Donnerstag, 08.09.2011
Vorbei am Blauen Haus („Helmut! Schon wach?“), vorbei am Haus, in dem Alexander von Humboldt von Oktober 1797 bis April 1798 „wohnte und arbeitete vor seiner Weltreise“, will sagen, er klettert bei Eis und Schnee auf die Berge der Umgebung, erprobt seine Instrumente und macht mit diesem Treiben auf die Einheimischen einen sehr wunderlichen Eindruck.
Vorbei an Friedrich und Nietzsche,

und in den Dom mit seiner Schar sehr konturierter Engel.

Zwei Wochen lang im Dom ausgestellt: Eine Pietà, die bei einem Kirchenbrand stark beschädigt und von dem Künstler Stefan W. Knor bearbeitet wurde.

Der Barockdom hatte zwei mittelalterliche Vorgänger: der unter dem heiligen Virgil errichtete, 774 geweihte Dom, der 1167 niederbrannte, und ein unter Erzbischof Konrad III. (1177-1183) errichteter, gewaltiger romanischer Neubau in Form einer fünfschiffigen Kreuzbasilika. Der Konradinische Dom hat im Laufe seiner Geschichte mehrfach gebrannt; als 1598 erneut ein Brand die Kirche beschädigte, ließ Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau den damals größten mittelalterlichen Sakralbau nördlich der Alpen dem Erdboden gleichmachen. Bischofsgräber wurden ausgehoben, Grabplatten zerschmettert, die romanisch-gotische Ausstattung in die Salzach geworfen. Es ging das Gerücht, daß Wolf Dietrich den Brand, der im Oratorium seiner Geliebten Salome Alt ausgebrochen war, selbst gelegt hatte. Die weichere Variante erscheint in Wolf Dietrichs überliefertem Ausspruch: „Brennet es, so lasset es brennen.“ 1612 wurde das Projekt durch Wolf Dietrichs Entmachtung und Gefangensetzung unterbrochen; Wolf Dietrichs Nachfolger Markus Sittikus engagierte als Baumeister den Italiener Santino Solari. Die Domweihe unter Erzbischof Paris Lodron 1628, mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, war ein achttägiges Fest.

Am 28. Januar 1756 um 11 Uhr vormittags wird Wolfgang Amadeus Mozart über dieses Taufbecken aus dem 14. Jhdt. gehalten, das noch aus dem Konradinischen Dom stammt. Löwen aus dem 12. Jhdt.

Nach dem Bombentreffer im 2. Weltkrieg wurden bei den Aufräumarbeiten Mauer- und Säulenreste der beiden Vorgängerdome gefunden. 1957 – 1959 wurde eine begehbare Unterkirche geschaffen. Seit 1619 – dem Todesjahr des Markus Sittikus, dem Bauherr des Doms – diente dieser Ort als Grabstätte der Salzburger Erzbischöfe, die Grüfte waren aber nur vom Boden des Doms aus zu öffnen.
Wir gehen also Paris Lodron & Co besuchen, aber man kann mit dem Bösen wirklich nirgendwo hingehen, ohne daß es durchsichtige Schatten wirft. Mit Eigenleben wie in Dreyers „Vampyr“.

Auch die Chorkrypta des 1598 abgebrochenen romanischen Doms, beim Bau des Barockdoms zugemauert und zugeschüttet, wurde Ende der 1950er Jahre freigelegt, war aber lange Zeit nicht vom Dom aus zugänglich. Seit 2009 ist sie wieder erreichbar. Der französische Künstler Christian Boltanski hat in der alten konradinischen Krypta unter dem Titel „Vanitas“ ein Schattenspiel inszeniert: Kerzen werfen die Schatten kleiner Metallfiguren als Danse Macabre an die Wand, ein Todesengel zieht als Lichtprojektion durch die Krypta, eine automatische Stimme liefert mit unaufhörlicher Zeitansage den „Countdown der Ewigkeit“.

In der Domkrypta findet Freddie es doch irritierend, daß Touristen aus Asien ihn aufmerksam studieren, weil sie ihn für einen Teil der „Vanitas“-Installation halten.

Aufstieg zu den Emporenräumen, in denen das Dommuseum untergebracht ist. Zu bewundern dort u.a. das 1,5 m hohe Rupertuskreuz, das der aus Irland stammende Virgil im 8. Jahrhundert vermutlich aus Südengland mitbrachte. Angeblich lag es für lange Zeit in einer Rumpelkiste auf dem Dachboden der Kirche von Bischofshofen. Phantastisch die emailgeschmückte Hostientaube aus Limoges, gefertigt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundert. Limoges hatte sich im 12. Jahrhundert zu einem Zentrum für herausragende Emailkunst entwickelt, „Hostientauben“, eine Spezialität der Werkstätten von Limoges, hingen an Ketten über dem Altar.
Phantastisch auch die „Versuchung des hl. Antonius“ (um 1500/1510) eines Nachfolgers des Hieronymus Bosch, die Bosch fast überboscht.
Mittlerweile haben wir gelernt, die Erzbischöfe zu sondieren, Max Gandolf von Kuenburg ist Gandolf der Geschmacklose, nicht nur, weil er ein eifriger Hexenverbrenner war. Eine Reisegarnitur des eisernen Sparfuchses Colloredo erinnert daran, wie in Formans „Amadeus“ ebendieser Colloredo von Mozart sagt: „He’s an unprincipled, spoiled, conceited brat!“ Die Pretiosenmonstranz hat 1792 Diamanten, Vitus wird im Ölkessel gekocht, und auch dort oben, im Dommuseum, wo man den schwarzen Linien ganz nah ist, stellt man sich vor, wie das üppige Stuckdekor im gesamten Dom entstanden ist. Wie der Erzbischof nach oben schaute und sagte: „Man sieht es nicht so recht. Es ist nicht so recht plastisch.“ Und Bassarino sagte: „Plastisch? Doch, Hochwürden, dochdoch… durchaus.“ Und der Erzbischof sagte: „Man könnte… “ Ein schwerwiegendes, dramatisches „Man könnte“. Denn nun begann das Nachmalen von Konturen und Vertiefungen des Stuck-Ornaments mit schwarzer Farbe, das hundert Mann zwei Jahre oder zwei Mann hundert Jahre beschäftigt haben muß. Es ist das Werk des Italieners Giuseppe Bassarino und seiner Helfer.
Auf der West-Empore

Über die Empore vom Dommuseum zu einer Ausstellung von Grafikserien, Gemälden und Lithographien von Georg Pezolt, „Ein Traum von einer Stadt“. Pezolt verfügte über „ein reiches Wissen der Kunstgeschichte Salzburgs“ (Salzburger Zeitung, 1878) und wurde 1865 ehrenamtlicher Denkmalpfleger für Salzburg. Von dort aus zur Kunst- und Wunderkammer, die in Nachahmung der Kunst- und Exotikasammlungen des sternguckerischen, mystisch angehauchten Rudolf II. von Habsburg (Prag) entstanden ist, Naturalien und Kuriositäten, die von der unermeßlichen Phantasie des Weltenschöpfers künden sollten, aber auch „artificialia“ wie geschliffene Bergkristalle, wissenschaftliche Geräte und anderes Menschenwerk, das nicht minder zur Verbildlichung des Kosmos gehörte.
Auf dem Weg nach unten spricht eine Museumsangestellte Madame an: „Ich bewundere Ihre Tasche! Sind Sie selbst Designerin?“. Unten, im kleinen Dom-Shop, als wir ein paar Postkarten bezahlen, seufzt & haucht die ältere Dame an der Cassa: „Der Wolf Dietrich… “ Bei Salzburgs Damenwelt offenbar immer noch The Man, der Wolf Dietrich.
Auch auf dem Weg zum Café Fürst (gegr. 1884) kein vermummter Helmut Berger. Noch geben wir nicht auf. Sachertorte und Verlängerten. Trakl stand einmal, wie Spoerri und Basil berichten, während der Fastnachtszeit plötzlich aus dem Café Tomaselli auf, um den Huren in der Judengasse Krapfen zu bringen. Madame hält mich davon ab, aus dem Fürst aufzustehen und den Huren in der Judengasse Sachertorte zu bringen. „Da sind keine mehr.“ – „Aber das ist der Georgsweg, mein Gott.“
Das Salzburg Museum in der Neuen Residenz. Ein Fragment vom Beschlag des Rupertuskreuzes, dessen Fund im Estrich der Pfarrkirche Bischofshofen nahelegt, daß Virgil das Kreuz nicht für Salzburg, sondern für die Kirche der Maximilianszelle in Bischofshofen mitgebracht hat. Zwischen Viernageltypus der Romanik und Dreinageltypus der Gotik lernt man, was Bauarbeiter in Salzburg so finden: z.B. in der Judengasse No. 10, im Jahre 1978, mehr als 28.000 Münzen und Schmuck aus Edelmetall. Oder das Fragment der Scheibe einer astronomischen Uhr, römisch, 1. oder 2. Jh., in der Linzer Gasse. Wir hören Lieder des Mönchs von Salzburg (14. Jh.), bewundern den Helm vom Pass Lueg, 13. Jhdt. v.Chr., der als Vorbild für das Gauloises-Logo diente, Prager Groschen aus der Münzstätte Kutna Hora, ein Richtschwert mit Sinnspruch, und lauschen der Metaphysik des Salzburger Seins according to Helmut Qualtinger. Und erwerben dieses alte Würfelspiel, das eigentlich Eulenspiel hieß, das aber Mozartspiel heißt, weil es zu den Vergnügungen im Hause Mozart gehörte und weil man dabei zwangsläufig das Lachen aus „Amadeus“ hört.
Favourite Saints im Salzburg Museum: eine heilige Elisabeth, um 1510 / 1520

Eine heilige Barbara und eine heilige Katharina, um 1490, a touch of Gustave Moreau.



Favourite Angel:


Oder wenn er an der frierenden Hand der Mutter
Abends über Sankt Peters herbstlichen Friedhof ging
Ein zarter Leichnam stille im Dunkel der Kammer lag
Und jener die kalten Lider über ihn aufhob.
Georg Trakl, Sebastian im Traum

Ein riesiger schwarzer Käfer, der auf dem Weg sitzt und an einer Beere lutscht, empfängt uns auf dem Friedhof von St. Peter. Seit der Gründung der Abtei St. Peter um 700 war der Friedhof den Benediktinern des Klosters vorbehalten, aber schon zu Zeiten der Völkerwanderung gab es am Felsen des Mönchsberges eine Begräbnisstätte. Tote werden hier seit mehr als 1300 Jahren bestattet. Der älteste erhaltene Grabstein dieses Friedhofs stammt aus dem Jahr 1288. Bestattet sind hier der Dombaumeister Santino Solari, Michael Haydn und das Nannerl, Mozarts Schwester.
Die in die Felseneinsamkeit ringsum geschlagenen Gänge und Hallen der „Katakomben“ sind frühchristlich-spätantiken Ursprungs, ihre Entstehung geht auf das 3. und 4. Jahrhundert zurück.











In einem als pdf-Dokument im www auffindbaren, mit Schreibmaschine verfaßten Schriftstück des landesmuseum.at, das Auskunft gibt über die Schenkungen an das Salzburger Haus der Natur und die Liste der Spender im Jahre 1950, ist zu lesen:
„38.) Französische Aussenministerium – Ministère des Affaires Etrangères (Direction Générale des Relations Culturelles), Paris, stellt uns durch Vermittlung der Frau Marquise Peyrebere de Guilloutet, Délégue de l’action Artistique, eine ausgezeichnete 16 mm Tonfilmapparatur Marke „Débrie“ Type MB 15, zur Verfügung. Dieses ausserordentliche Entgegenkommen ist ein neuerlicher Beweis der internationalen Anerkennung unserer Bestrebungen. Leider steht in einem gewissen Gegensatz dazu die ungeheuere Schwierigkeit, die uns seitens der österreichischen Behörden wegen der Einfuhr dieser Apparatur bereitet wird.“
Rest in Peace, Madame la Marquise.
Freitag, 09.09.2011
Zum Bahnhof, die Fahrkarten nach Cesky Krumlov besorgt, auf dem Weg zurück wandern wir noch einmal durch Mirabell zur Evangelischen Christuskirche, vor der Gedichttafel ist Baustelle, Betreten Verboten, ich betrete trotzdem, frage einen Bauarbeiter, „Johfreylich“ sagt der. Im Pfarrhaus nebenan hatte Georg Trakl während seiner Schulzeit zweimal wöchentlich Religionsunterricht.

Dreifaltigkeitskirche am Makartplatz, Fischer von Erlachs perfektes Längsoval, elegante Engel an den Seitenaltären.
Vorhallengitter aus der Entstehungszeit der Kirche (1694 – 1702) mit dem Wappen von Fürsterzbischof Johann Ernst von Thun, der die Dreifaltigkeitskirche bauen ließ.

An der Kirchentür

Dann im Mozart-Wohnhaus, dem „Tanzmeisterhaus“ am Makartplatz, damals noch Hannibalplatz. Im „Tanzmeistersaal“, wo jetzt das bekannte Familienbild von della Croce hängt, hatte man früher junge Adelige in höfisches Zeremoniell, Tanz und Anstandsregeln eingewiesen. Eine geräumige 8-Zimmer-Wohnung, die beim Auszug aus der Getreidegasse im Herbst 1773 Leopold Mozarts Problem „Zum Exempel: wo wird dann meine Tochter schlaffen? Wo wird der Wolfgang sein Quartier aufschlagen? Wo werd ich für ihn einen besonderen Platz zum studieren und seiner Arbeit, deren er vielerley haben wird, finden? und wo bleib ich?“ löste.
Zwischen 1773 und 1780 schrieb Amadeus in diesem Haus über 150 Werke, bevor er Anfang 1781 nach Wien zog. Schikaneder war hier oft zu Gast, man traf sich mit Hofmusikern. Das Tanzmeister-Mitzerl, von dem Mozart schreibt, „mir beständig in ihrer reizenden negligée vor augen“ – war keine Geliebte: Mitzerl, Anna Maria Raab, die Vermieterin, war 46 Jahre älter als Mozart. Im Garten erfreute man sich des Kegelspiels und des Schießens auf lustig bemalte Scheiben, die Bölzlscheiben, von denen drei zu sehen sind. Wolfgang und Nannerl üben sich darin u.a. mit dem Gilowsky-Catterl, Katharina, einer Tochter des Hofchirurgen Wenzel Andreas Gilowsky von Urazowa. Katharina war eine besonders enge Freundin Nannerls.
Zu sehen ein Hammerflügel Mozarts, von dem es heißt: „Dieses Instrument wurde bei den zahlreichen Konzerten Mozarts in Wien verwendet“, die Untertasten schwarz, die Obertasten weiß. Auch der Originalbrief, aus dem Prager Bertramka bekannt: „Nach einer jeden Aria war alzeit ein erschrökliches getös mit glatschen und viva Maestro schreyen.“ Im Brief an den Lehrer und Geistlichen Bullinger kritzelt Wolfgang Amadeus sehr viel weniger, schreibt sehr akkurat. Eine Silhouette vom Nannerl – makes her very beautiful. Ein small cabinet aus dem Besitz Leopolds, der in diesem Haus 1787 verstirbt. Am Ende ein Film über die Mozarts, über ihre exzessiven Reisen; Wolferl hat ziemlich genau ein Drittel seines Lebens auf Reisen verbracht. „Man sagt gar, diese Mozärtische Familie wird in das China reisen.“ Über Theaterintrigen ärgert sich Leopold so, „dass man Pomeranzen scheißen möchte.“
„Als Wolfgang die Lage der Mutter begreift, ist es zu spät.“
„Ich möchte alles haben, was gut, ächt und schön ist!“ – W.A.M.
Im Cafe Classic direkt vor Mozarts Wohnhaus Rührei mit Schinken, Stiegl und… Kürbiscremesuppe. „Paßt alles?“ Und wie.

Madame erwirbt einen Posamenterieverschluß bei Jos. Mayer, Rathausplatz, gegründet 1924. Wie habe ich als Kind diese ganzen Schränke und Schubladen in alten Modewaren-Geschäften geliebt.
In der Judengasse

Georg Trakl kam am 3. Februar 1887 in Salzburg als viertes Kind der Eheleute Tobias und Maria Trakl zur Welt, im Wohnhaus der Familie am Waagplatz Nr. 2, dem „Schaffnerhaus“.
Gegenüber dem Schaffnerhaus, am Waagplatz Nr. 3, eröffnete Tobias Trakl 1893 eine große Eisenhandlung, nachdem er das Haus käuflich erworben hatte. Die Firma bestand bis 1913. Das Geschäft hatte seine Hauptfront am Mozartplatz; es sind jene Lokalitäten, in denen später das Café Glockenspiel untergebracht war, heute Café Demel. Um die Ecke, an der Schmalfront Waagplatz mit dem Hauseingang, lagen die Magazine.
Das Haus Waagplatz Nr. 3 heute. Die Trakls bewohnten das weitläufige erste Stockwerk, eine Flucht von mehr als zehn Zimmern samt Nebenräumen. Links noch ein Stück vom weißen Vorbau des heutigen Cafés zu sehen; im Stockwerk darüber also lebte Georg Trakl, seit er 6 Jahre alt war, während seiner Schul- und Jugendzeit.

Im Geburtshaus Trakls, Waagplatz Nr. 2 (bzw. Nr. 1a), wurde 1973 die Trakl-Gedenkstätte eingerichtet; sie befindet sich in den Räumen der ehemaligen Wohnung im 1. Stock.

Im Eingang: Trakl-Porträt von Jean-Pierre Chambas

Ein Film über Trakls Leben und Werk, etwa 40 Minuten. Erstes Wort: Verfall. Der stille obstinate Spott in seiner Miene. „Seine Augen standen ganz fern.“ Ein Mädchenbild von Grete, Schwester stürmischer Schwermut. „Er will halten, was nie bleibt.“ (Buschbeck). Der Tag, der ihm zu deutlich geworden. Trakl im Badeanzug in Venedig. „Ich bin immer traurig, wenn ich glücklich bin! Ist das nicht merkwürdig!“ Blutschuld und dunkle Gifte.
Wir sind sechs, dort oben, nach dem Film war für Minuten Stille. In diesen Minuten begriff ich, daß ich Trakl mittlerweile wohl noch mehr liebe als Rimbaud, und was das heißt, weiß nur ich, Äonen nach Rimbaud-Entdeckung. Gesamt-Trakl zwar im Gepäck, aber ich erwarb den Nachdruck der Kurt Wolff Verlag-Ausgabe von 1913. Had to. Am Ende standen nur noch Birgit und ich mit der netten Dame, die die Führung macht, auf dem Balkon, um den Trakl-Zeilen zu lauschen, die durch die im Innenhof angebrachten Lautsprecher kommen, und ich erkannte Otto Sander. „Das ist Otto Sander, oder?“ Sie ging, um einen Zettel zu holen, auf dem sie aufgeschrieben hatte, wer die Lesenden sind, las mir die Reihenfolge vor. Ich fragte sie, wie Maria – die älteste Schwester, die ich immer am schönsten fand – die Eröffnung dieser Gedenkstätte, bei der sie ja noch zugegen war, wohl empfunden haben mag, aber die Frau sagte, Maria sei ja doch schon sehr betagt gewesen. Es war alles so bewegend, daß ich vergaß, im Hof „Die schöne Stadt“ zu suchen.
Eine Woche, bevor Trakl in der Nacht des 2. November 1914 an Kokainvergiftung stirbt, besucht Ludwig von Ficker Trakl im Garnisonsspital von Krakau. „Wollen Sie hören, was ich im Feld geschrieben – es ist blutwenig.“
Basil: „Und er liest, auf dem Eisenbett liegend, während der Windischgrätz-Dragoner sich ungehalten und gelangweilt in seinem Bett der Wand zukehrt, dem Freund zwei erschütternde Gedichte vor: Klage und Grodek. […] Beklommen verabschiedet sich Ficker, denn er hatte herausbekommen, daß Trakl tödliche Gifte bei sich verborgen hielt. Ficker spricht ihm Trost zu; er werde sogleich von Wien aus seine Versetzung nach Innsbruck ins Werk setzen. Als er mit einem „Auf baldiges Wiedersehen“ von dem Freunde scheidet, liegt dieser regungslos, entgegnet kein Wort. „Sah mich nur an. Sah mir noch nach … Nie werde ich diesen Blick vergessen.“
Trakls unheimliches Selbstportrait. Basil: „In Esterles Atelier soll nun, nach einer Mitteilung Fickers, Trakl den Pinsel ergriffen und sich so gemalt haben, wie er sich einmal, nachts aus dem Schlaf aufschreckend, im Spiegel gesehen hatte.“

Möbel und Erinnerungsstücke aus dem Familienbesitz

„Einfriedungen um das grenzenlos Wortlose“ – Rilke über Trakls Dichtungen.

Aus dem Trakl-Nachlaß von Erhard Buschbeck, dem Jugendfreund Georgs
