25.08.2013
Das Beinhaus von Mělnik befindet sich in der Krypta unter dem Altar der Kirche St. Peter und Paul. Der Abstieg in diese Unterwelt führt durch einen separaten Seiteneingang. Man steigt eine schmale, alte Treppe hinab; unten, in einem versteckten Winkel, sitzt eine Frau undefinierbaren Alters, nennen wir sie Madame Lampernisse.
„Ich heiße Lampernisse, und ich erfreue mich an den Farben. Jetzt hat man mich in die Finsternis geschickt. Früher habe ich Schwarz aus Knochen und Schwarz aus Kohle verkauft, aber nie habe ich jemandem die Schwärze der Nacht geliefert. Ich bin Lampernisse. Ich bin so gütig, aber man hat mich im Dunkeln eingeschlossen, zusammen mit einem Wesen, das die Lampen löscht.“ – Jean Ray, Malpertuis

30 Kronen für Madame Lampernisse und man darf hinter den uralten, verstaubten Vorhang blicken.

Ein einziger Raum, nicht sehr groß. Man schätzt, daß er die Gebeine von etwa 15.000 Toten bewahrt.

Ursprünglich sollte die Krypta als letzte Ruhestätte der böhmischen Prinzessinnen und Königinnen dienen, die auf Schloß Mělnik residierten. Eine Pestepidemie im 16. Jahrhundert führte jedoch dazu, daß der kleine Friedhof, der die Kirche umgab, nicht mehr ausreichte, um die Toten zu bestatten, und die Krypta wurde zum Ossarium – Aufbewahrungsort für exhumierte Knochen und Schädel.

Als im Zuge einer Gubernialverordnung alle Ossarien aus hygienischen Gründen geschlossen und die Gebeine in der Erde bestattet werden sollten, beließ man es in Mělnik dabei, Eingang und Fenster des Beinhauses zuzumauern. So verblieb die Knochenkapelle bis 1913, als der Anthropologe Jindřich Matiegka sie öffnen ließ und zu untersuchen begann. Die Arrangements der Knochen und Schädel in ihrer jetzigen Form sind das Werk von Matiegka.

Das Herz aus Schädeln soll Liebe als christliche Tugend symbolisieren.


Einige der Schädel, die zur lateinischen Inschrift ECCE MORS (etwa: Seht den Tod) angeordnet wurden, haben ihren Platz verlassen.

Nicht nur die Höhe der Knochenwälle ist schwindelerregend,


auch ihre Tiefe. Der Tunnel im Frontwall, etwa fünf Meter tief, soll das leere Grab Christi und damit die Auferstehung symbolisieren.

„Dieses ist dein Weg“, wiederholt eine Stimme auf dem Tonband, das Madame Lampernisse angeschaltet hat.

Das Beinhaus von Mělnik ist kleiner als das berühmtere Ossarium von Sedlec bei Kutná Hora, und es gibt kaum Besucher. Mit etwas Glück kann man hier einen mind-blowing Nachmittag damit verbringen, sich auf den Boden der Krypta zu setzen und sich von Schädeln anstarren zu lassen, bis man ihre Gedanken kennt.


Zu den Exhumierten und den Pestopfern gesellten sich die Überreste Gefallener aus dem Dreißigjährigen Krieg und anderer Scharmützel.

Einige der Schädel zeigen die Spuren fataler Kampfwunden.

(Exeunt.)
