Was Mike Garson in diesem Stück macht, ist das Beunruhigendste, Faszinierendste, Beeindruckendste und Heftigste, das man je von einem Piano im Rock-Kontext gehört hat, Punkt. Eine der großartigsten Improvisationen, die es überhaupt je gegeben hat, genau das, was im Englischen „haunting“ heißt – es verfolgt dich für immer mit seiner bizarren Schönheit. Bowie beschwört diese schwüle Vorkriegs-Dekadenz, diese seltsame Wehmut, das Jahr 1913 erscheint in Klammern im Titel des Songs, auch das Jahr 1938, aber 1913 war auch das Jahr von „Le Sacre du Printemps“, wie schon gesagt. Es ist, als ob der „lad insane“ Strawinskys Paroxysmus im Kopf hat.
Bowie beschwört in dem Song zunächst diese traumgleiche, ominöse, extravagante Atmosphäre, etwas, das dem Untergang entgegengeht, während noch der Champagner perlt, und einen Charakter am Abgrund, crying for escape. Und dann bricht dieses komplett wahnsinnige Solo los. Anarchisch, dissonant, absolut brillant, absolut virtuos, zersplittert, zerklüftet, wie der Geist dieses Charakters selbst. Als ob alle Neuronen, alle Synapsen in die Schizophrenie britzeln. Unglaublich, einzigartig. Wirklich, ich weiß nicht, ob es etwas vergleichbar Waghalsiges gibt. Dieses Pianosolo ist todesmutig.
Man kann Bowie nicht genug rühmen für seine Furchtlosigkeit. Er gibt zwei Akkorde vor für den Mittelteil und sagt zu Garson, von dem er einiges über Avantgardemusik gehört hat: mach mal. Und der macht das in einem einzigen Take. Vor einer Weile sagte Garson, er bekommt noch immer jeden Tag Briefe und Emails wegen dieses Solos von 1973. Ich muß dem auch noch schreiben.
13 Fragen an Christian Erdmann auf netSkater.net
David let me be me and the music just flowed out. If he could have my skills, Aladdin Sane is what he might have played. I was his hands and he found these styles in my head.
Mike Garson 2023

David Bowie by Kevin Kerslake
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4 Antworten auf „Today’s Best Song Ever: David Bowie – Aladdin Sane“
Mike Garson, jaaaa, sein Piano-Spiel bei „Aladdin Sane“ ist der absolute Hammer! Sein Spiel fiel mir aber zuallererst bei „Life on Mars“ auf, der Song touched mich nach wie vor und auch bei „Lady Grinning Soul“ läufts mir heiß-kalt rauf und runter wenn Mike in die Tasten haut.
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Was für eine Version von „Life On Mars“, zum Niederknien, danke. Bowies Lächeln am Ende, watching Garson. Dieses Strahlen, das Mike Garsons Einzigartigkeit gilt, Stolz, Bewunderung, Dankbarkeit für all die Jahre der Zusammenarbeit. Bowie wußte immer genau, was er wollte, aber er hat auch immer gewußt, von wem er es bekommen kann, auch Rick Wakeman, der ja auf der Originalversion von „Life On Mars?“ spielt, hat erzählt, daß Bowie ihm komplett vertraute.
Und „Lady Grinning Soul“, oh Dear. „Heiß-kalt rauf und runter“ trifft’s. Der Song ist so gorgeous und zugleich so rätselhaft anderweltlich, das Outro (Ronsons Gitarre, damn) stürzt mich buchstäblich in Trance. Garson selbst hat als Einflüsse für sein Piano auf diesem Stück immer Chopin und Liszt genannt, die romantische Schule. Der ganze Song hat auch so eine opulente Bond-Atmosphäre, konzentriert alles an Action aber auf dekadente Lust und Schönheit. :) Bowie hat „Lady Grinning Soul“ wohl sehr geliebt, aber nie live gesungen, als hätte er die Performance für nicht wiederholbar gehalten. Für Bowie evozierte das Ganze „… a smoke-filled bar. Fans, castanets and lots of Spanish black lace and little else.“ :)
Das Bugsy Monroe-Video ist sensationell, thanks!
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Ich habe zu danken, Christian, bin immer ganz erstaunt, wieviel Hintergrundwissen du doch hast (an dem es mir mangelt, da ich mich vordergründig einfach nur dem Hören von Musik hingebe ;-)), auch finde ich es faszinierend, mit wieviel Euphorie und Liebe du hier deine Interessen zelebrierst.
Wünsche dir ein wunderbares, dich bereicherndes Wochenende ;)
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Das wünsche ich Dir auch! ❤️
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