Zwar kann man mit einem weiteren Bio-Eis der Mönche von St. Peter wieder halbwegs zu sich kommen, so daß man ihnen auch noch Weihrauch abkaufen kann, aber wir verschwinden gleich wieder in Dunkelheit und einem weiteren What a place. Die Katakomben.

Die in die Felswand des Mönchsberges gemeißelten Gänge, Treppen und Höhlen, vermutlich etwa 1700 Jahre alt, werden seit dem 19. Jahrhundert als „Katakomben“ bezeichnet. Es heißt, sie dienten als frühchristliche Versammlungsorte; später als Eremitorium. 48 Stufen zur Gertraudenkapelle, die 1178 dem 8 Jahre zuvor ermordeten Thomas Becket geweiht wurde, Freskenreste zeigen sein Martyrium. In der Mitte des Raumes ein romanisch-gotischer Pfeiler, der im 17. Jahrhundert hier aufgestellt wurde, sechs Rundbogennischen an der Bergseite.

Erzbischof Konrad III., der die Gertraudenkapelle dem heiligen Thomas Becket geweiht hat, war mit dem Erzbischof von Canterbury persönlich befreundet.



Man steigt weiter die abgenutzte, halsbrecherische Treppe hinauf zur Maximuskapelle, dem höchstgelegenen Raum der Katakomben, 1172 geweiht. Die Maximushöhle war früher nur über einen schmalen Felssteig zugänglich. Es gibt ein Bogengrab hier, das Einsiedlermönchen später als steinerne Liegestatt diente. Die Inschrifttafel aus dem 16. Jhdt. berichtet die Legende des Maximus, der hier im Jahre 477 mit seinen Gefährten den Märtyrertod erlitten haben soll, dessen Gestalt aber nicht historisch belegt ist. Wer diese „Katakomben“ wirklich schuf, wann, warum – who knows.



Michael Haydn, Josephs Bruder und Freund Mozarts, schrieb während seiner 43 Jahre in Salzburg 360 sakrale und weltliche Kompositionen. Er ist in der Commungruft beim Aufgang zu den Katakomben bestattet. Anläßlich einer der Gruftleerungen, die in regelmäßigen Abständen stattfanden, beschaffte sich Michael Haydns Witwe den Schädel ihres verstorbenen Gemahls und stellte ihn neben ihrem Bett auf.
Sehr nah bei der Commungruft befindet Freddie: „Wir können hier anhalten. Das ist Fledermausland.“

Ein Restaurator, der auf einem Gerüst über dem Nannerl arbeitet, sieht zu, wie Freddie sich in Szene setzt, wir bemerken ihn erst, als er amüsiert schnaubt.


St. Peter ist eine ursprünglich romanische Kirche, deren Innenraum 1760 / 1766 komplett mit Stuck im Rokoko-Stil überzogen wurde. Mozarts 1782 / 1783 komponierte Große Messe in c-moll wurde hier, unter diesem Weiß und Hellgrün, zum ersten Mal aufgeführt.



Über die Holzmeister-Stiege den Mönchsberg hinauf, um die nächste Trakl-Tafel zu finden.

Der Mönchsberg gehörte zu Trakls Lieblingswegen. Als Trakl begonnen hatte, sich mit Chloroform und Rauschgiften zu betäuben, fanden Freunde den in Schlaf Gefallenen einmal halberfroren auf dem Kapuzinerberg.
Vom Mönchsberg aus sah er dies.

Wir überqueren noch einmal die Salzach und begeben uns zum Sebastiansfriedhof. Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau hat hier Ende des 16. Jahrhunderts, als Ersatz für den aufgelassenen Domfriedhof, einen bereits etwa hundert Jahre alten Gottesacker zu der quadratischen Anlage in der Art eines italienischen Campo Santo umgestalten lassen, die wir noch heute sehen.
Im Durchgang zwischen Sebastianskirche und Friedhof begegnet man zunächst Theophrastus Bombastus von Hohenheim, a.k.a. Paracelsus, a.k.a. möglicherweise die wahre Identität des Christian Rosenkreutz (ein anderer Kandidat ist Francis Bacon). Seine Gebeine sind hinter einem Bildnismedaillon beigesetzt, die alte Grabplatte – Paracelsus starb 1541, nicht nach einer Rauferei im Wirtshaus Zur rostigen Pechpfanne, sondern vermutlich schlicht an Quecksilbervergiftung – wurde 1752 in das Obelisk-Monument integriert.
„Hier ruht Philippus Theophrastus Paracelsus, ausgezeichnet als Doktor der Medizin, der jene grässlichen Krankheiten Aussatz, Zipperlein, Wassersucht durch seine wunderbare Kunst heilte, seine Habe und Gut unter die Armen verteilen ließ und im Jahre 1541, am 24. September, sein Leben mit dem Tod vertauschte.“
Stanzerl ehelichte ihren zweiten Mann, Georg Nikolaus von Nissen, im Dom von Bratislava. Leopold Mozarts Grab befindet sich vermutlich nicht neben Constanze, sondern in der „Kommune-Gruft“. Das Mädchen, das, like me, an einem 22. März geboren ist und im Alter von 16 Jahren starb, Jeanette Berchtold zu Sonnenburg, war die Tochter von Mozarts Schwester Nannerl.

Einer der Arkadengänge mit den Gruftnischen

In der Mitte der Friedhofsanlage ließ Wolf Dietrich sich mit der Gabrielskapelle ein sehr edles Mausoleum errichten. Wir können leider nur hineinspähen. Wolf Dietrich von Raitenau starb 1617 nach fünf Jahren Festungshaft an den Folgen eines epileptischen Anfalls.
Seit 1879 ist auch der Sebastiansfriedhof aufgelassen, ein Platz für ungestörten Geistertanz.






Etwas leicht Verstörendes und Beunruhigendes liegt in der verwunschenen Atmosphäre des Sebastiansfriedhofes. Man kann es nicht recht greifen.



In der Linzergasse traf sich um 1904 – 06 jeden Monat der erste literarische Zirkel, dem Trakl angehörte. Berger-Bräu, sieben Teilnehmer, Trakl, „… der fruchtbarste und sonderlichste“, erarbeitet sich den Ruf eines poète maudit. Aber Adolf Schmidt, ein Freund des Dichters aus der Gymnasial- und Praktikantenzeit, sagte über eine lyrische Skizze Trakls auch: „Er zeichnete darin die scheidenden Sonnenstrahlen, die sich durch ein Geranke von wildem Wein vor einer Glasveranda stehlen. Ich glaube heute noch das Spiel der Sonnenstrahlen zu sehen, die das gewürfelte Tischtuch und den Wein in den Gläsern vergoldeten.“
In der Linzergasse, nicht weit vom Sebastiansfriedhof, befand sich auch die Apotheke „Zum weißen Engel“. Hier trat Georg Trakl nach seinem Schulabgang im September 1905 als Praktikant ein. In dieser damals schon sehr alten und noch sehr stillen Apotheke versah Trakl, wie es heißt, seinen Dienst gewissenhaft. Aber der Keller der Apotheke bot ihm leichten Zugang zu Rauschgiften und Narkotika. Neben der heutigen Apotheke erinnert eine Gedichttafel mit „Im Dunkel“ an Trakls Zeit hier.

Nachdem seine Sympathie für die aufständischen Bauern Paracelsus 1525 in Teufels Küche gebracht hatte, floh er überstürzt aus Salzburg. Erst 1540 kehrte er zurück und verbrachte im Haus Platzl 3 sein letztes Lebensjahr.

Ein ganz schwacher Druck ihrer Hand. Ich sagte: Geh schlafen, Mama. Wenn du Papa siehst, dann geh. Das war das letzte, was ich ihr sagte im Leben. Ich ging in die Mitternachtsmesse. Seit 1000 Jahren nicht mehr in einer Messe. Was der Pastor sagte, ging an mir vorbei. Ich fragte mich, was redet der da. Ich starrte Jesus am Kreuz an und dachte: Jesus, nur du und ich. Du kennst dich aus mit Leiden. Ich bin da nur hingegangen, weil ich jemanden finden wollte, der meiner Mutter Frieden schenkt. Ich mußte weinen, als die Gemeinde „Stille Nacht, Heilige Nacht“ sang, weil ich so an meine Kindheit denken mußte. Meine Mutter Maria wurde in einem Ort namens Arnsdorf geboren. Einer der Komponisten von „Stille Nacht, Heilige Nacht“, Franz Xaver Gruber, unterrichtete in einem anderen Arnsdorf, in der Nähe von Salzburg. Gruber ehelichte ein Mädchen aus Arnsdorf mit Namen Maria. Das von Gruber vertonte Gedicht „Stille Nacht, Heilige Nacht“ stammte von Joseph Mohr. Er schrieb es 1816. An seinem Geburtshaus in der Salzburger Steingasse Nr. 9 ist eine Gedenktafel für Mohr zu sehen. Und hier sind wir, in der Steingasse, und ich sehe diese Tafel an und danke meiner Mutter dafür, daß ich am Leben bin. Again. Because life is such a fucking miracle.
Es gab zu Trakls Zeit zwei „Etablissements“ in Salzburg, in der Judengasse (wohin Trakl die Krapfen brachte) und in der Steingasse. Trakl, ein Dostojewskij-Verehrer, sympathisierte, so Basil, schon deshalb mit den „Dirnen“, weil sie zu den Erniedrigten und Beleidigten gehörten. Schulkameraden bestätigen jedenfalls, daß Trakl, welcher Impuls ihn auch treiben mochte, häufig im „Freudenhaus“ war. In der Steingasse gibt es noch immer das „Maison de Plaisir“. Dies ist der Weg dorthin.

Altrosa, steingrau, marmorblaß, kaisergelb, kupfergrün – der letzte Weg durch die „Nachtschmetterlingsfarben“ (Basil), Prunkstadt leiser Schwermut, Sebastian im Traum, Stefan Zweigs Schlößchen am Kapuzinerberg, Sternstunden der Menschheit, Morgenlied und Totentag, Wolf Dietrich träumt in der Mitte des Sebastiansfriedhofes, der Tod trägt die Knochen im Rückenkorb zum Beinhaus, Zauberwelt der Marionetten, Helmut Berger macht das Licht aus.

Sonnabend, 10.09.2011
Mit dem Zug „Die österreichischen Rechtsanwälte“ nach Linz, dann mit dem Zug nach Budejovice durch 30°, durch Orte mit „Gemischtwarenhandlung“, durch St. Gröpelsdorf an der Plups, durch den Böhmerwald, der Zug ist ein echter Zug, mit Fenstern, die sich öffnen lassen, Fahrtwind, die Berge winken, in seiner Eigenschaft als blonder Erzbischof auf Inschpecktion stellt der blonde Erzbischof fest: „Da hat der Herrgott uns ja wieder einen wunderschönen Tag zusammengeklebt!“ Am Grenzübergang Summerau wird der Erzbischof aufgehalten, weil er sich weigert, der hungernden Bevölkerung den letzten Müsliriegel zur Verfügung zu stellen. Es kommt zum Massenaufstand. Darüberhinaus provoziert Seine Eminenz die Bevölkerung mit Gaukelbildern und Phantasmagoreyen.
Auch bei einer Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h ist das Unverständlichste am Universum im Grunde, daß wir es verstehen können.

Abblätternder Putz am Bahnhof von Budejovice und den Rumpelzug nach Krumlov entdecken wir erst in letzter Minute am weltabgeschiedenen Ende eines Bahnsteigs.
Krumlov selbst hat dann (sozusagen) gar keinen Bahnsteig mehr, wo die wilden Gräser wachsen, folgen wir erstmal den anderen Aussteigenden, bis die anderen Aussteigenden uns folgen. Auf dem (sozusagen) Bahnhofsvorplatz suchen die internationalen Gäste, keiner des Tschechischen auch nur annähernd mächtig, nach Weg und Sinn, beobachtet von Einheimischen, die im (sozusagen) Wirtshaus gegenüber vom (sozusagen) Bahnhof vermutlich Wetten darauf abschließen, wer als erster auf den Trick kommt. Die ersten nehmen das einzige Taxi. Weiter hinten steht ein schläfriger Bus, aber auf dem Bus steht nichts, was ein Licht aufgehen ließe. Eine Japanerin wagt sich hinein, hält dem Busfahrer einen Reiseführer hin, der nickt stumm. Das probiere ich dann auch, und es stellt sich heraus, daß der Busfahrer einfach stoisch alle reinnickt. Er fährt also irgendwohin und hofft für uns alle das Beste.
Es stellt sich weiterhin heraus, daß wir in Serpentinen Richtung Zentrum hinabrollen, und da ich ungefähr weiß, welches die Straße namens Chvalšinská sein müßte, finden wir den rechtzeitigen Ausstieg, wandern noch eine hoffnungsvolle Meile, biegen dann wie vorgesehen links in den Wald ab, stehen schließlich vor der Pension Vodotrysk und werden, dem Himmel sei Dank, auch erwartet.
Die Pension Vodotrysk: ein fast 200 Jahre altes, von der Schwarzenberg-Dynastie errichtetes Haus, deep in the woods, wunderschön renoviert. Ein junges Paar kümmert sich um alles, very friendly and helpful people. Daß man hier beim Frühstück plötzlich neben allem anderen auch noch drei Krapfen gegessen hat, kommt vor. Es ist das Privileg der Erzbischöfe, anderen die Krapfen wegzuessen.

Erster Gang hinauf zur Schloßanlage, first view & the first view down.



„Das ist die krumme Au und da wäre eine Burg schöner, als auf dem Berge der Rosen, den Ihr so lange angeschaut habt. Die Moldau macht einen Ring, dann macht sie außerhalb desselben einen zweiten verkehrten und dann noch einen größeren, der wieder verkehrt ist und an ihm stehen gerade Felsen empor.“ (Adalbert Stifter, -> Witiko)
Stifter wurde in Horni Planá (Oberplan) geboren, nur einen Katzensprung von Cesky Krumlov entfernt. „Witiko“ spielt im Böhmen des 12. Jahrhunderts; die erste schriftliche Erwähnung der Burg von Krumlov, als Sitz des Witiko, stammt aus dem Jahr 1253. Die älteste Besiedlung des heutigen Stadtterritoriums ist für 6000-5000 v.Chr. bezeugt, frühmittelalterliche Besiedlung für das 8. Jahrhundert. Die Lage des Städtchens, sein altertümlicher Zauber sind einzigartig, und die „verkehrten“ Ringe der Moldau verlangsamen auch den Strom der Zeit. Überall in den verwinkelten Gassen spürt man die mächtigen Mauern der Burg, like townsfolk zur Zeit der Eleonore von Schwarzenberg, bis jeder Augenblick etwas findet, das wie eben gerade erbaut wirkt.
Und wo „eben gerade“ Jahrhunderte zurückliegt, will Geldwechsel am Samstagnachmittag gekonnt sein. Cesky Krumlov ist UNESCO-Weltkulturerbe, ein Zeitsprung als Architektur, aber wir kommen auch für zwei Namen: die schon erwähnte Fürstin Eleonore von Schwarzenberg und Egon Schiele.

Und wer zum ersten Mal durch die Gassen wandert und die Struktur dieser Stadt von altem Ruhm begreift, droht wegen poetischer Atmosphäre zu verhungern. Wir retten uns im letzten Moment in das Cafe Le Jezz, am Flußufer gegenüber der atemberaubenden Mantelbrücke. Bestellen Strudl und Palacinka. Und sitzen in einem Bild von Egon Schiele.
Und sehen den Kanufahrten durch die Wehrschleuse zu, kleine Mutproben, die mit Applaus vom Ufer aus bedacht werden, Mädchen an Bord mit entzückendem Gekreysch, boys keep swinging, eine Hochzeitsbarke aber bleibt an einem Felsen hängen, böses Omen. While we are here, ein kurzer geschichtlicher Überblick.
1302 stirbt der Krumauer Zweig der Witigonen aus (die Linie der Grünen Rose), ihren Besitz erhält das verwandte Geschlecht der Rosenberg (die Linie der Roten Rose), ein mächtiges Geschlecht, das sich in der Folge häufig mit den böhmischen Herrschern anlegte (Wenzel IV., König von Böhmen und römisch-deutscher König, wird zweimal auf der Krumauer Burg festgehalten, 1394 und 1402). Heinrich I. von Rosenberg verlegt seinen Sitz auf die Burg Krumau, unter seinem Sohn Peter I. entstehen im ersten Drittel des 14. Jahrhunderts die Obere Burg sowie die Pfarre von St. Veit.
Wilhelm von Rosenberg, Herrscher von Krumau 1551-1592, von ausländischen Diplomaten als stellvertretender König in Böhmen bezeichnet, nimmt den Umbau der gotischen Burg zu einem repräsentativen Renaissance-Schloß vor. Auch die alten gotischen Stadthäuser bekommen neue Fassaden; zu dieser Zeit leben in Krumlov ca. 2000 Einwohner in 331 Häusern.
Nach Wilhelms Tod 1592 regiert dessen jüngerer Bruder Peter Wok von Rosenberg auf Krumau. 1601/02 muß er die Krumauer Herrschaft wegen Überschuldung – vermutlich aufgrund Erschöpfung der Silberminen – an den Kaiser und böhmischen König Rudolf II. von Habsburg verkaufen. Mit Peter Wok, letzter männlicher Nachfahre des berühmten Adelgeschlechts, endet die jahrhundertelange Herrschaft der Rosenberger in Südböhmen.
Zwischen 1601 und 1622 ist Krumlov Eigentum der böhmischen Herrscher. Rudolf II. überläßt Krumau seinem unehelichen Sohn Don Julius de Austria, der in den Jahren 1606-1609 auf der Krumauer Burg untergebracht ist. Den Aufenthalt des psychisch labilen Don Julius in der Burg begleiten stürmische Exzesse, die in dem brutalen Mord an Marketa Pichler, der Tochter eines Krumauer Baders, ihren schaurigen Höhepunkt finden.
Nach der Schlacht am Weißen Berg verleiht Kaiser Ferdinand II. von Habsburg die Herrschaft Krumau 1622 an seinen Hofkammerpräsidenten Johann Ulrich von Eggenberg für dessen Verdienste in der Katholischen Liga. Krumlov ist Sitz der Eggenberger bis 1719.
1664 wird Johann Christian von Eggenberg Herrscher des Krumauer Fürstentums, seine Gemahlin ist Marie Ernestine von Schwarzenberg (1649-1719). Unter Johann Christian und Marie Ernestine erlebt Krumlov eine kulturelle Blütezeit, wird Zentrum für Musik, Oper und Ballett, es entsteht das Theater im V. Schloßhof, und vor allem Marie Ernestine ist verantwortlich für die Erweiterung der Schloßbibliothek.
Nach beider Tod geht die Herrschaft 1719 an Marie Ernestines Neffen, Adam Franz von Schwarzenberg; dessen Gemahlin ist Eleonore. Zwischen 1741 und 1782 regiert Joseph Adam von Schwarzenberg, er läßt u.a. das Lustschloß Bellaria sowie 1748 den Maskensaal mit den Wandmalereien von Josef Lederer errichten und 1767 das barocke Schloßtheater in die heutige Gestalt umbauen.
Wir sitzen bei der St. Veits-Kirche, deren Bau um 1340 begonnen wurde, Weihe 1439:

Genaugenommen sitzen wir auf einer steinernen Bank in unmittelbarer Nähe der Kapelle des hl. Johannes Nepomuk, die 1726 an das linke Seitenschiff von St. Veit angebaut wurde – auf Veranlassung von Adam Franz von Schwarzenberg und Eleonore. Im Inneren dieser Kapelle befindet sich das Grab der Eleonore von Schwarzenberg. Blondierte Erzbischöfe und andere unvernünftige Naturen könnten hier ein jenseitig verhauchtes „Eleonore! Hörst du uns!“ geäußert haben, befinden sie sich doch am Ziel einer Pilgerschaft: hier liegt sie, die „Vampirprinzessin“.

Die rätselhafte Fürstin Eleonore von Schwarzenberg wird am 20. Juni 1682 geboren. Sie ist eine Tochter des Fürsten Ferdinand August von Lobkowitz und heiratet 1701 den Obersthofmarschall, Erbprinz und späteren Fürsten Adam Franz von Schwarzenberg. Mit ihrem Mann weiß sie ein reiches kulturelles Leben am Hof zu entfalten. Opulente Feste, Musik, Jagdgesellschaften. 1732, nach 31 Ehejahren, stirbt Eleonores Gemahl bei einer Hirschjagd durch einen Schuß. Die tödliche Kugel wurde von Kaiser Karl VI. persönlich abgefeuert. Ein Jagdunfall, so sagt man. Kein Jagdunfall, so munkelt man.
Eleonore lebt noch fast neun Jahre; sie stirbt am 5. Mai 1741 in der Schwarzenbergischen Residenz in Wien. Aber sie wird nicht, wie die anderen Familienangehörigen, in der Wiener Augustinerkirche bestattet. Ihre sterblichen Überreste werden nach Krumlov zurückgebracht, in der Nepomuk-Kapelle der Kirche St. Veit findet Eleonore ihre letzte Ruhe. Gewissermaßen.
Die Dokumentation über Eleonore, „Die Vampirprinzessin“, beginnt mit dem eigenartigen Fund, den man 2007 bei Straßenarbeiten in Krumau macht: drei Skelette, die nicht, wie bei christlichen Bestattungen üblich, in Ost-West-Achse ausgerichtet sind, sondern in Nord-Süd-Richtung liegen. Im Verlauf ihrer Grabung machen Prager Archäologen weitere merkwürdige Entdeckungen. Einer der hier begrabenen Personen hat man offenbar den Kopf abgetrennt, der Schädel liegt zwischen den Beinen, in der Mundhöhle ein Stein. Das Fehlen der ersten beiden Halswirbel deutet darauf hin, daß diese Person enthauptet wurde. Arme und Beine aller drei Personen hat man mit Steinen beschwert. Die drei Toten werden als männlich identifiziert, im 18. Jahrhundert ums Leben gekommen und an einer Moldaubiegung unter die Erde gebracht, die sich zur Zeit der Grablegung außerhalb des Stadtgebietes von Krumlov befand. Alles deutet darauf hin, daß diese drei Personen als „Vampire“ verdächtigt wurden und daran gehindert werden sollten, aus ihrem Grab zu steigen.
Vampirglaube und -hysterie waren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa weit verbreitet. Mehr dazu HIER:
-> Vampirglaube: Historisches zur Hysterie
Die drei Toten von Krumlov dürften also Opfer einer klassischen Vampirbannung geworden sein: die Leichen verdächtiger Personen wurden ausgegraben, gepfählt, geköpft. Den Kopf legte man zwischen die Beine, um zu verhindern, daß der „Untote“ ihn mit den Händen erreichen und ihn sich wieder aufsetzen kann. Der zwischen Ober- und Unterkiefer geschobene Stein sollte das „Schmatzen“ im Grab verhindern, das als frühes Anzeichen für Vampirismus galt, die schweren Steine sollten den Untoten bewegungsunfähig machen.
Rainer Köppl, Medienwissenschaftler an der Universität Wien, vertritt in „Die Vampirprinzessin“ die Theorie, daß Eleonore von Schwarzenberg für eine Vampirin gehalten wurde. Köppl vermutet, daß Eleonore die Namensgeberin für Gottfried August Bürgers Ballade Lenore (auch: Leonore) gewesen sein könnte, und daß die Gestalt der Eleonore von Schwarzenberg damit indirekt auch eine Inspiration für Bram Stoker war, als er Dracula schrieb.
Stoker zitiert aus Lenore den Satz: Die Todten reiten schnell. Im Ersten Kapitel von Stokers Roman flüstert einer der Mitreisenden Jonathan Harkers in der Kutsche diesen Satz, als Dracula auftaucht, um Harker abzuholen. In der Erzählung Dracula’s Guest, die zwei Jahre nach Stokers Tod publiziert wurde – nach Aussage von Stokers Witwe Florence eine „unpublished episode from Dracula„, wahrscheinlicher eine verworfene erste Fassung des Anfangs -, findet Jonathan Harker den Satz „THE DEAD TRAVEL FAST“ als Inschrift auf der Gruft einer Vampirin, Countess Dolingen of Gratz – einer Adeligen aus der Steiermark also. Es scheint, als wollte Stoker seinen Roman ursprünglich in Mitteleuropa spielen lassen.
Lenore gilt als eines der frühesten literarischen Zeugnisse zum Thema Untote. Leonore lästert Gott, als ihr Bräutigam, der in den Krieg gezogen ist, nicht zurückkehrt; das Schlachtfeld befindet sich in Böhmen. Als Lenore eines Nachts einen Reiter erblickt, meint sie, ihren Geliebten zu sehen. Doch es ist der Geist des Bräutigams, im Grunde der Tod selbst, der sie auf einem wilden, unheimlichen Ritt, vorbei an Geistern und Gesindel, ins Totenreich bringt, das Hochzeitsbett ein Sarg.
Bei seiner Suche nach Indizien dafür, daß Eleonore von Schwarzenberg ein frühes role model für die Verbindung von Adel und Blutsaugertum gewesen sein könnte, stößt Köppl im gewaltigen Archiv von Schloß Krumau auf Details ihrer Lebensgeschichte, die eine Verbindung zu den Krumauer Skelettfunden nahelegen; offensichtlich gab die unheimliche Fürstin der Bevölkerung von Krumau Anlaß, der Vampirhysterie zu verfallen.
Eleonore war eine passionierte Jägerin; bei den regelmäßig veranstalteten Treibjagden wurde auf alles geschossen, was sich bewegte, nur nicht auf Wölfe. Eleonore ließ Wölfinnen fangen und in Zwingern auf dem Schloß unterbringen. Das nächtliche Geheul, das auch wild lebende Wölfe angelockt haben dürfte, muß die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt haben. Im europäischen Volksglauben hatten Wölfe einen denkbar schlechten Ruf, galten als unheimlich, Komplizen des Bösen, Gesandte der Vampire. Eleonore ließ die Wölfinnen melken; auf Empfehlung von Ärzten in der Grauzone zwischen Wissenschaft, Aberglauben und Magie trank sie über Jahre hinweg Wolfsmilch, um sich den sehnlichen Wunsch nach einem Sohn und männlichen Erben zu erfüllen. Alchemisten, Okkultisten und Mediziner, Kapazitäten und Quacksalber gingen bei Eleonore besonders in ihrer letzten Lebensphase ein und aus; daß Eleonore zunächst, mit über 40 Jahren, tatsächlich noch einen Sohn zur Welt bringt, Joseph Adam, verstärkt 1722 nur das düstere Image: wenn kein medizinisches Wunder, dann Hexerei.
Nach dem Unglück, bei dem 1732 Eleonores Mann während einer Jagd bei Prag von Karl VI. erschossen wird, zahlt der Kaiser einen Unterhalt von jährlich 5.000 Gulden an die Witwe, die nun, da ihr Sohn in die Obhut des Kaisers kommt, allein und zurückgezogen auf dem Schloß lebt. Mit dem Geld kommt sie kaum aus. Sie liebt Luxus, teure Weine, Schmuck; sie ist starke Raucherin, hofft auf medikamentöse Wirkung des Tabaks, und die größten Summen verschlingt der Posten Arzneimittel. Aufzeichnungen aus dem Schloßarchiv belegen, wie exzessiv Eleonore Medikamente aus Apotheken in Prag und Wien bestellt, während sich ihr körperlicher Zustand zusehends verschlechtert. Eleonore ordert auch andere, dubiose „Wunderheilmittel“ in Unmengen, und sie sucht Hilfe in Zauberritualen; auf Schloß Krumau gibt es noch eine „Zauberrolle“, ein Papierstreifen mit Zeichen und Sprüchen zur Abwehr von Geistern.
Nicht nur ihr Hang zu ungewöhnlichen Methoden und Okkultismus läßt Eleonore auf ihre Umgebung zunehmend unheimlich wirken. Sie leidet unter Schlaflosigkeit und dadurch bedingt am Tage unter starker Müdigkeit – Symptome, die nun, unter der Hand, mit der „Vampirkrankheit“ in Zusammenhang gebracht werden. Es gibt spiritistische Sitzungen auf dem Schloß, mit denen die bösen Kräfte fortgejagt werden sollen. Eleonore sammelt Gemälde, die auf Zauberei und Vampirismus Bezug zu nehmen scheinen.
Eleonore leidet an schlimmen Schmerzen. Hofbeamte versuchen, den Umfang ihrer kostspieligen Bestellungen einzuschränken, ihre Zurechnungsfähigkeit wird in Zweifel gezogen. Bereits vom Tode gezeichnet, reist Eleonore von Krumau nach Wien, aber auch dort kann ihr niemand mehr helfen. In den Archiven findet sich keine Diagnose ihrer Erkrankung; vielleicht ein Hinweis darauf, daß die Ärzte von etwas ausgingen, das sich wissenschaftlich nicht beschreiben ließ.
Eleonore stirbt am 5. Mai 1741 um 6:00 Uhr früh. Bereits neun Stunden nach ihrem Tod treten Ärzte zusammen, um den Leichnam zu untersuchen. Die Kosten der Obduktion, im Kassabuch festgehalten, entsprechen einem Gegenwert von 90.000 Euro, ein extrem hoher Betrag. Man findet den Leib der Fürstin „völlig ausgezehrt“, und man entdeckt eine Geschwulst, „welche die Größe eines mittleren Kinderkopfs hatte“, aber eine Todesursache fehlt im Obduktionsbericht.
„Adelige wurden damals nicht obduziert“, so der Gerichtsmediziner Christian Reiter. „Außerdem steht das Ärzte-Honorar für die Obduktion nicht in Relation zum Arbeitsaufwand. Entweder war das Honorar so hoch, weil hier eine große Gefahr für die Obduzierenden bestanden hat“, oder aber, „weil hier eine Art Schweigegeld geleistet wurde für diese Personen.“
Die Todesursache – Krebs – kann heute rekonstruiert werden. Im letzten Jahr ihrer Krankheit, als sie kaum noch Speisen zu sich nehmen konnte, kamen zahllose Experten aus dem ganzen Reich zu Eleonore, auch solche, die Erfahrung mit „Vampirismus“ hatten. In der Nacht brannte stets das Licht in Eleonores Schlafgemächern; Gerüchte von der Fürstin, die nur bei Nacht lebt, machten in Krumau die Runde. Eleonore verlangte häufig nach Dr. Franz von Gerstorff, Leibarzt von Kaiser Karl VI. und Leiter von Untersuchungskommissionen für Vampir-Erscheinungen. Von Gerstorff war von der Möglichkeit der Ansteckung durch Vampire überzeugt, und Eleonore bot genau das Erscheinungsbild, das man der Vampirkrankheit damals zuschrieb: ausgezehrt, blutleer, verwirrt. Man glaubte offenbar, und wahrscheinlich fürchtete dies auch Eleonore selbst, ein Vampirbiß sei ihr Schicksal gewesen.
Daß an Eleonore eine Obduktion vorgenommen und den Ärzten hoch vergütet wird, läßt also darauf schließen, daß die „Diagnose“ tatsächlich lautete, Eleonore sei ein Vampir-Opfer. Die Obduktion läßt sich als eine Art Vampir-Hinrichtung deuten, da das Entfernen des Herzens einer Pfählung gleichkommt: ein wissenschaftlicher Weg, um einen „Vampir“ unschädlich zu machen. Nach Eleonores Tod wird das Schloß abgeriegelt, in der von Angst geprägten Stimmung kontrollieren Nachtwächter das Gebäude rund um die Uhr. Große Angst muß auch Eleonore selbst ausgestanden haben – Angst, nach ihrem Tod zu einem Vampir zu werden? In jener Zeit wurden die Schwarzenbergs in der Familiengruft in der Wiener Augustinerkirche beigesetzt. Eleonore war im Endstadium ihrer Krankheit nach Wien gereist, wird jedoch in Krumau bestattet. Warum?
Eleonore wird, was ungewöhnlich ist, in den Totenbüchern der Augustinerkirchengruft erwähnt, obwohl sie nicht dort beigesetzt ist. Über eine halbe Seite widmet der damalige Archivar dem Tod Eleonores am 5. Mai und berichtet, daß sie auf eigenen Wunsch noch in der Nacht nach Böhmen zurückgebracht wurde. Diese Überführung des Leichnams von Wien nach Krumau ist in einem Testament verfügt, das wenige Tage vor Eleonores Tod verfaßt wurde. Darin heißt es:
„ZWEYTENS: solle mein Leichnam, ich mag in Wien, oder andernorts das Zeitliche verlassen, nach Krumau geführet, dort von armen Leuten in die St. Nepomuc Kapelle getragen, und allda ohne einzigen Gepränge beerdiget werden, und auf den Grabstein folgende Wörter stehen: Hier liegt die arme Sünderin Eleonora, Bittet für Sie…“
Ob das Testament auf Eleonores eigenem, freien Willen beruht, oder ob man ihren Leichnam noch in der Nacht nach Krumau brachte, weil man einen Vampir mitten in Wien fürchtete: die Tote ritt schnell.
Das Begräbnis war ein für den Hochadel sehr ungewöhnliches. Kein einziger Vertreter der Aristokratie oder Würdenträger des Klerus war anwesend, auch ihr Sohn blieb der Beisetzung fern, die am 10. Mai stattfand – seltsamerweise in der Nacht. Um acht Uhr abends setzte sich der Trauerzug der „armen Leute“ von Krumau vom Schloß zur St. Veits-Kirche in Bewegung.
In der Nepomuk-Kapelle ist Eleonores Grab heute unter einem roten Teppich verborgen. Auf der Grabplatte ein Totenkopf, darunter Eleonores Sterbedatum – kein Familienname, kein Adelstitel, kein Wappen.
Die Rückkehr der „Vampirprinzessin“ dürfte für die Bevölkerung ein Schock gewesen sein, der die Hysterie noch steigerte, vielleicht auch jene Maßnahmen gegen die drei als Vampire verdächtigten Personen auslöste, deren Skelette 2007 gefunden wurden.
Und auch Eleonores Grab kündet von der Angst, sie könne als Vampir umgehen: bei einer Geo-Radar-Untersuchung zeigt sich eine auffällige Unregelmäßigkeit oberhalb der Stelle, an der sich der Sarg befinden muß, die sich als gemauertes Gewölbe entpuppt, das mit großem Aufwand eigens in die Gruft eingebaut wurde, um den Zugang zu versperren: Eleonores Sarg wurde buchstäblich eingemauert. Über das gemauerte Gewölbe wurde eine Schicht Friedhofserde gelegt.
Und noch ein erstaunliches Indiz wird entdeckt. Auf einem lebensgroßen Gemälde ist Eleonore mit ihrem Sohn Joseph Adam zu sehen. Die Art der Darstellung ist für ein Frauenportrait jener Zeit durchaus ungewöhnlich; das Bild zeigt sie als bewaffnete Jägerin. Das größte Geheimnis des Bildes wird jedoch erst bei einer Röntgenuntersuchung des Bildes offenbar: das Stück Leinwand, auf das der Kopf der Fürstin gemalt wurde, besitzt eine völlig andere Struktur als die Leinwand des übrigen Gemäldes. Auf dem Röntgenbild sind die Nähte zu erkennen, mit denen das Stück Leinwand (wieder-)eingesetzt wurde. Es scheint, als wurde sogar Eleonores Bild aus rituellen Gründen „geköpft“.
Es gibt auch die Vermutung, daß die ungewöhnliche Haltung ihres rechten Arms darin begründet ist, daß Eleonore -> auf dem Bild ursprünglich einen Wolf „umarmte“ – dessen Ohren als Schatten auf dem Ärmel noch zu sehen seien.
Auf dem Svornosti-Platz am Abend kann man sich den Trauerzug, der sich „um acht Uhr abends“ in Bewegung setzte, lebhaft vorstellen. Die Pestsäule auf dem Svornosti-Platz, mit der Statue der Jungfrau Maria Immaculata an der Spitze, wurde von Marie Ernestine von Schwarzenberg gestiftet als Dank für das Ende der Pestepidemie 1682.

Evening falls auf einer der größten Burganlagen Europas.




Sonntag, 11.09.2011
Der Komplex der alten Stadtmühle in der Breiten Gasse übte auf Egon Schiele ebenso wie die gesamte Häuserlandschaft des dortigen Moldaubogens einen besonderen Reiz aus. Als Standort wählte er den Blick von der Höhe des Schloßplateaus. Von hier aus entstanden 1910 und 1911 Bilder, die den Titel Tote Stadt erhielten. Diese Version (Tote Stadt III) entstand im Mai 1911.

Der Blick auf diesen Moldaubogen heute, links also das Cafè, in dem wir Strudl und Palacinka in einem Schiele-Bild bestellten.

Japanese Whispers auf der Mantelbrücke

Der ausgedehnte Komplex der im Laufe von sechs Jahrhunderten erbauten Krumauer Burg ist um fünf Schloßhöfe herum konzentriert. Unter der Brücke beim Durchgang zum II. Schloßhof gibt es einen Bärengraben. Bären erscheinen als Wappenträger für das Wappen der Rosenberg, die rote Rose auf silbernem Grund, seit die Herren von Rosenberg Verwandtschaft mit dem italienischen Adelsgeschlecht der Orsini reklamierten. Erste Aufzeichnungen über die Bärenhaltung in Zwingern auf dem Schloß stammen aus der Zeit des Wilhelm von Rosenberg, den Bärengraben gibt es seit Beginn des 17. Jahrhunderts. Derzeitige Bewohner des Bärengrabens sind Katerina, Teresa und Wok.
Leider bestätigt sich am Morgen auf der Schloßanlage, daß wir das Barocktheater nicht sehen können, weil das tschechische Fernsehen noch zwei Tage mit Dreharbeiten beschäftigt ist. Dieses barocke Schloßtheater im fünften Schloßhof ist eine der zwei weltweit erhaltenen Barockbühnen, deren alte Bühnenmaschinerie noch voll funktionsfähig ist (die andere ist das schwedische Königliche Theater in Drottningholm), Kulissen, Dekorationen, Requisiten, Kostüme, sogar die Textbücher, alles im Originalzustand. Wir erwerben Tickets für die 1. Besichtigungstour in Englisch und verweilen noch kurz im III. Schloßhof. Die Malereien an den Fassaden sind das Werk des Malers Gabriel de Blonde, entstanden um 1575.

Eine Maid ist unsere Tourhostess für eine Stunde, sie führt durch das ursprüngliche Schloßinterieur aus der Zeit der Renaissance und des Barock. Eintrittshalle, Treppe, St. Georgs-Kapelle, die Schloßkapelle mit den Reliquien eines Kalixtus. Zur Erhebung der Reliquien von Papst Kalixtus I., um 222 in Rom gestorben, kam es im 9. Jahrhundert, später erwarb Kaiser Karl IV., passionierter Reliquienjäger, einen Teil des Schädels, und schenkte ihn vermutlich den Rosenbergern. Die Reliquien dieses Kalixt befanden sich in der Kapelle bis zum Jahre 1614, dann verschwanden sie spurlos. Aber, wundersames Geschick: man produzierte einen anderen Kalixtus, einen Märtyrer aus Nordafrika, 1663 erwarb Johann Christian I. von Eggenberg Skelettüberreste und ein kleines Gefäß mit Kalixtusblut von Papst Alexander VII.
Durch den Rosenberg-Saal in die vier Rosenberg-Renaissancezimmer, das erste ist als Schlafraum eingerichtet, die Maid fordert uns mit ein paar Fragen heraus: warum das Bett so kurz ist? Weil man im Sitzen schlief, superstitiously. Im IV. Renaissance-Zimmer das Porträt der Perchta von Rosenberg, Tochter des Ulrich II. von Rosenberg, 1449 gegen ihren Willen mit Johann von Liechtenstein verheiratet. Aus Perchtas Briefen an ihren Bruder weiß man, wie sehr sie unter ihrem üblen Gemahl zu leiden hatte. Die Ehe war für Perchta die Hölle; nach Johanns Tod stand sie ihrem Bruder auf der Burg zur Seite, schlank und ernst durch die Säle und Burghöfe gleitend, wohl darum später berühmt als Burggeist, als die „Weiße Frau“
.The maiden erzählt uns auch die schaurige Geschichte von Don Julius de Austria en détail. Don Julius prügelte Diener und schaffte böhmische Mädchen nach Belieben auf die Burg. Auf besagte Marketa, Tochter eines Baders, ging er in einem ersten Anfall mit dem Schwert los und warf die Schwerverwundete aus dem Fenster. Sie fiel in einen Burgteich, konnte sich nach Hause retten. Als Don Julius ihrem Vater mit Hinrichtung drohte, kehrte Marketa schweren Herzens auf die Burg zurück; nicht lang, bis der Wahnsinnige in rasender Wut Marketas Ende besiegelte: „He cut her to pieces for three hours.“
Vier Tage lief der Edelmann-Ripper blutverschmiert durch die Stadt, den Bürgern wurde bei seinem Anblick übel, selbst Hunde wichen ihm aus, erst nach einem Monat wurde er von einem kaiserlichen Kommando festgenommen, stieß aber noch in der Zelle Verwünschungen aus: „Ihr Sacramentsnarren, laßt mich zufrieden.“
Wir sehen die Goldene Kutsche im Eggenbergischen Saal, die Johann Anton I. von Eggenberg auf diplomatischer Mission für seinen (zweiten) Einzug zur Papstaudienz 1638 in Rom anfertigen ließ. Das Wunderwerk ist mit 2 Kilo Blattgold überzogen.
Das Schwarzenberg-Wappen war ursprünglich nur blau und weiß; Albiceleste sozusagen. Das Wappen der Eleonore, wir finden es. Sehen dann ein Gemälde von Eleonore, das wir noch nicht kannten, auf dem sie wunderschön ist.
Wir sind jetzt in Eleonores Gemächern; sehen das bekannte Porträt im dining room, der untere Rand ihres Soldatenhutes und der unnatürlich tiefschwarz übermalte Kragen lassen ahnen, daß dort der Schnitt verlief, durch den Eleonore auf diesem Gemälde „geköpft“ wurde. Wir hören noch einmal die Geschichte des „Jagdunfalls“; unsere Führerin formuliert es so: manche sagen, es war Absicht, manche sagen, Karl VI. hatte schlechte Augen. Der Untersuchungsbericht im Original, right here.
Und dann Eleonores Bett, dieses Bett, an dem Legionen von Doktoren gestanden haben müssen.
Unsere Runde endet im Maskensaal, der mit den Malereien von Josef Lederer ausgeschmückt ist. Lederer hat hier 1748 alle Möglichkeiten der Illusionskunst der Rokokozeit ausgeschöpft. Wir sind umgeben von einer aristokratischen Gesellschaft bei ihrem Karnevalstreiben, dazwischen Gestalten der Commedia dell’arte, an der Tür wachen gemalte Schloßgardisten. Ein echter Bediensteter, der eines Tages im Maskentrubel sah, wie einer schönen Dame die Perlenkette vom Hals glitt, wurde von den gemalten Grenadieren, die aus der Mauer heraustraten, daran gehindert, die Kette an sich zu bringen – Cesky Krumlov ist voll von Sagen und Geschichten, bezaubernd und spooky.
Blick vom II. Schloßhof

Die Malereien am Kastell, dem ursprünglich ältesten Teil der Burg, stammen aus der Zeit des Renaissance-Umbaus.

Der befestigte Palast der Kleinen Burg (Hrádek) mit dem Turm wurde zwischen 1291 und 1309 errichtet. Als wir das im Kastell untergebrachte Burgmuseum betreten, sagt der Kustod, der die Tickets abreißt, in feinstem Schwejk-speak: „Zwei Stockwerke ist orriginall, ich auch orriginall, bitterschön.“
Saal der Herren von der Rose

Im Saal der Krumauer Herzöge ein Portrait der Marie Ernestine von Eggenberg, geborene von Schwarzenberg, eine leidenschaftliche Leserin und eine schöne Frau, die mit französischer und italienischer Literatur die Schloßbibliothek veredelte.
In der Schatzkammer der Sakralen Kunst das Reliquiar des Hl. Reparat(us).

Die dem Reparat zugeschriebenen Reliquien stammen, so eine erhaltene Bescheinigung aus dem Jahre 1769, aus den römischen St. Agnes-Katakomben. Die Gebeine werden auf das 2. – 5. Jhdt. datiert, 1772 wurde das Skelett mit großer Zeremonie nach Krumau überführt. Die Ausschmückung der Reliquien ist das fast schon befremdlich liebevolle Werk Krumauer Klarissinnen.
In der Rüstkammer alte Flinten mit Luntenschlössern, Waffen aus dem Morgenland, und eine Verbindung aus Pistole und Jagdmesser mit der Aufschrift „Vivat Maria Terezia“. Zu sehen gibt es auch Artefakte einer Münzpräge; die Rosenberger und die Eggenberger hatten das Recht, eigene Münzen zu prägen.
In einem schmalen Gewölbe sitzt man auf alten Kinostühlen, ein Kinematograph zeigt Filmaufnahmen aus den 1920er und 1930er Jahren, Blicke auf das Krumauer Schloß, die Schwarzenbergische Garde auf dem II. Schloßhof bei der Ablösung, Privataufnahmen der Schwarzenbergs, eine Ballettszene im Barocktheater, an der Wand alte Filmplakate, Pola Negri als Carmen sexy as usual und der Golem on the loose.
Wir erklimmen den Schloßturm, schauen hinab in den Hungerturm, skull and bones da unten, ein Japaner entdeckt Freddie im Gemäuer und photographiert ihn („Oh, so cute!“),

Fledermäusen steigt indes wenig zu Kopf, Starruhm schon gar nicht,

bei den Glocken wird der Aufstieg eng und kompliziert, endlich all the way up, two views from the tower – den Schiele oft bestieg, um die Stadtseele, wie er es nannte, zu ergründen.


Wieder unten: herzlicher Plausch mit dem Kustod, fast mit Umarmung voneinander geschieden, Gulaschsuppe und Erdbeertorte in einer Burgtaverne genossen, beim Heavy-Metal-Schmied vor der Mantelbrücke erwerbe ich einen Anhänger in Form einer schwarzen Schlange, die wiederum die Form der Moldaubögen von Cesky Krumlov zu imitieren scheint.
Die Mantelbrücke.

Die ehemalige Prälatur in Cesky Krumlov hat ein bewegtes Schicksal. Ursprünglich im gotischen Stil erbaut, 1611 von den Protestanten verwüstet, später von mehreren Bränden beschädigt, die zuweilen auch in der Brauerei ausbrachen, die zu der Prälatur gehörte. Nach einem der Brände entstanden Treppenloggia und Arkadenübergang im Rokokostil.
