„In Esterles Atelier soll nun, nach einer Mitteilung Fickers, Trakl den Pinsel ergriffen und sich so gemalt haben, wie er sich einmal, nachts aus dem Schlaf aufschreckend, im Spiegel gesehen hatte.“ (Otto Basil)

Trakl-Gedenkstätte Salzburg, Foto Christian Erdmann, 09/2011
Klage
Schlaf und Tod, die düstern Adler
Umrauschen nachtlang dieses Haupt:
Des Menschen goldnes Bildnis
Verschlänge die eisige Woge
Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen
Zerschellt der purpurne Leib
Und es klagt die dunkle Stimme
Über dem Meer.
Schwester stürmischer Schwermut
Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt
Unter Sternen,
Dem schweigenden Antlitz der Nacht.
Die Nacht
Dich sing ich wilde Zerklüftung,
Im Nachtsturm
Aufgetürmtes Gebirge;
Ihr grauen Türme
Überfließend von höllischen Fratzen,
Feurigem Getier,
Rauhen Farnen, Fichten,
Kristallnen Blumen.
Unendliche Qual,
Daß du Gott erjagtest
Sanfter Geist,
Aufseufzend im Wassersturz,
In wogenden Föhren.
Golden lodern die Feuer
Der Völker rings.
Über schwärzliche Klippen
Stürzt todestrunken
Die erglühende Windsbraut,
Die blaue Woge
Des Gletschers
Und es dröhnt
Gewaltig die Glocke im Tal:
Flammen, Flüche
Und die dunklen
Spiele der Wollust,
Stümt den Himmel
Ein versteinertes Haupt.
Seele des Lebens
Verfall, der weich das Laub umdüstert,
Es wohnt im Wald sein weites Schweigen.
Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen.
Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.
Der Einsame wird bald entgleiten,
Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden.
Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden,
Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.
Der blaue Fluß rinnt schön hinunter,
Gewölke sich am Abend zeigen;
Die Seele auch in engelhaftem Schweigen.
Vergängliche Gebilde gehen unter.
2 replies on “Georg Trakl, Selbstbildnis”
Unverkennbar ist der Einfluss von Baudelaire und Rimbaud auf und in sein Werk ;-) Seine Drogensucht und die Vermutung einer inzestuösen Beziehung zur Schwester loass I amoi außen vor. Bezeichnend, hier bei Dir Christian auch bemalend, ist auch seine Selbstsicht, was seine Verse als kranke Blumen der Schwermut oder auch seine Farbsymbolik „Schwermut blaut im Schoß der Fraun“ angeht. Hard stuff indeed! und I hoabs da mehr mit Ludwig Wittgenstein
;-) Owa SO
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Einflüsse waren Baudelaire und Rimbaud gewiß, was Trakl dir auch jederzeit bestätigt hätte, die Großen wissen immer, daß sie auf den Schultern von Giganten stehen. Aber dann entsteht bei Trakl ja ganz Einzigartiges und Unvergleichliches. Letzten Sommer stand ich an Trakls Grab auf dem Mühlauer Friedhof in Innsbruck, felt like full circle, nachdem Mylady und ich schon die Gedenkstätte in Trakls Geburtshaus in Salzburg besucht hatten und später auch in Krakau das Militärhospital fanden – der Ort, an dem Trakl starb.
Wenn Du Wittgenstein einen Artikel widmen tät’st, fiele mir wahrscheinlich nicht ein zu bemerken, daß ich Trakl vorziehe :), aber tatsächlich geraten ja beide in ergreifende Verbindung. „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ bleibt Geniestreich, auch wenn er zur Fuge einlädt. Aber, „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“? Wittgenstein über Trakls Verse: „Ich verstehe sie nicht, aber ihr Ton beglückt mich. Es ist der Ton des wahrhaft genialen Menschen.“ Und vielleicht spricht der wahrhaft geniale Mensch über das, wovon man nicht sprechen kann.
Görner über Trakl: „Auch in diesem Gedicht wirkt das Unheimliche wie selbstverständlich. (…) Das schöne Grauen und grauenvoll Schöne scheinen sich selbst zu genügen. Sosehr es auch in diesen Gedichten rumort, sie ruhen in sich, scheinbar selbstgenügsam, detailgenau und surreal zugleich, in sich geschlossen und doch allen Phantasien offen. (…) Festzuhalten ist: Trakls (blut)schuldbewusstes Dichten ereignete sich im Bodenlosen (…) nichts beweist den vollzogenen Inzest, wohl aber den imaginierten.“ Scharfe Sicht auf die Dinge und Halbtraum zugleich.
Das Unheimliche selbstverständlich: Trakl halbträumt im Unsagbaren. Übrigens steht ja auch Wittgensteins „Was sich überhaupt sagen läßt, läßt sich klar sagen“ ziemlich im Regen; Frege soll erklärt haben, vom „Tractatus“ verstehe er nicht eine einzige Zeile. *g*
Aber Wittgenstein war natürlich ein Großer, and a beautiful man: stellte Ludwig von Ficker 100.000 Kronen zur Verfügung für bedürftige österreiche Künstler. Ficker machte ihn auf Trakl aufmerksam. Trakl sollte 20.000 Kronen bekommen. Dazu kam es bekanntlich leider nie. Aber daß Wittgenstein sich nach Krakau aufmachte, um Trakl noch lebend zu sehen, berührt einen so sehr. Als Wittgenstein im Garnisonsspital eintraf, war Trakl nicht mehr am Leben. „Ich bin erschüttert, obwohl ich ihn nicht kannte!“ Und es war Wittgenstein, der Anfang 1915 die genaue Lage von Trakls Grab auf dem Rakowicki-Friedhof ausmachen konnte.
Zu der Zeile „Und aus verfallener Bläue tritt bisweilen ein Abgelebtes“ fragt Görner: „Wie soll man benennen, was Trakls Sprache hier leistet?“
Etwas, das zugleich buchstäblich und gespenstisch in Erscheinung tritt: Trakls Sprache leistet das Unsagbare. Leistet, wo man nur schweigen kann, ein Sprechen.
Schrieb andernorts: „Ficker erklärt, daß bei Trakl die schneidende Kälte, das schneidende Wort aus einer Tiefe kam, ‚die nicht mehr zu ihm gehörte‘. Von wo also? Von dort, wo auch der unterschwellige Bezug der Bilder herkommt, aus abgrundtiefer Nichtmitteilbarkeit?“
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