveauftritten manchmal die Texte, sie zieht sich von der Welt zurück und flüchtet sich in Bücher, trotzdem diese Stärke und toughness und Wahrhaftigkeit und eben diese Ausstrahlung, die zum Niederknien veranlaßt und die auch Dutronc noch in der „Tant de belles choses“-Doku erklären läßt, er habe sich an ihrer Seite lange minderwertig gefühlt, dabei ist er ein Auserwählter, chosen by her, die von sich sagt: es gibt nicht viele Männer, die ich anziehend finde.
„Man schaue sich bei yt ‚Was mach ich ohne dich?‘ an“ – oui, machen wir. :)
Barry Adamson, wie er für „Lost Highway“ aus einem Francoise Hardy-Song something wicked macht:
Antirationalistischer Block, 10/2017
Interviewer: „Sie scheinen mir eher der einsame Typ zu sein?“
Francoise Hardy:




(Francoise Hardy – La discrète, F 2016)
Kommentarsektion, moi @ray05:
27.10.2017
Das Lächeln der Januargeborenen, zugleich embarrassed und unendlich überlegen. Daß ein solches Wesen in Einsamkeit gehüllt ist, als normalsterblicher Trottel („Idiot“) fragt man sich, wie sowas überhaupt sein kann, wie sowas in die Weltharmonik kommt, zu der Zeit sitzt sie in ihrem Zimmer und studiert Deutsch mit Thomas Manns Tod in Venedig, ihr Fotograf-Freund Perier sagt: sie ging nie aus, ich glaube, mit mir war sie zum ersten Mal im Kino. Mick Jagger, Bob Dylan reißen sich um sie, und sie sagt, sie hat es praktisch gar nicht bemerkt. Das klingt absurd, aber etwas daran ist auch wahr. Da ging SIE, zurück in IHRE mystische Einsamkeit. „The Queen of Sheba could have shined her shoes“, doch sie ist scheu und unsicher in einer Welt, die nur darauf wartet, sie zu verletzen. Am Ende sind die Saturnmädchen jedoch geradezu exzessiv furchtlos. Die Klarheit, mit der sie einfach sagt: Ja. Wer wollte da nicht die unauslotbare Tiefe ihrer Liebe gewinnen.