What’s this?
Vorweihnacht

Unvorhersehbar ausgewählt ist doch immer noch besser als vorhersehbar unausgewählt. Jeder nur ein Kreuz. Die Welt geht zu Phillip Boa, stattdessen bestellte ich grad ein Ticket für Combichrist und hab nicht die leiseste Ahnung, warum. Na, vielleicht doch, aber wer will schon die Wege der Katzen wirklich verstehen. Vielleicht nicht mal sie selbst.
Wenn Combichrist live so klingen wie auf MySpace, wird das genau das Richtige zum Wegblasen dessen, was unbotmäßig in den kommunizierenden Röhren sitzt. Habe mir gerade in der Küche, dort, wo ein alter Sessel steht und i-net-Anschluß nicht hinkommt, einen Schreibtisch gebastelt, ach was, eine Secret Window-Hütte ohne Hütte. Zuviele, die glauben, mit einem Streichholz in der Hand Licht im ganzen Haus machen zu können, das macht auch sehr müde. Stattdessen Rilke:
„Nein, nein, vorstellen kann man sich nichts auf der Welt, nicht das Geringste. Es ist alles aus so viel einzigen Einzelheiten zusammengesetzt, die sich nicht absehen lassen. Im Einbilden geht man über sie weg und merkt nicht, daß sie fehlen, schnell wie man ist. Die Wirklichkeiten aber sind langsam und unbeschreiblich ausführlich.“
Heute hat David Sylvian Geburtstag.
Combichrist klingen im Tanzpalast eigentlich noch viel rotziger, live hoffentlich auch. Zwingen mich auf die Tanzfläche, manche nennen es aber auch Weiberelectro.
Wegblasen ist wohl der Sinn der Übung, denke ich. So ein Secret Window brauche ich auch, schöne Idee. Leider reicht mein Kabel locker in die Küche und für die Terrasse ist es nun wirklich noch zu kalt. Ich musste heute stundenlanger Kolloquiumslaberei beiwohnen, um Himmels willen, was für überflüssiges Gesülze. Seine eigene Unwichtigkeit so dermaßen abzufeiern ist ja schon fast wieder brillant. Ich dachte schon nach 10 Minuten daran, doch lieber wieder im Krankenhaus zu schichten, als meine Zeit so sinnlos zu verjubeln, aber ich werde es natürlich doch tun, es gibt keinen Weg zurück. Mit einem Streichholz Licht im ganzen Haus? Ein treffendes Bild für viele Situationen. Ein Rilkezitat steht auch am Anfang der Arbeit, die Grundlage der meinigen ist: „Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt?“
Wie haben sich Oasis geschlagen? Ich konnte es leider nicht miterleben.
Weiberelectro? Klingt gut für mich, aber ich sehe das wohl aus der falschen Perspektive. Würde ich musikalisch eher mit Ladytron oder Client verbinden. Die faszinierende Kombination zarter Handgelenke und kalter Maschinen. Stundenlange Kolloquiumslaberei, boy I remember well. Und immer sind es die Vollhonks, die sich am liebsten reden hören, bis man garstige Visionen von Mundzunähen im Schädel hat, schließlich hat man mal „Murders In The Zoo“ mit Lionel Atwill gesehen, aber diesen essentiellen Bestandteil im Kulturgut der Menschheit, mit der mysteriösen Kathleen Burke, kennt dann eh keiner. Rilke ist ja auch der Weltinnenraum-Mann. Hab gerade U2 auf SPON verteidigt mit: Weltinnenraum ist Matrix. Weltinnenraum ist da, wo Außenwelt und Innenwelt die Subjekt-Objekt-Trennung aufheben. Der Raum, wo du dir selbst zum Mysterium wirst, und das Mysterium der Realität dich treffen kann. Oasis haben sich gut geschlagen, HariboMan meinte zu Liam, „Jennifer (Aniston) was desperate to see you“, und Liam meinte, „Desperate? Sind wir doch alle irgendwie.“
Weltinnenraum, da tut sich viel grad. Weltaußenraum – keine Auffälligkeiten, Chief Commander. Genaueres vielleicht, wenn ich Sie anlässlich Ihres Jubeltages aufsuchen werde, am Brunnen. Nein, Sie sehen es aus der richtigen Perspektive. Es gibt aber andere. Ich weiß, dass diese Interpretation Ihnen in jenem Zusammenhang eher unbekannt ist, aber Weiber wäre in Weiberelectro eher abwertend und bezöge sich auf die Zuhörer.
Hah! Das war aber ein Touchdown von Liam. Sehr schön! TV sucks mal wieder. Als ich kürzlich Götz Alsmann bei seinen ewig gleichen Scherzchen zusah, erinnerte er mich an Sartre, so als wäre er die heutige Version. Und wenn ich das so empfinde, bin ich offensichtlich bereit, ein gewisses Niveau zu billigen!? Seitdem lese ich wieder mehr.
:) Sie haben U2 verteidigt? Warum und warum war das notwendig? Ein geschmackloser Fall von: Bands, die länger als zwei Monate im Geschäft sind, doof/überholt/zu alt/zu kommerziell finden?
Suchen Sie mich um Gottes Willen nicht an meinem Geburtstag am Brunnen auf, das ist ein Sonntag!
Kennen Sie übrigens Flann O’Brien? „At Swim-Two-Birds“? In „The Third Policeman“ entwickelt er die Mollycule-Theorie, nach der die Persönlichkeit eines Mannes sich mit der Persönlichkeit seines Fahrrads vermischen kann, an interchanging of mollycules, was nicht zuletzt an den huckeligen irischen Landwegen liegt.
Das weiß ich auch, dass es (ein) Sonntag ist. :) Ich sagte ja auch > anlässlich. Nicht > an. Siiigh, finally sind die Ferien rum, Cathy allein zuhaus mit einer Tüte Chips und den zwei Babyratten, die seit Montag in ihrem Käfig die Nacht zum Tag machen, raven, futtern, raven, schlafen, wieder raven. Sehr lustige Fellknäuelchen named Paula und Louise. Habe heute entdeckt, dass sie Schokoladenpudding mögen und sich auf Kämpfe um Stroh einlassen. Von Ratten und Menschen oder wie das heißt.
Ich betrat heute Nachmittag das Museum für Kunst und Gewerbe und fand ein paar samtene Treppenstufen höher, das knarrende Parkett durch Zeitkorridore führend – far away and long before –, einen warmen Frühlingstag 1973 in Paris. Romy Schneider auf einer Bank sitzend, ladylike in weißer Leinenbluse, ein brauner Gürtel mit goldener Schnalle um die schmale Taille, neben ihr zwei alte Frauen in einfacher Kleidung und mit gebührendem Abstand. Sie sah aus wie eine Königin, nur schöner. Freier. Auf anderen Bildern dann ihre Einsamkeit, ihre Traurigkeit. Es gab ein Foto, ein viel früheres, Anfang der 60er, da sieht man schon, wie zerbrochen sie war. Ihre Augen erzählten von Verletzung, die nie mehr heilen, nur noch betäubt werden konnte. Und ich habe mich gefragt, was wohl Ihr favourite film mit Romy ist? Es gibt ein Video mit einer Hommage von Alain Delon, wie Sie sagten, sie fehlt ihm immer noch und am Ende sagt er: Für Disch, mein Puppele. Pour toi, mon amour.
Elevation in Chicago – grand! U2 haben Intensität, ja. Magie für mich in Zooropa, aber das liegt am damaligen Zeitgeist, meinem persönlichen. Wie es immer so ist. Die Iren mögen wohl Zooropa im Allgemeinen nicht, betrachten Bono aber als Volkshelden, soweit ich weiß. Flann O’Brien schon mal gehört.
Wie war Marc? Gab er Brilliant Creatures? Mein favourite von ihm.




Mein favourite film mit Romy? Am schönsten, für mich, ist sie wohl in „Das Mädchen und der Kommissar“. Sehr beeindruckend: „Death Watch“, mit Harvey Keitel. Wenn ich einen Film von ihr für die Insel auswählen müßte, dann vielleicht Viscontis „Ludwig II.“ Und dann ist da natürlich noch „Nachtblende“. Und für Sie, was ist Ihr favourite? – Das Museum für Kunst und Gewerbe ist überhaupt ein seltsamer, wunderbarer Ort. Manchmal meint man, ein Zug fährt direkt durch, und dann plötzlich, völlig zeitenthoben, strange silences falling down there. Ravende Babyratten, that’s beautiful. Manchmal denke ich auch an sowas, aber ich hab schon tagelang geheult, als mein Meerschweinchen starb. Und das war nach meinem Examen, Grundgütiger.
Marc Almond – sigh mit drei iii, wenn ich Sie zitieren darf. Der Tod hatte ihn zu 99% auf der Schippe nach seinem Motorradunfall, sein Kopf war Matsch, seine Stimme weg, Gedächtnisstörungen, hat unter Panikattacken im Internet nach der besten Suizidmethode gesucht. Und dann dies. Wiederauferstehungsfeier also sowieso.
Das Phantastische ist aber, daß er besser ist als jemals, und er war schon immer groß. Es ist so schön, daß auch die Engländer das jetzt so sagen, endlich: der beste torch singer der Gegenwart. Und so traurig, wenn es heißt, „ach, der mit Tainted Love?“ 30 Platten Herzblut, „ach, der mit Tainted Love?“ Glorious, I Have Lived, A Lover Spurned, Tragedy, The Idol, Variety, Child Star, Hand Over My Heart, The Days Of Pearly Spencer, Something’s Gotten Hold Of My Heart, The Devil (Okay), Brilliant Creatures, My Love, Jacky, Amsterdam, Sandboy, If You Go Away, Bitter Sweet, Bluegate Fields, Tears Run Rings, Ruby Red, Torch, Bedsitter, I Close My Eyes And Count To Ten, Friendship, Mother Fist, Tainted Love, Say Hello Wave Goodbye. So ungefähr. Fast 30 Songs, ungefähr zweieinhalb Stunden, als ob er gar nicht aufhören konnte. Einmal vermuddelte er den Text, und als ob das irgendjemanden irgendwie gestört hätte, entschuldigte er sich dafür mit: normalerweise sei er um diese Zeit schon im Bett. Ho ho, ho. „Amsterdam“ hat er aus dem Ärmel gezogen, extra für das Docks. What a performer. Genaugenommen hatte ich eine tonnenschwere Träne im Auge. Als er Brels „If You Go Away“ sang.
Und noch ein zweites Evangelium nach St Markus, derzeit.
Mark Lanegan – Wedding Dress – Live Irish TV
Und Combichrist? Blies weg? Lese gerade „Eine blaßblaue Frauenschrift“ von Franz Werfel.
8 replies on “Langsam und unbeschreiblich ausführlich”
Ich bin unverschämt, pick’ mir da ganz frech was raus, nämlich die Romy. Hach, wie ich die Filme mit ihr und Michel Piccoli liebe. Ein Dream-Team … wie ich finde. Nebst dem „Das Mädchen und der Kommissar“ mag ich ja auch ganz besonders „Die Dinge des Lebens“. Die Romy Schneider hatte eine ganz besondere Ausdruckskraft, einerseits verkörperte sie für mich das Sinnbild der Frau, ohne aber in eine „Femme fatale“ abzurutschen, dafür stand ihr das Quäntchen „Reinheit“ im Weg, sie hatte für mich immer auch so etwas Kindlich-Unschuldiges inhärent. Ich mochte sie auch im Film „Der Swimmingpool“ mit Alain Delon sehr. Delon, der ewig „Zarte“, der Schönling, Nachdenkliche, Melancholische und im Gegenzug Piccoli, der pure Mann, sehr anziehend, begehrenswert … auch wenn keine Schönheit. So unterschiedlich die zwei … eine Kombi von beiden wäre wünschenswert ;-)
Ach ja, da lese ich gerade noch gen Ende hin hier von: „Eine blassblaue Frauenschrift“.
Mag ich auch sehr, habe zwar das Buch nicht gelesen, aber seinerzeit die Verfilmung von Axel Corti im TV gesehen. War sehr angetan davon.
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Das hast Du alles ganz wunderbar beschrieben! Gerade sah ich sie wieder als Leni in „Der Prozeß“ von Orson Welles, nicht eigentlich eine Kafka-Verfilmung, man kann Kafka nicht ver-filmen, aber doch ein großer Film, und fast immer ist das erste, was mir einfällt, wenn ich sie sehe: wie wagemutig sie war. – Und Delon, ich kann auch als Mann :) die Augen nicht von ihm lassen, „eiskalter Engel“, aber was für Abgründe in fast unmerklichen Nuancen. „Le Samouraï“, was für ein Film, 105 Minuten und man wagt kaum zu blinzeln, fast noch mehr liebe ich gerade „Der Chef“ / „Un flic“ von Melville. Und hast Du mal „Rocco und seine Brüder“ von Visconti ganz gesehen, von dem Moment, wo Delon „Orangen“ sagt, bis zum bitteren Ende? Danach muß die Krankenschwester mir was zum Einschlafen bringen. :) – Die Verfilmung von „Eine blaßblaue Frauenschrift“ kenne ich leider nicht, danke Dir für den Hinweis! Es gab so phantastische Literaturverfilmungen in den späten 70ern / frühen 80ern, „Ungeduld des Herzens“ von Stefan Zweig fällt mir ein, ein Zweiteiler mit Mathieu Carrière als Leutnant Hofmiller, die Verfilmung hat mich sehr beeindruckt, ist wohl leider spurlos von diesem Planeten verschwunden. Oder „Die Dämonen“ von Dostojewski als Vierteiler, Christoph Bantzer als Stawrogin, da waren immer ganz feine Schauspieler am Werk in diesen Verfilmungen. – Und Piccoli, ja, einer, der noch wußte, daß Schönheit nicht Oberflächlichkeit bedeutet, sondern unendliche Komplexität verbirgt, und mit der hat er sein Leben verbracht, scheiternd, triumphierend, zynisch, zärtlich, souverän, verwirrt, leidenschaftlich, reserviert, undurchschaubar und bedingungslos. :)
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„Der Prozess“ von Orson Welles, diese Verfilmung habe ich leider nie gesehen, auch nicht das Buch von Kafka gelesen; ich bin … ehrlich gesagt, sehr unbelesen, was namhafte Literatur betrifft. Der besagte Film, was ich so jetzt auf die Schnelle überflogen bzw. den Trailer geschaut habe, kommt mir sehr verstörend rüber. Aber ich mag das. Sehr sogar. Keine Ahnung wieso, aber ich ziehe es so „Heile-Welt-Geschichten“ vor.
„Rocco und seine Brüder“ von Visconti habe ich leider auch nicht gesehen (och, den hatten sie erst vor ein paar Wochen auf Arte (soweit ich mich erinnere). Den habe ich verpasst und auch viele andere mehr, die du da anführst. Aber, was mir auffällt, in den 60iger und 70iger Jahren, da gab es schon sehr epochale Filme und auch Schauspieler, die ihre Wirkung auf mich bis jetzt nicht verloren haben, wie auch die wunderbare Catherine Deneuve und viele mehr.
Mathieu Carrière … ja, mir ist er vage in „Der junge Törless“ in Erinnerung und noch einigen Verfilmungen, aber jetzt nicht so sehr von der Handlung (das ist mir jetzt schon zu weit weg von der Erinnerung) sondern er fiel mir als Schauspieler prägnant auf.
Romy Schneider und Helmut Berger in „Ludwig II“ … och, was blieb von dem Berger, :-}
Sah ihn dieser Tage (eine Wiederholung) bei „Willkommen Österreich“.
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Catherine Deneuve ereignet sich in 5 meiner 111 Lieblingsfilme, „Ekel“, „Belle de Jour“, „Das Geheimnis der falschen Braut“, „Begierde“ (mit Bowie und Susan Sarandon) und „Der Chef“ (mit Delon), ich kann ihren Namen also auch nicht ohne die wunderbare denken. :) Helmut Berger, diese späten Interviews sind natürlich einerseits immer hilarious, andererseits zerreißen sie einem das Herz, ich glaube, er war sich schmerzlich bewußt, wie ein Ausstellungsstück aus einer vergangenen Epoche vorgeführt zu werden. Er sagte ja irgendwann einmal „Es gibt keine Charlotte Rampling mehr“, jetzt gibt es keinen Helmut Berger mehr, and it’s our loss. Der schönste Mann der Welt, vielleicht, aber er war so viel mehr als ein Schönling, er konnte ein wirklich großartiger Schauspieler sein.
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… derart vorgeführt werden, ist mitunter schmerzlich, ja, dennoch, ich denke mir, der Helmut stand da drüber, er pfiff auf das, was andere über ihn redeten und dachten, das macht ihn für mich auch unglaublich sympathisch (er kann über sich selber lachen). Übrigens, wer einer Einladung von Stermann und Grissemann Folge leistet, weiß natürlich, dass er dort durch den Kakao gezogen wird ;-) …da führt kein Weg daran vorbei). Dass der Helmut Berger bereits im vergangenen Jahr verstorben ist, ist mir leider entgangen, da war ich gerade für ein paar Wochen in Italien umtriebig, fern jeglicher Medien (habe erst jetzt davon gelesen).
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Ja, da hast Du sicher recht, daß er drauf pfiff. – Ah yeah, Deine Umtriebe in Italien & The Firenze Madness, I remember :). Wir werden in diesem Sommer in Ferrara sein, der Stadt von „Der Garten der Finzi Contini“, in der Verfilmung hat Helmut Berger eine Rolle. It all falls into place. :)
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… das freut mich zu hören, SEHR! … und, Fahrrad nicht vergessen ;-)
Die Gärten, die es nie gab
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❤️😊🙏🏻
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