
Helen Marnie, Mira Aroyo und ihre 2 Genossen haben den distanziert-erotischen Elektro-Minimalismus ausgebaut in eine betörende Vielschichtigkeit, in der sich Synth-Lagen übereinander türmen und ein „Speed Of Life“-artig verzerrt polterndes Schlagzeug Bass und Gitarren in den Electroclash zieht. Eine sonderbare Mischung jetzt aus warm und kühl, nach wie vor paßt aber der gelegentliche Song in Bulgarisch bestens zur gertenschlanken Hineingestelltheit dieser beiden irgendwie exoterrestrisch wirkenden Damen in Situationen, in denen der schreckende Übergang von Sex zu großem Gefühl zum Rücksturz mit dem Kubrickschen Raumgleiter verführt („I’m not scared to go home“). Wenn diese immer etwas verhallten, unterkühlten Stimmen „They gave you a heart“ konstatieren, klingt das immer noch wie die leicht verwunderte Selbstreflexion von Roboterpuppen, noch immer paart sich „Venus sucht den Superstar“ mit der sozialistischen Strenge eines völlig unbegründet optimistischen Aufbruchs, aber im Video werden jetzt schon mal pelzige Nager gehalten, auch wenn der energische Schritt nirgendwohin führt. Botschaften wie Lautsprecherdurchsagen in Metropolis: „I wrote a protest song about you.“ Hudson Astrolook + Melancholie, herzzerreißend schöne Melodien, die zugleich von enormer Traurigkeit sind, der letzte Song, „Versus“, ist schon fast unerträglich genial. Like a kitten versus rain.
[moi, SPIEGEL ONLINE Forum, 02.12.2008]
