„In Esterles Atelier soll nun, nach einer Mitteilung Fickers, Trakl den Pinsel ergriffen und sich so gemalt haben, wie er sich einmal, nachts aus dem Schlaf aufschreckend, im Spiegel gesehen hatte.“ (Otto Basil)
Trakl-Gedenkstätte Salzburg, Foto Christian Erdmann, 09/2011
Klage
Schlaf und Tod, die düstern Adler Umrauschen nachtlang dieses Haupt: Des Menschen goldnes Bildnis Verschlänge die eisige Woge Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen Zerschellt der purpurne Leib Und es klagt die dunkle Stimme Über dem Meer. Schwester stürmischer Schwermut Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt Unter Sternen, Dem schweigenden Antlitz der Nacht.
Die Nacht
Dich sing ich wilde Zerklüftung, Im Nachtsturm Aufgetürmtes Gebirge; Ihr grauen Türme Überfließend von höllischen Fratzen, Feurigem Getier, Rauhen Farnen, Fichten, Kristallnen Blumen. Unendliche Qual, Daß du Gott erjagtest Sanfter Geist, Aufseufzend im Wassersturz, In wogenden Föhren.
Golden lodern die Feuer Der Völker rings. Über schwärzliche Klippen Stürzt todestrunken Die erglühende Windsbraut, Die blaue Woge Des Gletschers Und es dröhnt Gewaltig die Glocke im Tal: Flammen, Flüche Und die dunklen Spiele der Wollust, Stümt den Himmel Ein versteinertes Haupt.
Seele des Lebens
Verfall, der weich das Laub umdüstert, Es wohnt im Wald sein weites Schweigen. Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen. Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.
Der Einsame wird bald entgleiten, Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden. Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden, Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.
Der blaue Fluß rinnt schön hinunter, Gewölke sich am Abend zeigen; Die Seele auch in engelhaftem Schweigen. Vergängliche Gebilde gehen unter.
Fearless Vampire Killers? Nun gut, sehr, sehr lange Winterabende, ja? Heute in Zeitdruck, deshalb immediately: ein Weihnachtsfilm, wie er sein darf.
Hm, nie gesehen den Film, aber Ihrem Befund schneeblind vertrauend werde ich Ausschau halten. Muß noch Lametta von AltGr bis Esc. Hach so viel zu tun noch. Zum Beispiel gebacken kriegen. Cake shop girls grow fingernails dead long and rather sharp. They paint them glacé cherry red and yellow marzipan.
How sweet! Vor dem Backen aber ein anständiger (Weihnachts)Tag im Schnee:
Was ist das mit den Weihnachtsvierteilern? Kann mich nicht so recht erinnern. Nur an Weihnachtsmehrteiler wie Timm Thaler etc.!?
Jingle Bells gequakt, klasse! Schade, Aufhebung der Naturgesetze mit dem Clip enden muß, daromb ich Ihnen nicht hortig das Donald Duck-Klassik-Album „Weihnachten für Kummersdorf“ transmissionieren könnt. Neben „Im Land der viereckigen Eier“ und „Das Gespenst von Duckenburgh“ unverzechbarer Besteckteil meiner präschulischen Diskurstheorie. Lernte Wert von Wendungen wie „Ich bin ins Grübeln gekommen, und das macht mich unruhig“ (Donald) erst so in Höhe Philosophiestudium richtig schätzen, versteht sich.
Die ZDF-Weihnachtsvierteiler, ach – seufz. Die Schatzinsel, Lederstrumpf, Der Seewolf, Lockruf des Goldes – that stuff. Haben wir bei uns in der Straße damals noch bis zum Ende des Winters nach- und weitergespielt, bei „Lockruf des Goldes“ dann schwer verliebt in Christine Kaufmann / Labiskwee. „Verliebt“ vielleicht nicht das richtige Wort. Schlagen Sie „Aljoscha“ Seite 230 auf (Erstausgabe). December will be magic again!
Wenn es wenigstens unter 5 Grad bliebe. Donald, Mickey und Pluto – alle Philosophen, wahrlich. Gehören zu (meinem) Weihnachten wie der Tetzlaffsche Silvesterpunsch zu eben dem. Das ewig lange Warten am Morgen des 24. war durch den Besuch Entenhausens gleich besser. Dickens‘ Weihnachtsgeschichte kannte ich lange nur mit Mickey in der Rolle des Armen und Dagobert als der alte Scrooge. – Ah, nun gut, „Und seine armen Füße würden niemals folgen können.“, S. 230 sagt. Für diese Mehrteiler war ich wohl zu jung oder zu ignorant, ob der neuen Barbiepuppen und Legokästen. Ich sah Patrik Pacard, Timm Thaler, Anna und solche. Kann mich aber auch daran nur fragmentarisch erinnern. Christine Kaufmann und Kate Bush haben eine gewisse Ähnlichkeit, finden Sie auch? Und Wahrheit sie singt, dieser Dezember gefällt mir bisher. Gestern abend im Finnegans Wake an der Börsenbrücke: ein nicht mehr junger Schotte schnappt die Gitarre und singt „Streets Of London“ just for me and my British Christmas, glaub ich. Aber das erspare ich Ihnen jetzt. Zum Ausgleich noch etwas Jeremy:
Das lange Warten am Morgen des 24. – Dieu, es waren die längsten Stunden der Zeitrechnung, draußen der schneeigste Schnee, die krächzendsten Krähen, die spannendste Spannung. – Ja, vielleicht ist da eine gewisse Ähnlichkeit. Noch ein Geheimnis, „Die Frau machte eine sonderbare Bewegung mit dem Kopf, ein nicht ausgesprochenes Wort betonend“ – das ist inspiriert von Christine Kaufmann in „Lockruf des Goldes“. Als sie Elam Harnish im Kanu gegenübersitzt. Schwer zu beschreiben. Hier ein paar Bilder, auch wenn es keine Erinnerungen wecken kann.
„Streets of London“ just for you and your British Christmas, wie phantastisch… erlauben Sie, daß ich an dieser Stelle addiere, wie einer der Iren erklärt: „Der Himmel uber Berlin ist blau“. Und wer wüßte das besser als Sie. Fünftes Türchen, for some moments of the year:
Ich kann im Zusammenhang mit Christine Kaufmann nicht ihren Auftritt in einer Sprechschau ausblenden, in der sie sagte, sie könne keinen Alkohol vertragen, da ihr sofort schlecht würde. Es war das Wie. Wie sie das sagte. Haben Sie eigentlich „Romy“ gesehen? Jessica Schwarzens Romy? Nun ja, ich wollte es nicht sehen, aber bei der dritten Wiederholung auf 3Sat oder so gab ich auf und siehe da, nicht viel Romy vielleicht, aber ein beeindruckender Film doch. Oh dear, goosebumps bei some moments of the year! Und da ich gestern beim größten Elektrofachmarkt Europas stop and stare vor der Riesenleinwand got stuck und dieser Mann dieses Jahr auch prägte und Berlin und blau und Himmel und überhaupt, ja, Sie sagen es, ich weiß und es scheint Retro-review-remember me-day today.
Nein, „Romy“ sah ich nicht, leider – nur ein Bild von Jessica Schwarz als sie. Das fand ich sehr erstaunlich, ich kannte die gar nicht. Dafür sah ich kürzlich nochmals „Monsieur Klein“ mit Delon. Verstörendes Juwel. Unfaßbares Ende. Verstehe zwar jeden, der bei Delon wg. stunning good looks gar nicht zum großartigen Schauspieler vordringt, aber man sollte es trotzdem irgendwann tun. Nun ja, die Capricorn-Damen sagen das, daß sie keinen Alkohol vertragen, da ihnen sofort schlecht würde. Tatsächlich nippen sie sogar zum Jahreswechsel so geschickt am Glas, daß man eine vollständige Illusion von „Frau trinkt Sekt“ erhält, die aber nichts ist als eben eine Illusion. Nach 17 Äonen probieren sie dann vielleicht mal, Captain Morgan mit Wasser zu verdünnen. Die Wahrheit ist, daß sie einen unter jeden Karibiktisch trinken könnten. Sie tun es nur einfach nicht. Morgen, also heute, The Raveonettes. Darum zum Nick-Klaus zwei Kläuse:
Nick, wie immer so deep. „Langsam und still trank er den Wein, und dankte dem Schöpfer dafür, nicht mit Worten, sondern mit stillem Wesen; es war, das wage ich gern zu sagen, etwas von geweihtem Wesen; auch in seiner Art zu trinken – so groß war ja seine Dankbarkeit dafür, dass er nun sein Leiden um Alles ein paar Stunden lang weniger litt. Er hat ja viele Nächte mit mir getrunken, weil er immer wach war, ja, der wachste aller Menschen, – als der leidendste von allen, um ein ganzes Zeitalter leidend, wie sollte er da anders sein! Deshalb konnte er auch nicht vom Weine betrunken werden, und lächelte nur leise des Morgens, wenn andere es waren. (…) …gedachte er sich zu betäuben, aber wurde noch wacher; da schrie er zu Gott um Betäubung, auf daß er seiner Gesichte vergäße und seiner selbst. Aber es ward ihm verweigert.“ (Karl Borromäus Heinrich über Georg Trakl)
Einen Nik kriegen Sie auch (Was für ein Video!)
„Ihn, der ein starker Trinker und Drogenesser war, verließ nie seine edle, geistig ungemein gestählte Haltung; es gibt keinen Menschen, der ihn im Zustand der Trunkenheit jemals auch nur hätte schwanken oder vorlaut werden gesehen, obschon sich seine so milde und wie um eine unsägliche Verstummtheit kreisende Art des Sprechens in vorgeschrittener Nachtstunde beim Wein oft seltsam verhärten und ins Funkelnd-Böse zuspitzen konnte. Aber darunter hat er oft mehr gelitten als die, über deren Köpfe hinweg er die Dolche seiner Rede in die schweigende Runde blitzen ließ; denn er schien in solchen Augenblicken von einer Wahrhaftigkeit, die sein Herz förmlich bluten machte.“ (Ludwig von Ficker über Georg Trakl)
Ficker erklärt, daß bei Trakl die schneidende Kälte, das schneidende Wort aus einer Tiefe kam, „die nicht mehr zu ihm gehörte“. Von wo also? Von dort, wo auch der unterschwellige Bezug der Bilder herkommt, aus abgrundtiefer Nichtmitteilbarkeit?
Danke für Nik! Ein Video, das nachdenklich macht. Das Fragen stellt, wie wir meinen. Als wäre David Lynch in einen kribbelbunten Tuschkasten gefallen. Das siebente Fensterlein aus meiner wahren Geschichte der 80er. :)
Jaaaa! Die Zeugnisse, Berichte, Briefe von, über Trakl sind mir fast lieber als das eigentliche Werk. So ein Anachronismus, so schwer die Rückkehr jedesmal ins Jetzt. Gestern die ersten Folgen der zweiten! More gothic, I would say! Und less budget. Schade drum, aber es sind nur wenige Abstriche zu verzeichnen. Jeremy sieht man die ersten Anzeichen der Erschöpfung, Krankheit, Trauer an. Aber das Spiel bleibt grandios. „Das leere Haus“ wunderbar, „The Priory School“ schon sehr düster.
Ha, die Eighties!! 1984 gefiel mir dieser Rocker mit der entschlossenen Armbewegung:
Das sind aber hübsche Nonnen! Fast wie bei Clovis Trouille!
„Entschlossene Armbewegung“, hehe. 1984 war das Jahr von The Top, Hyaena, Ocean Rain. Echo & The Bunnymen klingen wie die Liebesnacht mit einem Geist. Was will Ian McCulloch sagen? Er sagt es so gut. Seine kryptische Poesie verweigert sich linearer Zeichnung, manchmal sagt er eigentlich nur Klang, so ist es wohl während der Liebesnacht mit einem Geist. Manchmal sind seine Texte einfach Schimmer von Eis und Jade. Alles ist verwandelt, Tage sind kristallin oder türkis, Teufel sind weiß, der Mond tödlich, Pferde tanzen, Köpfe rollen, nur Götter werden immer Götter sein. Als Bunnyman bewegt man sich buchstäblich zwischen Engeln und Teufeln, jede Nacht hat andere Schriftzeichen am Himmel, und auf dem Thron im Paradies wird man Stück für Stück verrückt.
Sie wissen bestimmt, daß Karius und Baktus norwegischer Herkunft sind, 1954 gab es einen Film von Ivo Caprino dazu. Der ist in Norwegen eine Legende, seinen Flåklypa / Pinchcliffe Grand Prix besitze ich als DVD – das Auto „Il Tempo Gigante“ ist ebenfalls eine Legende in Norwegen. Hier ein kleiner Eindruck, beachten Sie durch Fenster 8 the magical care for detail.
HAH! Ich wußte, dass Sie was über die Nonnen sagen würden! Ich WUSSTE es. Hihi. Oh ja, Puppenfilme! Amerikanische, norwegische oder auch österreichische, schauen Sie mal:
Streiten Sie mit mir nicht über die Nonnen, oder wenn, dann im Flore! :)
Das ist ja atemberaubend, bezaubernd. Haben Sie das Marionettentheater in Salzburg auch besucht? Was ich neben Puppen, als ich sehr klein war, überaus faszinierend fand, waren diese Scherenschnitt-Filme. Welche es damals im TV waren, weiß ich nicht mehr, aber der Name dieser Zauberkünstlerin ist Lotte Reiniger. Nummer 9.
Oh gut, ja, dieser Tage wirklich wie ein Biber arbeite, also lassen Sie uns im Flore streiten, aber in der oberen Etage, sonst fallen all die Journalisten wieder über uns her.
So lovely, dieses Scherenschnitt-Theater! Danke! The „town-cryer“, die häßlichen Schwestern und sogar die Uhr, so wunderschön. Ach…. Nein, im Theater war ich nicht, aber im Marionettenmuseum, befindlich in den Gewölben der Festung.
„Mehr in die Augen fallen die Übereinstimmungen mit Arthur Rimbaud, einem Freunde Verlaines, der neunzehnjährig zu dichten aufhörte und nach Afrika auswanderte. Erst kürzlich wurde sein Einfluß auf Trakl nachgewiesen. Dieser kannte die Dichtungen und schätzte ihren hervorragenden Übersetzer Ammer sehr. Verwandt waren ihm besonders die ungeheuren Gesichte des Franzosen, sein rücksichtsloses Erfassen dieser verseuchten und verwesenden Welt und die Kühnheit, es herauszusagen … Durch ihn gewann er den Mut, in der Poesie verpönte Dinge anzusprechen … doch tat er es kaum aus Lust an ihnen, sondern traurig, den Verfall darin zu erkennen, und so wahrhaft, ihn nicht zu verheimlichen … Der Anklänge an Rimbaud muß sich Trakl bewußt gewesen sein.“ (Dr. Josef Leitgeb)
„Eggsackt!“, wie Joseph II. in der genialen deutschen Amadeus-Synchro sagt, eggsackt. Habe Trakl genaugenommen über Rimbaud entdeckt.
„Buschbeck ist es auch gewesen, der die Gedichte des Freundes Zeitschriften anbot – zum Beispiel ‚Melusine‘ Westermanns Monatsheften mit negativem Erfolg … Ein hübsches Beispiel für des zwanzigjährigen Buschbeck ungestüm hilfreiche Art, den genialen Freund in der literarischen Welt bekannt zu machen, ist ein Brief vom 7. Juni 1909: ‚Unternimm Schritte, daß Du in den Kürschnerschen Literaturkalender kommst. Bei jedem Namen, der einem Redakteur unterläuft, schaut er immer zuerst, ob er schon im Kürschner steht. Um wieviel leichter nimmt er etwas an, wenn dies der Fall ist … Das müßte Dir sogar (wenn Du angibst, daß Deine Dramen schon aufgeführt werden) sehr leicht gelingen … Schreibe nur dem Herrn Dr… einen entrüsteten Brief, Dich nicht in Kürschners Literaturkalender zu sehen, nachdem von Dir ja schon usw … Du mußt doch wirklich auch einmal für Dich etwas Reklame machen.‘ – Georg Trakl und Reklame!“ (Otto Basil)
Zeit für den Meister.
Dylans Americana, nächste Folge, dieses Mal Rückverwandlung von Kitsch in authentisches CountryFolkPolkaZeugs. Wie „Love & Theft“ oder „Together Through Life“, nur mit Zipfelmütze. Weihnachten wie es sein soll: schön wie „Ist das Leben nicht schön?“ mit James Stewart und Donna Reed, zugleich Razzledazzle-Gelage mit Schurkenperücken und Am-Kronleuchter-Schwingen, beschwipste Engel im knappen Weihnachtskostüm und Dylans Dirtroad-Raspelorgan, paßt alles zusammen.
Eggsackt, ja. :) Erinnert mich an „Eggnogg“. The favourite drink der Lehrerin in Hannover Hall, wo Jade sich später so überaus elegant übergibt. Details, details, Holmes. The Devil’s Foot, one of my favourite episodes seit gestern. A Slide Show hinter der 11. Tür:
„The Devil’s Foot“ scheint Lieblingsfolge vieler. Las gerade, daß Damien Thomas mitspielt. Count Karnstein im wunderbaren Hammer-Film „Twins of Evil“. Mittlerweile alle Folgen Staffel 1 zum 2. Mal gesehen bis auf eine, diese heute abend, Adeptin neugewonnen.
Es wird immer weiter genøckert, darum das The Damned-Cover von Barry Ryans „Eloise“. So lovely, wie Dave Vanian bei „Every night I’m THERE“ im letzten Moment noch zack! mit dem linken Arm auf Irgendwo da oben deutet.
Die zweite Staffel hat Startschwierigkeiten, steigert sich dann aber zu außerordentlicher Grandiosität. Longing for Holmes‘ Mantel in „Silver Blaze“. Brett war tatsächlich einer der erotischsten Menschen, die mir bekannt sind und mit der Ansicht bin ich wohl auch nicht allein. :)
Die schon erwähnte Kindheitswartenaufdenweihnachtsmanngeschichte:
*13* Die magische 13 – Zeit für „the only goth“ in classic ballet:
Brillant brillant brillant. Ach, es ist mal wieder der beste aller Dezember. Ein wirklich wunderbares, schönes, mysteriöses Werk der Ballets Russes war Michail Fokine’s „Feuervogel“, Musik Strawinsky. Erinnern Sie: „Ich war nur auf dem Prezwalski-Prospekt und habe Rollschuhe für meine Enkelin gekauft, bei Kastschej, da“ – Kastschej ist der Zauberer aus dem „Feuervogel“.
Das Libretto zum 14. Fenster:
„Im Garten des Zauberers Kastschej lebt der Feuervogel. Der junge Prinz Ivan fängt auf der Jagd diesen Vogel. Dieser bittet ihn um seine Freiheit und Prinz Ivan lässt ihn wieder frei. Als Dank dafür erhält Ivan eine Feder des Vogels, der magische Kräfte innewohnen. Im Garten des Zauberers Kastschej werden 13 Jungfrauen gefangen gehalten, darunter die Prinzessin, in welche Ivan unsterblich verliebt ist. Als er das Gartentor berührt, ertönt ein Glockenspiel. Daraufhin erscheint Kastschej mit seinen Dämonen, um Ivan zu töten. Doch die Wunderfeder des Feuervogels schützt den Prinzen. Da erscheint der Feuervogel und lässt seine magische Musik erklingen, die die Dämonen zum Tanzen zwingt. Dann singt er ein Schlaflied und Kastschej und seine Helfer fallen in einen tiefen Schlaf. Der Feuervogel führt Ivan zu einer Höhle, in der ein Ei versteckt ist, das die Seele von Kastschej enthält. Der Prinz zerschlägt das Ei, der Zauberer stirbt und sein Zauberreich verschwindet. Die 13 Jungfrauen sind wieder frei.“
Try as long as you may despite all Emsigkeit, Nina Ananiashvili ist nicht von dieser Welt.
Im Josef Holzermayr Zuckerwaren-Fachgeschäft am Alten Markt in Salzburg begann ein älterer Herr die eben eingetroffenen Weihnachtswaren zu betrachten, als die Verkäuferin fragte, ob man ihm behilflich sein könnte, und er antwortete in höflichster Manier: Ach danke nein, die Augen funktionieren noch gut! Ich habe wohl etwas laut gelacht über die feine Ironie in seiner Stimme und er sah mich an, erkannte mein Verstehen und geriet ins Reden, wie es nur ein Österreicher kann: charmant, klug und kaum verständlich. Unter anderem zeigte er auf einen Adventskalender, der eine klassische Weihnachtsszene zeigt und sagte: Mei, ist der liab. Genau wie früher, vor 100 Jahren. Er kenne so alten Weihnachtsschmuck, den man bei seiner Mutter nach ihrem Ableben fand und dann geriet er ins Fluchen über die Moderne, wie hässlich sie sei. Er fragte: Wie lange muß man studiert haben, um so hässliche Häuser bauen zu können, wie man es heut tut? Er habe einen Freund, der zur Eröffnung einer architektonischen Glas-und-Stahl-Schrecklichkeit geladen wurde und dort angekommen sich umsah und schließlich fragte: Wann soll dies alles fertig werden? Der Architekt antwortete beißend: Es IST bereits fertig und ES IST SCHÖN! Der Freund seelenruhig: Ach so, das wusste ich nicht. Der fremde Herr im Zuckerwarengeschäft amüsierte sich über diese so unterschwellig hervorgebrachte feine Kritik und sei sicher, dass der Mensch ein angeborenes Schönheits- und Wohlgefallensempfinden habe und wir sollten es doch auch benutzen. Eine der Begegnungen in Salzburg, von denen man nie weiß, ob sie nicht jemand geplant hat.
Ich war also auch beim Trakl, es war sehr beeindruckend. Ich mag ihn mehr als Baudelaire, von dem er beeinflußt war. In der ganzen Stadt gibt es Tafeln mit seinen Gedichten, die jeweils mit dem Ort zu tun haben. Es wirkt fast verschämt und trotzig, wie sie dort hängen. Verschämt, weil sich doch all die Japaner und Franzosen, die wegen der Mozartkugeln gekommen sind, nicht einen Deut um die Lyrik eines Salzburger Jünglings scheren, Lyrik, über die Wittgenstein sagte: Ich verstehe sie nicht, aber ihr Klang lässt mich träumen. Trotzig, weil es eben doch eine so besondere Stadt ist, dass solche Tafeln nur folgerichtig ihrer allerliebst verfallenen Schönheit Worte geben und bei näherem Betrachten auch Trakl folgerichtig hier gelebt und gelitten hat und hin und wieder doch ein paar Krähen kommen, um in seinen Spuren herumzuwandeln.
Wir waren die einzigen, die in der Gedenkstätte klingelten und es öffneten die zwei Menschen, die sich seit Jahrzehnten für den Trakl einsetzen. In der ersten Salzburger Wohnung der Familie, in der Georg Trakl geboren wurde, umrahmt von Möbeln und Gegenständen der Familie und Briefen, Fotos und des grünrotschwarzen Selbstporträts Trakls zeigte man einen 40minütigen Film, der äußerst feinfühlig Trakls Leben, Schaffen, Gedanken, Träume und Abgründe zeigte. Seine Briefe, die auch im Film zitiert werden, erklären naturgemäß viel, was ohne sie nie ans Licht gekommen wäre. Zeitgleich lese ich Simone de Beauvoirs Briefe an Nelson Algren und sie sind auch so beeindruckend, weil sie so ehrlich sind im Gegensatz zu ihren Memoiren, in denen sie so vieles nicht sagt oder den Briefen an Sartre, in denen endlos taktiert und politisiert wird. In solchen äußerst privaten Briefen sind die Menschen mehr sie selbst, wahrer noch, wahrhaftiger als in jeder anderen Begegnungsform.
Was war noch? Ach ja, im berühmten Tomaselli Café irritierten wir die sehr hübsche, ältere Frau Lydia mit der Frage, ob sie Peter Alexander auch schon dort bedient habe und sie war verwirrt und glaubte nicht, aber sicher sei sie auch nicht. Ihre Verwirrung mutete äußerst komisch an im Rahmen dieser feierlich-ernsten Kaffeehauskulisse. Kopfschüttelnd nahm sie ihr Tortentablett und zog von dannen. Am Mondsee war eine Stimmung wie in einer Traumdarstellung. Nebel hing in den Bergen, der See war düster und grau und von tiefer, unwirklicher Schönheit, Touristen gab es dort keine mehr außer uns und diese Einsamkeit war besonders erholsam. Am Chiemsee dagegen Kaiserwetter am Königsschloss und Schnee auf den Gipfeln. Es war schwer, zurückzukommen, aber hier sind wir.
Aus dem Tomaselli stand Trakl einmal auf, um den Huren in der Judengasse Faschingskrapfen zu bringen. As you surely know, wenn zB der Herr Otto Basil Sie begleitete. Es war wohl die perfekte Zeit für einen Weg auf Trakls Spuren, wie ja auch Ihre wundervollen Photos belegen, nahe an der Trakl-Jahreszeit, die es nicht gibt, die immer zwischen allen anderen Jahreszeiten liegt, schwarzer Schnee rinnt von den Dächern, Ahorn rauscht im alten Park, schwarzes Gondelschiffchen schaukelt durch verfallene Stadt. Der phantastische fremde Herr im Zuckerwaren-Fachgeschäft wiederum, der den alten Weihnachtsschmuck vor dem Vergessen rettet, ist wie Joseph Roth. Ihr schöner, atmosphärischer Bericht bestätigt mir, der ich zeitweise am liebsten in „Der dritte Mann“, also dem Film, wohnen würde, daß man einfach in den Kaffeehäusern der k.u.k. Monarchie hätte hängenbleiben sollen.
Man fragt sich ja oft, wie man eigentlich hierhergekommen ist, wo niemand mehr „Habe die Ehre“ sagt. Daß es einen angeborenen Schönheitssinn gibt, behauptete ja auch Shaftesbury, über den ich mein Magisterpamphlet schrieb. Und auch daromm, wie es sey, daß alle, Goethe und Schiller, Kant und Winckelmann und Lessing, von Shaftesbury geklaut haben. Goethe zB stahl vom Third Earl den Begriff der „inward form“ – die innere Form. Die verlor ich restlos beim Konzert von Peter Murphy. Das ist aber auch nicht verwunderlich, wenn diese Legende, dieser Mythos, dieser Singuläre, der zu Beginn des Konzerts aufgrund einer Erkältung etwas gereizt schien, nach circa 13 Songs vor uns stehenbleibt, seine Hand ausstreckt und „Hello!“ zu IHR sagt. Er nimmt also ihre Hand und sagt: „You’re very attentive, thank you, it encourages us, me especially, when somebody’s looking so… so inspired“, und sagt ihr letztlich, in dieser halben Minute, von der verdammten Bühne aus, was ich ihr seit Äonen zu sagen versuche. Warum ist das Leben nicht einfach langweilig? Irgend jemand hat seine Hand fest im zerzausten Haar der Wahrheit – and twists her around. Würden Sie in unserer Kartei nachschauen, Watson?
Zwei Folgen sah ich bisher, Scandal in Bohemia und The Dancing Men. Bezeichnend, daß die Kokain-Szene für die Deutschen herausgeschnitten wurde. Wir könnten ja alle sofort zum nächsten Kokaindealer laufen und enthemmt brüllen: „DIE FLAGGEN SIND DAS WORTENDE, WATSON!“ oder „GEBT MIR DAS ABSTRUSESTE KRYPTOGRAMM!“ Jeremy Brett mit seinen Morphinistenmundwinkeln ist so beunruhigend definitiv und so definitiv beunruhigend, daß man ihn eigentlich nur mit exakt diesem Watson begleiten kann. Sie hatten Recht und ich werde Ihnen ewig dankbar sein, case closed.
Marisha Pessls Vater ist auch Österreicher. Bin auf Seite 200 etwa. Erstmal bin ich abgeglitten an dem Buch, das mir zu perfekt schien und dabei zu leerlaufend. Zu auf amerikanische Art mit leicht verschrobener Smartheit prunkend. Zu clever kalkuliert und zu von sich überzeugt darin, daß auch der siebzehnte Zusatz zum mehr oder weniger aufregenden Detail noch unwahrscheinlich geistreich wirkt. Ungefähr an dem Punkt, wo Hannah Schneider dezidiert ins Spiel kommt, hatte ich mich wohl daran gewöhnt, jedenfalls seitdem offen für Bewunderung und Genuß an der virtuosen Sprache, den Vergleichen, den Metaphern, den Kleinigkeiten, vor allem vielleicht den Kleinigkeiten. Schließlich gibt es auch noch andere mir bekannte Bücher, deren erste 50 Seiten man erstmal überleben muß. (Insert Ha Bloody Ha here).
Anbei der Mann mit dem goldenen Licht in der Stimme.
Grad blieb mir weiter oben auf Ihrer Seite kurz die Luft weg – mal wieder. Pjotr?! Eigentlich nur kurz etwas einwerfen wollte, heute nacht fallen nämlich 100 – 200 Sternschnuppen / Stunde. The rain in Spain stays mainly… Sie wissen schon. Jeremy Brett war auch dabei.
Und dann das hier (and now for something completely different)
Alles weitere muß in die Vertröstungskiste, aber schonen Sie die gestärkten Taschentücher: Keine drei Wochen mehr bis zur Weihnachtskeksezeit.
Wie entzückend von Ihnen, mir ausgelaugt in 100 – 200 Sternschnuppen/h-Nächten solche zauberhaften Vorgeschmacke… Vorgeschmäcker… Vorgeschmackenboom auf unsere Wunderkiste zu präsentieren, und auch noch mittenrein in mein Audrey-Hepburn-Fieber. Wußten Sie, daß Audreys Erschrecken in „Roman Holiday“, als Gregory Peck seinen Arm scheinbar handlos aus dem römischen Mund der Wahrheit zieht, echt ist? Sie müssen mir sagen, wenn ich mich wiederhole. Sie müssen mir sagen, wenn ich mich wiederhole. And what’s more, the quasinoption of the riddlediddle is m—- it is mm:boom
Habe Sie vorhin wohl ein bisschen überfallen, sorry for that, war grad in so nem Flow und es war so schön, Sie zu sehen! Absolute Flight Show haben Sie mit den Kids da geliefert, dachte schon, gleich geht’s in die Luft.
Sie meinten vorhin, Sie haben einen Blog?
Ich hab hier übrigens immer noch ein Buch für Sie liegen zum Geburtstag und die Sherlock Holmes DVDs MÜSSEN Sie sehen.
Naja, Blog, ich habe halt den Blog bei MySpace, aber das ist ja kein Blog, da sammele ich nur Zeugs. Aber ich weiß jetzt wieder, wie er heißt. „I CAN’T FORGET BUT I DON’T REMEMBER WHAT“.
Sind nach Wolfenbüttel. Wir waren im Schloß, natürlich, in der Herzog August-Bibliothek, natürlich, im Lessinghaus, natürlich. Saßen auch eine Weile in der Marienkirche, als die Orgelnacht am frühen Abend begann. Und gingen durch die Stadt, als wäre die Stadt völlig aus der Zeit. Das Licht war wunderschön, all day, outside and inside. Lessing hatte einen Traumjob, finde ich.
Ändert nichts daran, daß der Teufel manchmal nicht genug ist, um diese Frau zu halten.
Watson, die Muster sind unruhig.
Die Muster sind kaum noch zu bändigen, Holmes.
Es war Samstag, als ich auf den Dachboden kletterte und unerwartet einen Salzburgbaedeker fand, der mich dann gestern zu Trakl führte. Vorher nur mal vom Hörensagen. Zufall ist für Feiglinge (frei nach Christian Erdmann).
Am Donnerstag war ich im Docks und es hat mir sehr gut gefallen diesmal. Vielleicht die beste Live-Location derzeit in Hamburg. Haben Sie dort mal an die Decke geschaut? Under a black star. Und nun soll Marilyn Manson dort spielen, man stelle sich vor. Ich werde mir das wohl vielleicht auch nicht entgehen lassen können dürfen.
Ob ich im Docks mal an die Decke geschaut habe? Ich wurde praktisch unter der Decke des Docks gematrixt. Leda & A. bei Iggy Pop war übrigens auch da. Traue mich kaum zu sagen, daß ich sogar bei der Straßenschlacht anläßlich des Kings of Independence-Festivals dabei war, wo dann so um 3 Uhr morgens Crime & The City Solution und so um 5 Uhr morgens Nick Cave mit den Bad Seeds irgendwie doch noch aus der Tiefe eines sehr dunklen Raums kamen. Das war so zu der Zeit, wo wir möglicherweise zur selben Zeit bei „Endstation Sehnsucht“ waren, als Sie Blanche so unendlich faszinierend fanden. Me too.
Leider vergaß ich, Sie zu fragen, wie lange Sie Holmes entbehren können.
Noch ein wenig Trakl für den Weg:
Es ist niemand im Haus. Herbst in Zimmern; Mondeshelle Sonate Und das Erwachen am Saum des dämmernden Walds.
Immer denkst du das weiße Antlitz des Menschen Ferne dem Getümmel der Zeit; Über ein Träumendes neigt sich gerne grünes Gezweig,
Kreuz und Abend; Umfängt den Tönenden mit purpurnen Armen sein Stern, Der zu unbewohnten Fenstern hinaufsteigt.
Also zittert im Dunkel der Fremdling, Da er leise die Lider über ein Menschliches aufhebt, Das ferne ist; die Silberstimme des Windes im Hausflur.
Solange, wie Sie ihn brauchen, Holmes. Weihnachten war doch schon ein guter Richtwert, zum Adventskalenderabschlußfest. :) Ich wende mich indes dem zweiten Teil zu.
Danke für den Trakl. Er steigt morgen mit mir in den Zug. In 8 Stunden durch Deutschland mit Trakl, Schopenhauer und Beauvoirs Briefe an Nelson Algren. Eine gute Zeit und Gruß an Herrn Cave!
St.-Peters-Friedhof
Ringsum ist Felseneinsamkeit. Des Todes bleiche Blumen schauern Auf Gräbern, die im Dunkel trauern – Doch diese Trauer hat kein Leid.
Der Himmel lächelt still herab In diesen traumverschlossenen Garten, Wo stille Pilger seiner warten. Es wacht das Kreuz auf jedem Grab.
Die Kirche ragt wie ein Gebet Vor einem Bilde ewiger Gnaden, Manch Licht brennt unter den Arkaden, Das stumm für arme Seelen fleht –
Indes die Baume blüh’n zur Nacht, Daß sich des Todes Antlitz hülle In ihrer Schönheit schimmernde Fülle, Die Tote tiefer träumen macht.
Wolfenbüttel: im Innenhof des Schlosses, Herzog August Bibliothek, Lessinghaus (Lessing wohnte dort von 1777 bis 1781).
[Geschrieben in die Kommentarsektion auf Antirationalistischer Block zum Artikel >Interview Literatur-Feder Magazin< im April / Mai 2012.]
Jörn Bünning:
„Zu dem, was uns als Antwort vorgelegt wird, keine neue Fragen finden, das ist der eigentliche Elfenbeinturm.“
Dabei stellt sich mir zuweilen die Frage, ob wir angesichts der Fülle gegenwärtiger Antworten bereits übersättigt in die Tiefkühlhallen des Geistes geraten sind.
Das „Aufladen mit Bedeutungen“ ist unseres Geistes liebste Passion, magisches Denken, sein stärkstes Mittel gegen Sinnverlust. Um die Magie des Rationalen zu entwickeln, bedarf es feiner Künstlerhände. Die Kindheit, als eine Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat, feiert ihre Auferstehung in der Liebe. Allein sie hat Bedeutung. Kein Wunder also, dass Aljoscha nicht daran vorbei kommt.
Christian Erdmann:
Thanks JB, in Heinrich Manns „Professor Unrat“ gibt es irgendwo den Satz: Wissenschaft und Kunst kommen allemal aus demselben Käsegeschäft. Tun sie nämlich. :) Geschichtenerzähler at work, nur daß Wissenschaftler leugnen, daß sie storyteller sind, selbst wenn sie wissen, daß, sagen wir, auch die Physik bestenfalls einen minimalen Ausschnitt erklärt, und immer noch nur so, wie eben für Menschen die Physik etwas erklären kann. Der Mann, der auf dem Weg zu einer Lesung aus seinem Buch „Es gibt keinen Weg, nur Gehen“ von einem Auto überfahren wurde, meinte mal, Wissenschaftler gebrauchen das Wort „wissenschaftlich“ exakt so wie afrikanische Medizinmänner einen Fetisch.
Mit jeder neuen Antwort 10 neue Fragen = wir werden immer dümmer, je mehr wir wissen. Wir werden natürlich auch immer dümmer, indem wir immer dümmer werden, klar. :) Wenn man z.B. dummerweise beim Zappen den Auftritt einer Gesangscombo namens Wise Guys auf dem Kirchentag gesehen hat, wird einem schlagartig klar: dies ist die flachköpfigste, gedankenloseste, idiotischste, albernste Phase des Christentums ever. Und ich denke mir, das muß ein Christ genauso sehen wie der Antichrist, aber warum sieht das niemand außer mir? :)
Bei mir überwiegen also eindeutig noch die Fragen, in einer Welt, in der Unerschrockene wie Du in Lyrikthreads an die Hüter der „sprachlichen Richtigkeit“ Sätze richten müssen wie: Poesie unterliegt nicht den üblichen semantischen Grenzen des Sprachgebrauches. Ich hätte mich, wäre ich noch da, mit einem geröchelten „Nichts lärmt hier so dissonant wie Ihre Scheinbescheidenheit!“ selbst entleibt.
And love? Will tear us apart, again.
Jörn Bünning:
Love? Will tear us apart to bring us together. :)
Wie wir das menschliche Streben in Wollen und Können unterscheiden, so lässt sich wohl auch die Dummheit von der Unwissenheit trennen; letztere ist unserem Unvermögen geschuldet, nicht aber unserem Unwillen.
Bleiben wir zwar stets im selben Käseladen, so versucht sich die Wissenschaft in einer systematischen Erweiterung der Unwissenheit; was ohne Kreativität so unmöglich ist wie die Schriftstellerei oder jede andere künstlerische Betätigung. Letztlich geht es nie ohne Kreativität, was nur von Menschen geleugnet wird, die sich zeitlebens nicht von den Bürgersteigen herunter getraut haben.
Aber es gibt, wie Du längst weißt, Leben jenseits der Bordsteinkanten und Du kannst stolz auf Dich sein, wenn Deine Neugier die Angst besiegen konnte. Allerdings wirst Du auch nach vielen gescheiterten Mühen feststellen müssen, dass Du selbst die Opfergabe auf dem Altar Deiner Werke bist.
„Hochwürden, ich habe meinen Glauben verloren.“
„Das ist keine Schande mein Sohn – auch ich habe lange mit mir gerungen, bis ich zu Gott gefunden habe.“
„Gott? Ich rede von den Menschen.“
Paganini’s:
Aber „gescheiterte Mühen“ sind auch eine Frage der Definition. Und Hingabe ist kein Synonym für Selbst-Opferung. Manchmal ganz im Gegenteil!
Christian Erdmann:
Ich will jetzt nicht nochmal Zizek bemühen, der mal sagte, daß jeder Erfolg im Grunde aus einem Scheitern entsteht. Will mich auch nicht daran erinnern, daß ein guter Freund einmal vor einer kleinen Gallerie von Porträts in meinem Zimmer – unter ihnen Rimbaud – bemerkte, eigentlich hätte ich da Bilder von Gescheiterten an der Wand. Ich bin immun gegen die Behauptung, daß Rimbaud oder Lautréamont, der mit 24 verhungert ist, „Gescheiterte“ sind, jede Zeile von ihnen ist der Gegenbeweis.
Gewiß kann man fragen, was konnten sie sich dafür kaufen, warum diese Opferung auf dem Altar ihrer Werke? Kann nur sagen, was die Dame sagt: diese Art von Hingabe ist keine Selbst-Opferung, sie ist Selbst-Schöpfung.
Fand übrigens erschütternd, wie zuletzt in der Debatte ums Urheberrecht auf SPON erneut eine beträchtliche Reihe von (insert nietzscheanischen Unterton here) Deutschen die Gelegenheit ergriff, künstlerisches Schaffen überhaupt zu diskreditieren, Hintergedanke jetzt offenbar: wozu überhaupt groß Geld ausgeben dafür. Eine Gegenstimme: „Ist schon seltsam, wir sind nicht systemrelevant – aber alle Welt will unseren Mist für lau oder ganz umsonst?“ Ja, seltsam. Eine zweite Gegenstimme: „Die künstlerische Leistung soll allgemein klein geredet werden, damit man die Enteignung der Kreativen besser vor sich und anderen rechtfertigen kann. Denn klar ist, was nichts wert ist, das soll auch nichts kosten und das muss man auch nicht schützen.“
Natürlich gibt es Unmengen von Schrott, der wertlos und zynisch (zynisch unter dem Aspekt: wie und warum produziert) langsam auch den Willen zu lähmen scheint, dem Großartigen auf den Fersen zu bleiben. Das immer noch zuhauf existiert und immer noch genau so entsteht, wie es immer entstanden ist. Nick Cave 1990, nachdem „And The Ass Saw The Angel“ erschienen war: wenn man ein Buch geschrieben hat, ändert sich alles. „Man weiß dann nämlich, wie alleine man sein muß, wenn man es schreibt, wieviel Konzentration man aufbringen muß, und welche Massen an Vertrauen in und Überzeugung von sich man haben, welche harte Arbeit man bewältigen muß. Und all das zu wissen, bevor man anfängt, macht es wirklich schwierig, ein zweites zu beginnen. Es ist kein einfacher Job.“
Was wissen wir schon von den Glücksmomenten eines Trakl. Trakl hauste, wie Walter Muschg sagte, in auswegloser Verdammnis. Er ist ja beileibe nicht der einzige in jener Zeit, für den „Verfall“ ein Beherrschendes ist, aber er scheint es als seinen Auftrag, seine Mission empfunden zu haben, einzudringen in das Wesen des Verfalls, sich dem Verfall gleichzumachen.
Aber es gibt einen Brief von ihm an seine Schwester Minna (Mia), in dem es heißt:
„… Vorbei! Heute ist diese Vision der Wirklichkeit wieder in nichts versunken, ferne sind mir die Dinge, ferner noch ihre Stimme, und ich lausche, ganz beseeltes Ohr, wieder auf die Melodien, die in mir sind, und mein beschwingtes Auge träumt wieder seine Bilder, die schöner sind als alle Wirklichkeit! Ich bin bei mir, bin meine Welt! Meine ganze schöne Welt, voll unendlichen Wohllauts.“
Das sind Beschreibungen von Glück.
Von einem Dichter, der unabdingbar zu sich, seinem Schicksal, seiner eigenen Ausdruckswelt findet.
Bob Dylan in „No Direction Home“: „Happy? Anybody can be happy. What’s the purpose of that?“
Jörn Bünning::
Aber so hatte ich es ja auch gemeint, meine Dame, mein Herr! Nicht als Warnung, vielmehr als Verheißung.
Selbstopferung bedeutet (mir) nicht Zer-Störung des Selbst zugunsten einer vor-gesetzten Aufgabe, sondern bedingungslose Opferung an (!) ein Selbst.
Happiness ist eine Eselsmöhre, als Künstler wirst Du den Stolz und den Schmerz kosten können.
> Gegen Ende Oktober trifft plötzlich bei Ficker eine unheilvolle Nachricht aus Krakau ein. Die Karte trägt den Ortsvermerk: Garnisonsspital Nr. 15, Abt. 5.
„Verehrter Freund! Ich bin seit fünf Tagen hier im Garnisonsspital zur Beobachtung meines Geisteszustandes. Meine Gesundheit ist wohl etwas angegriffen und ich verfalle recht oft in eine unsägliche Traurigkeit. Hoffentlich sind diese Tage der Niedergeschlagenheit bald vorüber. Die schönsten Grüße an Ihre Frau und Ihre Kinder. Bitte telegraphieren Sie mir einige Worte. Ich wäre so froh, von Ihnen Nachricht zu bekommen…“
„Auf diese Karte hin“, so sagte Ficker später, „aus der hervorging, daß kein einziger der Freundesgrüße Trakl im Felde erreicht hatte, reiste ich nach Krakau.“
Ficker hat in seinem Erinnerungsbuch jenen zweitägigen Besuch (25. und 26. Oktober 1914) mit aller Genauigkeit geschildert. Es stellte sich in Gesprächen mit dem Patienten (oder als solchen Behandelten) heraus, daß er unter den Nachwirkungen eines schweren, an der Front erlittenen Schocks einen von Kameraden vereitelten Selbstmordversuch unternommen und vierzehn Tage danach – eben in Limanowa – die Abkommandierung ins Krakauer Garnisonsspital erhalten hatte; nicht etwa zur Dienstleistung als Apotheker, wie er zuerst annahm, sondern zur Beobachtung seines Geisteszustandes.
In der Schlacht um Gródek war Trakls Sanitätskolonne zum ersten Male eingesetzt worden. Ohne ärztlichen Beistand mußte er in einer Scheune, nahe dem Rynek, dem großen Markt, an die hundert Schwerverwundete betreuen. Zwei Tage und zwei Nächte hörte er nichts als das Stöhnen und Jammern der Gemarterten. Immer wieder wurde er von dem oder jenem angefleht, der Qual doch ein Ende zu machen. Einer, den ein Schuß in die Blase getroffen, jagte sich vor Trakls Augen eine Kugel durch den Kopf – blutige Gehirnteile klebten an der Wand. Da wurde ihm schwarz vor den Augen, und er eilte ins Freie; doch dort ragten kahle, gespenstische Bäume in den Himmel und an jedem schaukelte ein Gehenkter – Ruthenen, die als Spione oder Russophile hingerichtet worden waren; wie man Trakl erzählte, hatte der zuletzt an die Reihe Gekommene sich selber den Strick um den Hals gelegt.
Auf dem Rückzug, beim Nachtmahl in einem Dorf, sprang der von den Gesichten dieses Infernos Gepeinigte plötzlich auf und stürzte mit den Worten, er könne so nicht mehr weiterleben, hinaus; Kameraden entwanden ihm die Waffe. „Ich fürchte“, sagte er nun zu Ficker, „wegen jenes Vorfalls vor ein Kriegsgericht gestellt und hingerichtet zu werden. Verzagtheit, wissen Sie, Mutlosigkeit vor dem Feind. Ich muß darauf gefaßt sein.“ Und er beharrte bei dieser Wahnidee – die Atmosphäre war auch zu bedrohlich, zu unheimlich. Sein Zimmer, im Erdgeschoß des Psychiatrie-Traktes gelegen, glich einer Gefängniszelle. Er fühlte sich nicht als Patient, sondern als Delinquent. Aus den oberen Stockwerken drangen die Schreie der Irren. Und der Zimmergenosse, ein an Delirium tremens leidender Leutnant von den Windischgrätz-Dragonern, machte das alles noch unerträglicher. Die einzige ihm nahe Seele war sein Bursche Mathias Roth, ein Bergarbeiter aus Hallstadt. Der schlief jede Nacht am Fußende seines Bettes auf dem Fußboden.
Wie sich zeigte, waren Trakls neurotische Ängste nicht ganz unbegründet. Der Spitalskommandant, ein tschechischer Oberstabsarzt namens Nikolaus Toman, verhielt sich zugeknöpft, als Ficker um die Herausgabe des Patienten bat. Und der Assistenzarzt, ein Pole, der Trakl unter Beobachtung hatte, erklärte sich für diesen Fall von „Genie und Irrsinn“ besonders zu interessieren, hatte er doch bei der Briefzensur Verse des Dichters gelesen, die ihm nicht geheuer vorgekommen waren.
Am nächsten Tag ist Trakl apathisch, in sich gekehrt. „Wollen Sie hören, was ich im Feld geschrieben – es ist blutwenig.“ Und er liest, auf dem Eisenbett liegend, während der Windischgrätz-Dragoner sich ungehalten und gelangweilt in seinem Bett der Wand zukehrt, dem Freund zwei erschütternde Gedichte vor: Klage und Grodek. Dann greift er nach einem Reclam-Bändchen – Dichtungen von Johann Christian Günther, dem „wilden“ Günther – und spricht mit leiser, eindringlicher Stimme ein paar der tiefpessimistischen Strophen dieses genialen Barocklyrikers, der ihm in der Lebenstragik ähnelte und jung starb.
Beklommen verabschiedet sich Ficker, denn er hatte herausbekommen, daß Trakl tödliche Gifte bei sich verborgen hielt. Ficker spricht ihm Trost zu; er werde sogleich von Wien aus seine Versetzung nach Innsbruck ins Werk setzen. Als er mit einem „Auf baldiges Wiedersehen“ von dem Freunde scheidet, liegt dieser regungslos, entgegnet kein Wort. „Sah mich nur an. Sah mir noch nach… Nie werde ich diesen Blick vergessen.“
In Innsbruck treffen noch zwei (vom 27. Oktober datierte) Briefe Trakls und eine Feldpostkarte ein. Dem einen Brief liegt – neben der verbesserten Anfangsstrophe des Sonetts Traum des Bösen – die neue vierstrophige Fassung des ursprünglich sechsstrophigen Gedichts Menschliches Elend von 1911 bei; Trakl hatte den Titel in Menschliche Trauer umgeändert. Merkwürdigerweise wurde diese zweite und endgültige, um vieles stärkere Fassung, in der sich das gewaltige, aus der Irrsinnsatmosphäre des galizischen Schlachthauses empfangene Bild findet: Es scheint, man hört der Fledermäuse Schrei / Im Garten einen Sarg zusammenzimmern, erst in die vierte Auflage (1939) der Dichtungen aufgenommen.
Der zweite Brief enthält die Sätze: „Seit Ihrem Besuch im Spital ist mir doppelt traurig zu Mute. Ich fühle mich fast schon jenseits der Welt.“ Zwei Gedichte sind beigeschlossen – die letzten von Trakls Hand, in einer nun letztverbindlichen Fassung:
Klage
Schlaf und Tod, die düstern Adler
Umrauschen nachtlang dieses Haupt:
Des Menschen goldnes Bildnis
Verschlänge die eisige Woge
Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen
Zerschellt der purpurne Leib
Und es klagt die dunkle Stimme
Über dem Meer.
Schwester stürmischer Schwermut
Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt
Unter Sternen,
Dem schweigenden Antlitz der Nacht.
Grodek
Am Abend tönen die herbstlichen Wälder
Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen
Und blauen Seen, darüber die Sonne
Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht
Sterbende Krieger, die wilde Klage
Ihrer zerbrochenen Münder.
Doch stille sammelt im Weidengrund
Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt,
Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle;
Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.
Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen
Es schwankt der Schwester Schatten durch den
schweigenden Hain,
Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;
Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.
O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre,
Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein
gewaltiger Schmerz.
Die ungebornen Enkel.
Auffällig ist, daß Trakl das Gedicht Klage zur Gänze und von Grodek die ersten sechs Zeilen in der Lateinschrift seiner Jugendzeit (mit Bleistift) aufgezeichnet hatte. Vielleicht, um mit der schwerer leserlichen Kurrentschrift bei den Beamten der Militärzensur, die oft Nichtdeutsche waren, keine Unannehmlichkeiten zu haben.
Die Feldpostkarte, gleichfalls nicht datiert, hatte Trakl vor Fickers Besuch geschrieben; dieser erinnerte sich, daß der Dichter sie ihm zum Lesen gegeben hatte: „Da ich bis heute noch kein Lebenszeichen erhalten habe nehme ich an, daß Sie meine Feldpostkarten nicht erhalten haben. Ich verlasse nach vierzehntägigem Aufenthalt im hiesigen Garnisonsspital Krakau. Wohin ich komme, weiß ich noch nicht. Meine neue Adresse will ich Ihnen baldmöglichst mitteilen.“ – Was konnte Trakl veranlaßt haben, sie abzuschicken? Betroffen drehte Ficker die Karte um. Da stand von fremder Hand und mit unleserlicher Unterschrift: „Herr Trakl ist im Garnisonsspital Krakau eines plötzlichen Todes (Lähmung?) gestorben. Ich war sein Zimmernachbar.“
Die Karte trug den Poststempel Prag – 9. 11. 1914.
Auf eine Anfrage nach den näheren Umständen von Trakls Tod – Georgs Halbbruder Wilhelm hatte sie an das Garnisonsspital in Krakau gerichtet – kam von dort die folgende Auskunft zurück:
„… wird Ihnen mitgeteilt, daß Ihr Bruder Medik.-Akzessist Georg Trakl im hiesigen Spitale wegen Geistesstörung (Dement. praec.) in Behandlung stand, am 2. November nachts einen Selbstmordversuch durch Kokainvergiftung (das Medikament hat er wahrscheinlich von der Feldapotheke, wo er früher tätig war, mitgebracht und so aufbewahrt, daß trotz sorgfältiger Untersuchung bei ihm nichts gefunden wurde) unternommen hat und trotz aller möglichen ärztlichen Hilfe nicht mehr gerettet werden konnte. Derselbe starb am 3. November um 9 Uhr abends und wurde im hiesigen Rakoviczer Friedhofe beerdigt. Krakau, am 15. November 1914. Dr . . . (Stabsarzt).“ <
[Otto Basil: Georg Trakl, Reinbek bei Hamburg, 19. Auflage April 2010, 149 ff.]
18.08.2019
Wir verlassen den hiesigen Rakoviczer Friedhof, nehmen den Bus bis Nowy Kleparz und sind nach nur wenigen Schritten in der Wroclawska. Neben dem Eingang zum Militärhospital wurde an der Mauer eine Gedenktafel angebracht:
Früher, stiller Sonntagnachmittag, auf dem Gelände des alten Garnisonsspitals wagen wir uns vor, bis ein Schild dieses Gebäude als psychiatryczny-Abteilung ausweist. Wir deduzieren also: this must be the place.
Ludwig Wittgenstein, der ebenfalls in Galizien eingesetzt war, traf erst drei Tage nach Trakls Tod in Krakau ein, hatte aber später die genaue Lage des Grabes auf dem Rakowicki-Friedhof recherchieren können: „Exhibit Nummer 3570“, „Gruppe XXIII. Reihe 13 Grab N° 45“. Ludwig von Ficker ließ 1925 die sterblichen Überreste Trakls auf den Mühlauer Friedhof bei Innsbruck überführen.
Vorbei am Blauen Haus („Helmut! Schon wach?“), vorbei am Haus, in dem Alexander von Humboldt von Oktober 1797 bis April 1798 „wohnte und arbeitete vor seiner Weltreise“, will sagen, er klettert bei Eis und Schnee auf die Berge der Umgebung, erprobt seine Instrumente und macht mit diesem Treiben auf die Einheimischen einen sehr wunderlichen Eindruck.
Vorbei an Friedrich und Nietzsche,
und in den Dom mit seiner Schar sehr konturierter Engel.
Zwei Wochen lang im Dom ausgestellt: Eine Pietà, die bei einem Kirchenbrand stark beschädigt und von dem Künstler Stefan W. Knor bearbeitet wurde.
Der Barockdom hatte zwei mittelalterliche Vorgänger: der unter dem heiligen Virgil errichtete, 774 geweihte Dom, der 1167 niederbrannte, und ein unter Erzbischof Konrad III. (1177-1183) errichteter, gewaltiger romanischer Neubau in Form einer fünfschiffigen Kreuzbasilika. Der Konradinische Dom hat im Laufe seiner Geschichte mehrfach gebrannt; als 1598 erneut ein Brand die Kirche beschädigte, ließ Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau den damals größten mittelalterlichen Sakralbau nördlich der Alpen dem Erdboden gleichmachen. Bischofsgräber wurden ausgehoben, Grabplatten zerschmettert, die romanisch-gotische Ausstattung in die Salzach geworfen. Es ging das Gerücht, daß Wolf Dietrich den Brand, der im Oratorium seiner Geliebten Salome Alt ausgebrochen war, selbst gelegt hatte. Die weichere Variante erscheint in Wolf Dietrichs überliefertem Ausspruch: „Brennet es, so lasset es brennen.“ 1612 wurde das Projekt durch Wolf Dietrichs Entmachtung und Gefangensetzung unterbrochen; Wolf Dietrichs Nachfolger Markus Sittikus engagierte als Baumeister den Italiener Santino Solari. Die Domweihe unter Erzbischof Paris Lodron 1628, mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, war ein achttägiges Fest.
Am 28. Januar 1756 um 11 Uhr vormittags wird Wolfgang Amadeus Mozart über dieses Taufbecken aus dem 14. Jhdt. gehalten, das noch aus dem Konradinischen Dom stammt. Löwen aus dem 12. Jhdt.
Nach dem Bombentreffer im 2. Weltkrieg wurden bei den Aufräumarbeiten Mauer- und Säulenreste der beiden Vorgängerdome gefunden. 1957 – 1959 wurde eine begehbare Unterkirche geschaffen. Seit 1619 – dem Todesjahr des Markus Sittikus, dem Bauherr des Doms – diente dieser Ort als Grabstätte der Salzburger Erzbischöfe, die Grüfte waren aber nur vom Boden des Doms aus zu öffnen.
Wir gehen also Paris Lodron & Co besuchen, aber man kann mit dem Bösen wirklich nirgendwo hingehen, ohne daß es durchsichtige Schatten wirft. Mit Eigenleben wie in Dreyers „Vampyr“.
Auch die Chorkrypta des 1598 abgebrochenen romanischen Doms, beim Bau des Barockdoms zugemauert und zugeschüttet, wurde Ende der 1950er Jahre freigelegt, war aber lange Zeit nicht vom Dom aus zugänglich. Seit 2009 ist sie wieder erreichbar. Der französische Künstler Christian Boltanski hat in der alten konradinischen Krypta unter dem Titel „Vanitas“ ein Schattenspiel inszeniert: Kerzen werfen die Schatten kleiner Metallfiguren als Danse Macabre an die Wand, ein Todesengel zieht als Lichtprojektion durch die Krypta, eine automatische Stimme liefert mit unaufhörlicher Zeitansage den „Countdown der Ewigkeit“.
In der Domkrypta findet Freddie es doch irritierend, daß Touristen aus Asien ihn aufmerksam studieren, weil sie ihn für einen Teil der „Vanitas“-Installation halten.
Aufstieg zu den Emporenräumen, in denen das Dommuseum untergebracht ist. Zu bewundern dort u.a. das 1,5 m hohe Rupertuskreuz, das der aus Irland stammende Virgil im 8. Jahrhundert vermutlich aus Südengland mitbrachte. Angeblich lag es für lange Zeit in einer Rumpelkiste auf dem Dachboden der Kirche von Bischofshofen. Phantastisch die emailgeschmückte Hostientaube aus Limoges, gefertigt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert. Limoges hatte sich im 12. Jahrhundert zu einem Zentrum für herausragende Emailkunst entwickelt, „Hostientauben“, eine Spezialität der Werkstätten von Limoges, hingen an Ketten über dem Altar.
Phantastisch auch die „Versuchung des hl. Antonius“ (um 1500/1510) eines Nachfolgers des Hieronymus Bosch, die Bosch fast überboscht.
Mittlerweile haben wir gelernt, die Erzbischöfe zu sondieren, Max Gandolf von Kuenburg ist Gandolf der Geschmacklose, nicht nur, weil er ein eifriger Hexenverbrenner war. Eine Reisegarnitur des eisernen Sparfuchses Colloredo erinnert daran, wie in Formans „Amadeus“ ebendieser Colloredo von Mozart sagt: „He’s an unprincipled, spoiled, conceited brat!“ Die Pretiosenmonstranz hat 1792 Diamanten, Vitus wird im Ölkessel gekocht, und auch dort oben, im Dommuseum, wo man den schwarzen Linien ganz nah ist, stellt man sich vor, wie das üppige Stuckdekor im gesamten Dom entstanden ist. Wie der Erzbischof nach oben schaute und sagte: „Man sieht es nicht so recht. Es ist nicht so recht plastisch.“ Und Bassarino sagte: „Plastisch? Doch, Hochwürden, dochdoch… durchaus.“ Und der Erzbischof sagte: „Man könnte… “ Ein schwerwiegendes, dramatisches „Man könnte“. Denn nun begann das Nachmalen von Konturen und Vertiefungen des Stuck-Ornaments mit schwarzer Farbe, das hundert Mann zwei Jahre oder zwei Mann hundert Jahre beschäftigt haben muß. Es ist das Werk des Italieners Giuseppe Bassarino und seiner Helfer.
Auf der West-Empore
Über die Empore vom Dommuseum zu einer Ausstellung von Grafikserien, Gemälden und Lithographien von Georg Pezolt, „Ein Traum von einer Stadt“. Pezolt verfügte über „ein reiches Wissen der Kunstgeschichte Salzburgs“ (Salzburger Zeitung, 1878) und wurde 1865 ehrenamtlicher Denkmalpfleger für Salzburg. Von dort aus zur Kunst- und Wunderkammer, die in Nachahmung der Kunst- und Exotikasammlungen des sternguckerischen, mystisch angehauchten Rudolf II. von Habsburg (Prag) entstanden ist, Naturalien und Kuriositäten, die von der unermeßlichen Phantasie des Weltenschöpfers künden sollten, aber auch „artificialia“ wie geschliffene Bergkristalle, wissenschaftliche Geräte und anderes Menschenwerk, das nicht minder zur Verbildlichung des Kosmos gehörte.
Auf dem Weg nach unten spricht eine Museumsangestellte Madame an: „Ich bewundere Ihre Tasche! Sind Sie selbst Designerin?“. Unten, im kleinen Dom-Shop, als wir ein paar Postkarten bezahlen, seufzt & haucht die ältere Dame an der Cassa: „Der Wolf Dietrich… “ Bei Salzburgs Damenwelt offenbar immer noch The Man, der Wolf Dietrich.
Auch auf dem Weg zum Café Fürst (gegr. 1884) kein vermummter Helmut Berger. Noch geben wir nicht auf. Sachertorte und Verlängerten. Trakl stand einmal, wie Spoerri und Basil berichten, während der Fastnachtszeit plötzlich aus dem Café Tomaselli auf, um den Huren in der Judengasse Krapfen zu bringen. Madame hält mich davon ab, aus dem Fürst aufzustehen und den Huren in der Judengasse Sachertorte zu bringen. „Da sind keine mehr.“ – „Aber das ist der Georgsweg, mein Gott.“
Das Salzburg Museum in der Neuen Residenz. Ein Fragment vom Beschlag des Rupertuskreuzes, dessen Fund im Estrich der Pfarrkirche Bischofshofen nahelegt, daß Virgil das Kreuz nicht für Salzburg, sondern für die Kirche der Maximilianszelle in Bischofshofen mitgebracht hat. Zwischen Viernageltypus der Romanik und Dreinageltypus der Gotik lernt man, was Bauarbeiter in Salzburg so finden: z.B. in der Judengasse No. 10, im Jahre 1978, mehr als 28.000 Münzen und Schmuck aus Edelmetall. Oder das Fragment der Scheibe einer astronomischen Uhr, römisch, 1. oder 2. Jh., in der Linzer Gasse. Wir hören Lieder des Mönchs von Salzburg (14. Jh.), bewundern den Helm vom Pass Lueg, 13. Jhdt. v.Chr., der als Vorbild für das Gauloises-Logo diente, Prager Groschen aus der Münzstätte Kutna Hora, ein Richtschwert mit Sinnspruch, und lauschen der Metaphysik des Salzburger Seins according to Helmut Qualtinger. Und erwerben dieses alte Würfelspiel, das eigentlich Eulenspiel hieß, das aber Mozartspiel heißt, weil es zu den Vergnügungen im Hause Mozart gehörte und weil man dabei zwangsläufig das Lachen aus „Amadeus“ hört.
Favourite Saints im Salzburg Museum: eine heilige Elisabeth, um 1510 / 1520
Eine heilige Barbara und eine heilige Katharina, um 1490, a touch of Gustave Moreau.
Favourite Angel:
Oder wenn er an der frierenden Hand der Mutter
Abends über Sankt Peters herbstlichen Friedhof ging
Ein zarter Leichnam stille im Dunkel der Kammer lag
Und jener die kalten Lider über ihn aufhob.
Georg Trakl, Sebastian im Traum
Ein riesiger schwarzer Käfer, der auf dem Weg sitzt und an einer Beere lutscht, empfängt uns auf dem Friedhof von St. Peter. Seit der Gründung der Abtei St. Peter um 700 war der Friedhof den Benediktinern des Klosters vorbehalten, aber schon zu Zeiten der Völkerwanderung gab es am Felsen des Mönchsberges eine Begräbnisstätte. Tote werden hier seit mehr als 1300 Jahren bestattet. Der älteste erhaltene Grabstein dieses Friedhofs stammt aus dem Jahr 1288. Bestattet sind hier der Dombaumeister Santino Solari, Michael Haydn und das Nannerl, Mozarts Schwester.
Die in die Felseneinsamkeit ringsum geschlagenen Gänge und Hallen der „Katakomben“ sind frühchristlich-spätantiken Ursprungs, ihre Entstehung geht auf das 3. und 4. Jahrhundert zurück.
In einem als pdf-Dokument im www auffindbaren, mit Schreibmaschine verfaßten Schriftstück des landesmuseum.at, das Auskunft gibt über die Schenkungen an das Salzburger Haus der Natur und die Liste der Spender im Jahre 1950, ist zu lesen:
„38.) Französische Aussenministerium – Ministère des Affaires Etrangères (Direction Générale des Relations Culturelles), Paris, stellt uns durch Vermittlung der Frau Marquise Peyrebere de Guilloutet, Délégue de l’action Artistique, eine ausgezeichnete 16 mm Tonfilmapparatur Marke „Débrie“ Type MB 15, zur Verfügung. Dieses ausserordentliche Entgegenkommen ist ein neuerlicher Beweis der internationalen Anerkennung unserer Bestrebungen. Leider steht in einem gewissen Gegensatz dazu die ungeheuere Schwierigkeit, die uns seitens der österreichischen Behörden wegen der Einfuhr dieser Apparatur bereitet wird.“
Rest in Peace, Madame la Marquise.
Freitag, 09.09.2011
Zum Bahnhof, die Fahrkarten nach Cesky Krumlov besorgt, auf dem Weg zurück wandern wir noch einmal durch Mirabell zur Evangelischen Christuskirche, vor der Gedichttafel ist Baustelle, Betreten Verboten, ich betrete trotzdem, frage einen Bauarbeiter, „Johfreylich“ sagt der. Im Pfarrhaus nebenan hatte Georg Trakl während seiner Schulzeit zweimal wöchentlich Religionsunterricht.
Dreifaltigkeitskirche am Makartplatz, Fischer von Erlachs perfektes Längsoval, elegante Engel an den Seitenaltären.
Vorhallengitter aus der Entstehungszeit der Kirche (1694 – 1702) mit dem Wappen von Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun, der die Dreifaltigkeitskirche bauen ließ.
An der Kirchentür
Dann im Mozart-Wohnhaus, dem „Tanzmeisterhaus“ am Makartplatz, damals noch Hannibalplatz. Im „Tanzmeistersaal“, wo jetzt das bekannte Familienbild von della Croce hängt, hatte man früher junge Adelige in höfisches Zeremoniell, Tanz und Anstandsregeln eingewiesen. Eine geräumige 8-Zimmer-Wohnung, die beim Auszug aus der Getreidegasse im Herbst 1773 Leopold Mozarts Problem „Zum Exempel: wo wird dann meine Tochter schlaffen? Wo wird der Wolfgang sein Quartier aufschlagen? Wo werd ich für ihn einen besonderen Platz zum studieren und seiner Arbeit, deren er vielerley haben wird, finden? und wo bleib ich?“ löste.
Zwischen 1773 und 1780 schrieb Amadeus in diesem Haus über 150 Werke, bevor er Anfang 1781 nach Wien zog. Schikaneder war hier oft zu Gast, man traf sich mit Hofmusikern. Das Tanzmeister-Mitzerl, von dem Mozart schreibt, „mir beständig in ihrer reizenden negligée vor augen“ – war keine Geliebte: Mitzerl, Anna Maria Raab, die Vermieterin, war 46 Jahre älter als Mozart. Im Garten erfreute man sich des Kegelspiels und des Schießens auf lustig bemalte Scheiben, die Bölzlscheiben, von denen drei zu sehen sind. Wolfgang und Nannerl üben sich darin u.a. mit dem Gilowsky-Catterl, Katharina, einer Tochter des Hofchirurgen Wenzel Andreas Gilowsky von Urazowa. Katharina war eine besonders enge Freundin Nannerls.
Zu sehen ein Hammerflügel Mozarts, von dem es heißt: „Dieses Instrument wurde bei den zahlreichen Konzerten Mozarts in Wien verwendet“, die Untertasten schwarz, die Obertasten weiß. Auch der Originalbrief, aus dem Prager Bertramka bekannt: „Nach einer jeden Aria war alzeit ein erschrökliches getös mit glatschen und viva Maestro schreyen.“ Im Brief an den Lehrer und Geistlichen Bullinger kritzelt Wolfgang Amadeus sehr viel weniger, schreibt sehr akkurat. Eine Silhouette vom Nannerl – makes her very beautiful. Ein small cabinet aus dem Besitz Leopolds, der in diesem Haus 1787 verstirbt. Am Ende ein Film über die Mozarts, über ihre exzessiven Reisen; Wolferl hat ziemlich genau ein Drittel seines Lebens auf Reisen verbracht. „Man sagt gar, diese Mozärtische Familie wird in das China reisen.“ Über Theaterintrigen ärgert sich Leopold so, „dass man Pomeranzen scheißen möchte.“
„Als Wolfgang die Lage der Mutter begreift, ist es zu spät.“
„Ich möchte alles haben, was gut, ächt und schön ist!“ – W.A.M.
Im Cafe Classic direkt vor Mozarts Wohnhaus Rührei mit Schinken, Stiegl und… Kürbiscremesuppe. „Paßt alles?“ Und wie.
Madame erwirbt einen Posamenterieverschluß bei Jos. Mayer, Rathausplatz, gegründet 1924. Wie habe ich als Kind diese ganzen Schränke und Schubladen in alten Modewaren-Geschäften geliebt.
In der Judengasse
Georg Trakl kam am 3. Februar 1887 in Salzburg als viertes Kind der Eheleute Tobias und Maria Trakl zur Welt, im Wohnhaus der Familie am Waagplatz Nr. 2, dem „Schaffnerhaus“.
Gegenüber dem Schaffnerhaus, am Waagplatz Nr. 3, eröffnete Tobias Trakl 1893 eine große Eisenhandlung, nachdem er das Haus käuflich erworben hatte. Die Firma bestand bis 1913. Das Geschäft hatte seine Hauptfront am Mozartplatz; es sind jene Lokalitäten, in denen später das Café Glockenspiel untergebracht war, heute Café Demel. Um die Ecke, an der Schmalfront Waagplatz mit dem Hauseingang, lagen die Magazine.
Das Haus Waagplatz Nr. 3 heute. Die Trakls bewohnten das weitläufige erste Stockwerk, eine Flucht von mehr als zehn Zimmern samt Nebenräumen. Links noch ein Stück vom weißen Vorbau des heutigen Cafés zu sehen; im Stockwerk darüber also lebte Georg Trakl, seit er 6 Jahre alt war, während seiner Schul- und Jugendzeit.
Im Geburtshaus Trakls, Waagplatz Nr. 2 (bzw. Nr. 1a), wurde 1973 die Trakl-Gedenkstätte eingerichtet; sie befindet sich in den Räumen der ehemaligen Wohnung im 1. Stock.
Im Eingang: Trakl-Porträt von Jean-Pierre Chambas
Ein Film über Trakls Leben und Werk, etwa 40 Minuten. Erstes Wort: Verfall. Der stille obstinate Spott in seiner Miene. „Seine Augen standen ganz fern.“ Ein Mädchenbild von Grete, Schwester stürmischer Schwermut. „Er will halten, was nie bleibt.“ (Buschbeck). Der Tag, der ihm zu deutlich geworden. Trakl im Badeanzug in Venedig. „Ich bin immer traurig, wenn ich glücklich bin! Ist das nicht merkwürdig!“ Blutschuld und dunkle Gifte.
Wir sind sechs, dort oben, nach dem Film war für Minuten Stille. In diesen Minuten begriff ich, daß ich Trakl mittlerweile wohl noch mehr liebe als Rimbaud, und was das heißt, weiß nur ich, Äonen nach Rimbaud-Entdeckung. Gesamt-Trakl zwar im Gepäck, aber ich erwarb den Nachdruck der Kurt Wolff Verlag-Ausgabe von 1913. Had to. Am Ende standen nur noch Birgit und ich mit der netten Dame, die die Führung macht, auf dem Balkon, um den Trakl-Zeilen zu lauschen, die durch die im Innenhof angebrachten Lautsprecher kommen, und ich erkannte Otto Sander. „Das ist Otto Sander, oder?“ Sie ging, um einen Zettel zu holen, auf dem sie aufgeschrieben hatte, wer die Lesenden sind, las mir die Reihenfolge vor. Ich fragte sie, wie Maria – die älteste Schwester, die ich immer am schönsten fand – die Eröffnung dieser Gedenkstätte, bei der sie ja noch zugegen war, wohl empfunden haben mag, aber die Frau sagte, Maria sei ja doch schon sehr betagt gewesen. Es war alles so bewegend, daß ich vergaß, im Hof „Die schöne Stadt“ zu suchen.
Eine Woche, bevor Trakl in der Nacht des 2. November 1914 an Kokainvergiftung stirbt, besucht Ludwig von Ficker Trakl im Garnisonsspital von Krakau. „Wollen Sie hören, was ich im Feld geschrieben – es ist blutwenig.“
Basil: „Und er liest, auf dem Eisenbett liegend, während der Windischgrätz-Dragoner sich ungehalten und gelangweilt in seinem Bett der Wand zukehrt, dem Freund zwei erschütternde Gedichte vor: Klage und Grodek. […] Beklommen verabschiedet sich Ficker, denn er hatte herausbekommen, daß Trakl tödliche Gifte bei sich verborgen hielt. Ficker spricht ihm Trost zu; er werde sogleich von Wien aus seine Versetzung nach Innsbruck ins Werk setzen. Als er mit einem „Auf baldiges Wiedersehen“ von dem Freunde scheidet, liegt dieser regungslos, entgegnet kein Wort. „Sah mich nur an. Sah mir noch nach … Nie werde ich diesen Blick vergessen.“
Trakls unheimliches Selbstportrait. Basil: „In Esterles Atelier soll nun, nach einer Mitteilung Fickers, Trakl den Pinsel ergriffen und sich so gemalt haben, wie er sich einmal, nachts aus dem Schlaf aufschreckend, im Spiegel gesehen hatte.“
Möbel und Erinnerungsstücke aus dem Familienbesitz
„Einfriedungen um das grenzenlos Wortlose“ – Rilke über Trakls Dichtungen.
Aus dem Trakl-Nachlaß von Erhard Buschbeck, dem Jugendfreund Georgs