Lange tat ich so, als haßte ich sie wie die Pest – sicheres Zeichen. Dann saß ich im Klassenraum neben ihr. Unerhört. First boy dares. Alle liehen ihr Ohr den süßen Anspielungen und warfen sich vielsagende Blicke zu. Die Störenfriede lästerten, aber allesamt begehrten sie Iris. Iris mit ihrem rotbraunen Francoise-Hardy-Haar, den Rehaugen und den langen Beinen. Sie hat mich im Zimmer ihres guten Freundes, des transvestitischen Peter T, mit Ziggy Stardust bekannt gemacht. Iris kümmerte sich nicht mehr um den Zinnober linkischer Jünglinge. Sie wußte, daß alle sie begehrten, und sie spielte die Rolle der scheuen Göttin blendend. Sie war kein Mädchen mehr. Sie war mein Inbegriff von Weiblichkeit. Irgendeine Party, die irgendein Dunstkreis von Typen nur stattfinden ließ, um Iris und mich unserem Schicksal zuzuführen, ich wußte es, Iris wußte es, alle wußten es, sie hielten ihre Gläser mit Whiskey-Cola und wollten es sehen, nun mach schon Junge, ah wie peinlich, und irgendwann im Halbdunkel küßten wir uns, und sie ließ es geschehen, aber ihre Augen sagten: „So geht das nun auch wieder nicht, junger Mann.“ Damn right. Und darum schmecken die Songs von „Goats Head Soup“ immer ein bißchen nach Whiskey-Cola und sehr nach Iris. Die Them-Version von „It’s All Over Now, Baby Blue“, die todsicher aus den verstreuten Trümmerteilen einer dieser Nächte kam, in denen man nicht wußte, wie man jetzt noch nach Hause kommen sollte, klingt nach Iris.
Ihre Arme, die sich so eng um mich schlingen, und natürlich spürt sie meine Erregung an ihrem Körper, wenn wir tanzen, und sie lacht, aber dieses Lachen bedeutete nicht, daß man rote Ohren bekommen mußte. Pink Floyd war nichts für eine beschwipste Iris. „Aaytom… atom… wie?“ Zärtlichkeiten auf dem Bett, aber sie wußte, es war zu spät. Sie war eine Frau, und eine Diva, und ich war immer noch ein Trottel, der auf dem Schulhof Fußball spielte. Und zwar mit einer grandiosen Kondition und unerbittlich, bis der jähzornige Jörg Lorenzen die Schnauze voll hatte, er hatte eigentlich immer von irgendwas die Schnauze voll, er nahm gute 20 Meter Anlauf, trat zu, rammte mir die Beine weg, für einen Moment hing ich waagrecht in der Luft und kontemplierte überrascht den Himmel, dann schmetterte ich auf die Steinplatten und rührte mich nicht mehr. Ich genoß es. Iris sah zu, und ich war soeben Opfer des hinterhältigsten Pausenfußballtacklings in der Geschichte dieses Schulhofs geworden.
Wahrscheinlich wurde sie deshalb meine Traumgöttin noch für ein Jahrzehnt. Iris of my Dream Eye.
2 Antworten auf „Iris of my Dream Eye“
„Iris“ welch‘ verzaubernder Sirenengesang! … wer könnte ihr nicht verfallen ;-)
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*sigh* ❤️
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