Brücke-Museum Berlin, 24. November 2025. Das Brücke-Museum kann immer nur 2% seines Bestandes in den Ausstellungsräumen präsentieren, drei Monate lang sind derzeit ausschließlich Gemälde von Karl Schmidt-Rottluff in einer umfangreichen Werkschau zu sehen. Zwei andere Gründungsmitglieder der „Brücke“, Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner, haben mich immer sehr beeindruckt, mit dem Werk von Schmidt-Rottluff war ich nicht so vertraut. So nutzten wir den Tag nach dem Konzert von Black Rebel Motorcycle Club im Astra Kulturhaus, um diesen mythischen Ort zu sehen, holy ground, das Brücke Museum selbst versäumt nicht, immer wieder daran zu erinnern, daß David Bowie, ein großer Bewunderer des Expressionismus und der Brücke-Künstler, während seiner Zeit in Berlin häufig hier war und zuweilen auch Iggy Pop mitnahm. Manchmal, so die unwidersprochene Legende, fuhr Bowie den Weg von seiner Wohnung in der Hauptstraße 155 bis nach Dahlem mit dem Fahrrad. Bowie ist mit der Geschichte des Brücke-Museums ebenso untrennbar verbunden wie mit der Kunst selbst: hier hatte Bowie das Gemälde „Liebespaar zwischen Gartenmauern“ von Otto Mueller bewundert (-> Today’s Best Song Ever: David Bowie – Heroes); „Roquairol“, das Gemälde von Erich Heckel,
inspirierte die Plattencover sowohl von Iggy Pops „The Idiot“ als auch von David Bowies „Heroes“.
Roquairol war also nicht zu sehen; there is always a next time. Aber es war phantastisch, das Werk von Schmidt-Rottluff zu entdecken. Es war ein schöner Tag mit ihm. Die Ausstellung läuft bis zum 15. Februar 2026.
Bildnis S. (Rosa Shapire), 1911
Sinnende Frau
Blauer Mond
Fischerbucht
Blaues Fenster
Geweihfarn und gelber Krug
Im Atelier
Stilleben mit Steinplastik
Ferner Mond
Augustnacht
Und irgendwo hier hat David Bowie sein Fahrrad abgestellt.
Interview mit David Bowie, Tagesspiegel, 2002:
Welche Orte würden Sie in Berlin gerne wieder aufsuchen?
Da ich so ein Kunstfan bin , würde ich gerne mal wieder ins Brücke-Museum gehen…
…die Sammlung der expressionistischen Künstlergruppe „Die Brücke“ am Rande des Grunewalds.
Ja, genau. Diese Periode hat mir persönlich immer besonders gut gefallen. Das wäre so etwas wie eine Pilgerreise für mich.
Die Bilder von Otto Mueller und anderen haben ja offensichtlich damals auch Ihre eigene Malerei inspiriert.
Ja, sehr stark. Es waren aber auch noch viele andere deutsche Künstler für mich wichtig.
Und wirkt dieser Einfluss noch bis heute?
Ich denke, ich war damals so besessen davon, dass er mich seitdem nicht mehr losgelassen hat. Er ist Teil meines Vokabulars als Künstler geworden.
„Das Leben ist schön und diese Arbeit ist sogar noch schöner als das Leben“, sagte einmal Kees van Dongen, dessen Lebenswerk darin bestand, schöne Frauen in einem dramatischen und modernen Stil zu porträtieren.
[barnebys.de]
Was euch zum Verderben wurde, will ich sagen: Ihr verstandet euch nicht auf die Liebe. Euch fehlte es an Kunst; durch Kunst hat die Liebe Bestand.
Ovid, Die Liebeskunst
Manchmal hat Lila, wie jede Frau von Geist, ihre Zusammenbrüche.
Max Frisch, Mein Name sei Gantenbein
Er starrte in die Schönheit seiner Geliebten mit einem Blick, der sie schon seit tausend Jahren gesucht zu haben schien und nun, wo er sie antraf, plötzlich beschäftigungslos wurde, was ein Unvermögen ergab, das unverkennbar die Züge eines Stupors, eines beinahe idiotischen Staunens an sich trug. Das Gefühl lieferte bereits keine Antwort mehr auf dieses Übermaß der Forderung, das eigentlich mit nichts anderem mehr zu vergleichen war als dem Wunsch, sich aus einer Kanone gemeinsam in den Weltraum schießen zu lassen!
Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften
Verliere deine Zeit je nach der Laune deiner Dame.
Ovid, Die Liebeskunst
Dieser Traum war vielleicht wahnsinnig, aber er war schön.
Eliphas Lévi, Geschichte der Magie
„Ihre Beine, Fräulein Clarisse“, sagte Walter, „haben mit wirklicher Kunst mehr zu tun als alle Bilder, die Ihr Papa malt!“
Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften
„Wenn es um eine Frau geht, wen interessieren da Tatsachen?“
Die Dame im See, 1947
Schließlich aber, an einem Roulettetisch, entdeckte Kit ein symmetrisches Gesicht, und es gehörte einer Frau, die man hierzulande als sphinxe Knopffienne bezeichnete. Es schwebte über dem Rouletterad und sah Kit direkt an, mit einem tierhaften, zeitlosen Blick, der jede Art von einleitendem Geplauder von vornherein ausschloss, als wüsste diese Frau bereits alles, was er mittlerweile zu erkennen glaubte – oder später erkennen würde, sofern keine Ereignisse eintraten, auf die er unbedingt sogleich würde reagieren müssen -, als besäße sie eine Gleichgültigkeit gegenüber den meisten Formen des Terrors, einschließlich derer, welche die Anarchisten jener Tage zu verkörpern oft für notwendig erachteten. Die Schwierigkeit lag in dem außergewöhnlich fahlen Bernsteinbraun ihrer Iriden: viel zu hell, um ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, kein eindeutiger Farbton, sondern eher so, als hätte eine Gelbsucht es nicht vermocht, in das Titanweiß vorzudringen, das sie umgab. Man konnte es, nahm er an, auch anders ausdrücken: Sollte man einem Hund mit derart farblosen Augen begegnen, so würde man sogleich wissen, dass das, was einen da ansah, kein Hund war.
Thomas Pynchon, Gegen den Tag
Oft hat eine stumme Miene Stimme und Wort.
Ovid, Die Liebeskunst
Liebe ist eine Art Kriegsdienst: Hinweg mit euch, ihr Faulen; ängstliche Leute dürfen nicht unter dieser Standarte kämpfen.
Ovid, Die Liebeskunst
Since a beautiful woman loves me, no one should trouble my peace. For I have been such a loyal suitor that has never been considered a false or prideful lover. Evil tongues will never wag joyfully on my account, for I seek to do no wrong; I ask nothing but that she call me her sweetheart.
(Puisque bele dame m’eime, Medieval)
Ich hatte die Fähigkeit, mich zu wundern, offenbar verloren. In der Welt des Stoffes gab es nichts das Erstaunen wertes, außer Dora Spenlow.
Charles Dickens, David Copperfield
Der will ich sein, dem sie rasend das Haar zerrauft, der will ich sein, dem sie die zarten Wangen mit den Nägeln zerkratzt, den sie weinend oder mit finsteren Blicken ansieht, ohne den sie nicht leben kann, obwohl sie es gerne wollte.
Ovid, Die Liebeskunst
Das Geschlecht des Mannes und das der Frau unterliegen der gegenseitigen Anziehung nur vermittels einer ganzen Verschwörung von Ungewißheiten, die sich zwischen beiden einschalten und unaufhörlich erneuern, ganz als ließe einer einen Schwarm von Kolibris frei, die, um ihr Gefieder sich glätten zu lassen, bis in die Hölle geflogen wären.
André Breton, L’Amour fou
Madame Lysiane hatte ihren Pensionärinnen das Tragen schwarzer Spitzenwäsche verboten. Jede andere Farbe – Rosa, Grün, Elfenbein – war gestattet, aber da sie wußte, wie schön sie in ihren schwarzen Spitzen war, konnte sie den Damen diesen Schmuck nicht erlauben. Sie bevorzugte Schwarz weniger deshalb, weil ihre milchweiße Haut in dieser Umhüllung noch sanfter schimmerte, sondern weil diese Farbe der Unterwäsche eine gewisse Feierlichkeit verleiht und sie dadurch noch frivoler wirken läßt.
Jean Genet, Querelle
Allen schien Andromache größer als billig; Hektor war der einzige, der sie für mittelgroß erklärte.
Ovid, Die Liebeskunst
Laß ihn vor deiner Türe liegen, „O grausame Pforte“ klagen und viele demütige, viele drohende Reden halten.
Ovid, Die Liebeskunst
Wie die Wüste oder der Wald bis zum Himmel erzittert, wenn des Löwen Leib erbebt, so erzitterte das ganze Zimmer vom Plüschteppich bis zur letzten Vorhangfalte am Fenster, als Madame Lysiane den Kopf, ihre zornige Mähne und ihre alabasternen (oder perlmuttfarbenen) Schultern schüttelte: Jeden Abend rüstete sie sich stolz zur Eroberung des schon besiegten Mannes.
Jean Genet, Querelle
Bei Flaubert fand man feierliche, machtvolle Gemälde, grandiosen Prunk in einem barbarischen und glänzenden Rahmen, worin glühende und zarte, geheimnisvolle und hochmütige Geschöpfe ihre Kreise zogen, aber auch Frauen, die unter ihrer vollendeten Schönheit leidende Seelen verbargen, in deren Tiefe er eine entsetzliche Zerrüttung, ein wahnwitziges Verlangen ausmachte; Frauen, die tieftraurig waren über die schreckliche Mittelmäßigkeit der vergangenen und der noch kommenden Lüste.
Joris Karl Huysmans, Gegen den Strich
Er sagt, dass er nicht fertig wird mit ihr. Wäre er eines Tages fertig, müsste er auf der Stelle tot umfallen, und so bin ich im Grunde unsterblich.
Michael Kumpfmüller, Die Herrlichkeit des Lebens
Andromache saß nie rittlings auf Hektor, weil sie himmellang war.
Ovid, Die Liebeskunst
Oft wirst du Regen ertragen müssen, der sich aus der Himmelswolke löst, und oft frierend auf nacktem Erdboden liegen.
Ovid, Die Liebeskunst
Und der eine mag vor dem anderen fliehen, das Wesentliche wissen sie doch voneinander. Und der eine mag einen neuen Freund oder eine Geliebte nehmen, er kommt ohne die geheime, ungeschriebene Erlaubnis des anderen von ihrer Gemeinsamkeit nicht los. Das Schicksal solcher Menschen vollzieht sich auf parallel verlaufenden Wegen, der andere mag noch soweit weggehen, und sei es in die Tropen.
Sándor Márai, Die Glut
Dunkle Farben stehen Schneeweißen: Der Briseis stand Dunkles; als sie geraubt wurde, trug sie auch gerade ein dunkles Gewand.
Ovid, Die Liebeskunst
Wer, sooft es ihm beliebt, „Da, nimm“ sagt, hat das Genie gepachtet.
Ovid, Die Liebeskunst
Beauty of whatever kind, in its supreme development, invariably excites the sensitive soul to tears. Melancholy is thus the most legitimate of all the poetical tones.
Edgar Allan Poe, The Philosophy of Composition
Sie zog mit der Liebe eines Malers ihre Augenbrauen nach, emaillierte sich ein wenig an Stirn und Wangen, so daß diese aus dem Naturalismus zu jener leichten Überhöhung und Entfernung von der Wirklichkeit gelangten, die dem sakralen Stil eigentümlich ist (…)
Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften
Das Altertum möge andere erfreuen, ich preise mich glücklich, daß ich erst jetzt geboren bin.
Ovid, Die Liebeskunst
Bei 0:13 hört man sowas wie ein Lachen von Nico, nach dem false start im Bataclan. Oder eben das, was in der Nico-Welt schon als Lachen zählen könnte. Es ist natürlich eher so ein anderweltlich amüsiertes „M-hm“, aber unter gewissen Voraussetzungen könnte man es als ein Lachen verstehen. Am Ende hört man Lou Reed und John Cale beim „She’s a femme fatale“-Refrain lächeln, weil Nico schon wieder einen Einsatz verpatzt hat. Wunderschöner Moment dieser drei.
Rendezvous der Träume – Surrealismus und deutsche Romantik
Kunsthalle Hamburg 07.08.2025
Die Handschrift von Salvador Dali.
Erklärung zum Regentaxi
Generalkommissariat für die öffentliche Vorstellungskraft
Das „Regentaxi“ für die snobistische und surrealistische Dame enthält ‚pflanzliche Dunkelheit‘, eine Regen-Installation im Innenraum, 200 lebendige Weinbergschnecken, 12 liliputanische Frösche, jeder von ihnen trägt eine sehr feine goldene Agrippa-Krone auf dem Kopf – Der Fahrer trägt einen Helm gefertigt aus einem Haifischgebiss. Die Dame wird vorzugsweise mit einem schäbigen Netz bedeckt sein, auf dem das Stigma von Millets Angelus und diesen sensationellen Pflückerinnen aufgedruckt sein wird.
Alles Gute für das ganze Jahr 1938
Salvador Dali
Jane Graverol, Le Sacre du Printemps, 1960.
Jane Graverol wurde am 18. Dezember 1905 in Ixelles, Belgien, geboren. Sie studierte an der Académie Royale des Beaux-Arts in Brüssel, einer ihrer Lehrer war Jean Delville. Seit den späten 1930er Jahren wandte sie sich dem Surrealismus zu; „her compositions mainly centred on strong and determined female figures. Blending fairytale with the grotesque, and often depicting the erotic female body, Graverol described her paintings as ‚waking, conscious dreams‘.“
1940 bat sie René Magritte, sich ihre Gemälde anzusehen. Er war von ihren Werken so beeindruckt, dass er seine Galeristen davon überzeugte, sie auszustellen.
Giorgio De Chirico, Portrait prémonitoire de Guillaume Apollinaire, 1914.
Giorgio De Chirico kam im Juli 1911 nach Paris und fand dort schnell die Bewunderung des Dichters Guillaume Apollinaire, der das Werk des Malers in mehreren Artikeln verteidigte. De Chirico war überaus dankbar für die Unterstützung durch Apollinaire und würdigte ihn mit diesem Porträt. Eine „vorahnende“ Zielscheibe im Profil des Dichters bezeichnet genau die Stelle, an der Apollinaire einige Jahre später während des Krieges von einem Granatsplitter getroffen wird.
Johann Heinrich Füssli, Queen Mab, 1814.
Romeo. I dream’d a dream to-night.
Mercutio. And so did I.
Romeo. Well, what was yours?
Mercutio. That dreamers often lie.
Romeo. In bed asleep, while they do dream things true.
Mercutio. O, then, I see Queen Mab hath been with you. She is the fairies‘ midwife, and she comes In shape no bigger than an agate-stone On the fore-finger of an alderman, Drawn with a team of little atomies Athwart men’s noses as they lie asleep; Her wagon-spokes made of long spinners‘ legs, The cover, of the wings of grasshoppers, The traces, of the smallest spider’s web, The collars, of the moonshine’s watery beams, Her whip of cricket’s bone, the lash of film, Her wagoner a small grey-coated gnat, Not half so big as a round little worm Prick’d from the lazy finger of a maid; Her chariot is an empty hazel-nut Made by the joiner squirrel or old grub, Time out of mind the fairies‘ coachmakers. And in this state she gallops night by night Through lovers‘ brains, and then they dream of love; O’er courtiers‘ knees, that dream on court’sies straight, O’er lawyers‘ fingers, who straight dream on fees, O’er ladies ‚ lips, who straight on kisses dream, Which oft the angry Mab with blisters plagues, Because their breaths with sweetmeats tainted are: Sometime she gallops o’er a courtier’s nose, And then dreams he of smelling out a suit; And sometime comes she with a tithe-pig’s tail Tickling a parson’s nose as a‘ lies asleep, Then dreams he of another benefice: Sometime she driveth o’er a soldier’s neck, And then dreams he of cutting foreign throats, Of breaches, ambuscadoes, Spanish blades, Of healths five fathom deep; and then anon Drums in his ear, at which he starts and wakes, And being thus frighted swears a prayer or two And sleeps again. This is that very Mab That plats the manes of horses in the night, And bakes the elf-locks in foul sluttish hairs, Which, once untangled, much misfortune bodes: This is the hag, when maids lie on their backs, That presses them and learns them first to bear, Making them women of good carriage: This is she—
Romeo. Peace, peace, Mercutio, peace! Thou talk’st of nothing.
Ein René Magritte-Auge.
Es gehört zu „Le double secret“, 1927.
„ln so far as possible, I make a point of making only paintings that give rise to mystery with the precision and enchantment necessary to the life of ideas.“ (Magritte)
Salvador Dali, Double énigme, 1936
Max Ernst sitzt auf Dostojewskis Schoß und streichelt seinen Bart. Wer würde das nicht.
Max Ernst, Das Rendezvous der Freunde (Au rendez-vous des amis), 1922
Max Ernst, Le jardin de la France, 1962
2019 konnte ich Rembrandts „Landschaft mit dem barmherzigen Samariter“ in Krakau sehen. Das Gemälde schien so magisch von innen heraus zu glühen, dass man sich fragte, welches okkulte Wissen ein Maler wie Rembrandt 1638 besaß und in sein Werk übertrug.
Jeder weiß es – Kunst läßt sich nicht reproduzieren, weder auf Papier noch digital. Man muß direkt vor dem Gemälde stehen, um seine Tiefe, seine Macht wirklich zu spüren, um beides zu erleben – die Präsenz des Künstlers in diesem Werk und das absolute Eigenleben des Gemäldes. Und manche Bilder haben dieses Leuchten, das man nicht erklären kann. So ist es auch mit „Der Goldfisch“ von Paul Klee (1925). In den mysteriösen Tiefen der Unterwasserwelt wirkt sein goldener Glanz übernatürlich, leuchtend und strahlend wie etwas Göttliches.
Oder wie eine Idee.
David Lynch: „Ideas are like fish. If you want to catch little fish, you can stay in the shallow water. But if you want to catch the big fish, you’ve got to go deeper. Down deep, the fish are more powerful and more pure. They’re huge and abstract. And they’re very beautiful.“
„Ideas are so beautiful and they’re so abstract. And they do exist someplace. I don’t know if there’s a name for it. And I think they exist, like fish. And I believe that if you sit quietly, like you’re fishing, you will catch ideas. The real, you know, beautiful, big ones swim kinda deep down there so you have to be very quiet, and you know, wait for them to come along.“
André Masson, Portait of the Poet Kleist, 1939.
Obwohl er im Ersten Weltkrieg schwer verwundet und traumatisiert wurde, verlor Masson nie seine Faszination für deutsche Kultur und Schriftsteller wie Nietzsche, Goethe oder Heinrich von Kleist.
Victor Brauner, The Philosopher’s Stone, 1940
Brauner wurde in Rumänien geboren. Aus Angst vor dem Aufstieg des Faschismus in Rumänien kam er 1930 nach Paris. Er lernte Yves Tanguy kennen und schloss sich der surrealistischen Gruppe an. Er fühlte sich zu esoterischen Ideen hingezogen, und seine Bibliothek verriet ein profundes Interesse an Magie und Alchemie.
Hätte ich ein Bild mitnehmen können, wäre es dieses gewesen. Valentine Hugo, Rêve du 21 décembre 1929.
Ihr Mädchenname war Valentine Gross. Mit einer Zeitmaschine wäre eine meiner ersten Stationen der Abend des 29. Mai 1913, das Théâtre du Champs-Élysées in Paris, die Premiere des Balletts „Le Sacre du Printemps“. Die Musik von Igor Strawinsky und die Choreographie von Vaslav Nijinsky verursachten einen der berühmtesten und berüchtigtsten Skandale der Kunstgeschichte. [Ich habe ausführlich darüber geschrieben: Le Sacre du Printemps].
Valentine Gross liebte Diaghilews Ballet Russes und hatte während der Proben zu „Sacre“ Skizzen angefertigt, die im Foyer des Theaters gezeigt wurden. Über diese Nacht schrieb sie:
„Nichts von all dem, was je über die Schlacht des Sacre du Printemps geschrieben wurde, vermittelt einen schwachen Eindruck von dem tatsächlichen Geschehen. Das Theater schien von einem Erdbeben heimgesucht zu werden. Es schien zu erzittern. Leute schrien Beleidigungen, buhten und pfiffen, übertönten die Musik. Es setzte Schläge und sogar Boxhiebe. Worte reichen nicht, um eine solche Szene zu beschreiben.
Ich weiß nicht, wie es möglich war, daß dieses Ballett, das die Zuschauer von 1913 so schwierig fanden, in einem solchen Aufruhr zu Ende getanzt wurde. Ich stand zwischen den beiden mittleren Logen, fühlte mich im Auge des Hurrikans ganz wohl und klatschte mit meinen Freunden. Ich bewunderte den titanischen Kampf, der stattgefunden haben mußte, um diese unhörbaren Musiker und diese betäubten Tänzer nach den Gesetzen ihres nicht sichtbaren Choreographen zusammenzuhalten. Das Ballett war atemberaubend schön.“
Ich bin schon so lange von diesem Ballett fasziniert, von Strawinskys Musik, ich muß nur die ersten Töne von „Sacre“ hören and it still gives me a chill. Valentines Bericht begleitet mich fast ebenso lang, und es machte mich glücklich, eines ihrer Werke in dieser Ausstellung zu finden. Ihr Traum vom 21. Dezember 1929 ist verstörend und faszinierend, ein wunderschöner Alptraum, das Bild, von dem man mich wegzerren mußte.
„In Esterles Atelier soll nun, nach einer Mitteilung Fickers, Trakl den Pinsel ergriffen und sich so gemalt haben, wie er sich einmal, nachts aus dem Schlaf aufschreckend, im Spiegel gesehen hatte.“ (Otto Basil)
Trakl-Gedenkstätte Salzburg, Foto Christian Erdmann, 09/2011
Klage
Schlaf und Tod, die düstern Adler Umrauschen nachtlang dieses Haupt: Des Menschen goldnes Bildnis Verschlänge die eisige Woge Der Ewigkeit. An schaurigen Riffen Zerschellt der purpurne Leib Und es klagt die dunkle Stimme Über dem Meer. Schwester stürmischer Schwermut Sieh ein ängstlicher Kahn versinkt Unter Sternen, Dem schweigenden Antlitz der Nacht.
Die Nacht
Dich sing ich wilde Zerklüftung, Im Nachtsturm Aufgetürmtes Gebirge; Ihr grauen Türme Überfließend von höllischen Fratzen, Feurigem Getier, Rauhen Farnen, Fichten, Kristallnen Blumen. Unendliche Qual, Daß du Gott erjagtest Sanfter Geist, Aufseufzend im Wassersturz, In wogenden Föhren.
Golden lodern die Feuer Der Völker rings. Über schwärzliche Klippen Stürzt todestrunken Die erglühende Windsbraut, Die blaue Woge Des Gletschers Und es dröhnt Gewaltig die Glocke im Tal: Flammen, Flüche Und die dunklen Spiele der Wollust, Stümt den Himmel Ein versteinertes Haupt.
Seele des Lebens
Verfall, der weich das Laub umdüstert, Es wohnt im Wald sein weites Schweigen. Bald scheint ein Dorf sich geisterhaft zu neigen. Der Schwester Mund in schwarzen Zweigen flüstert.
Der Einsame wird bald entgleiten, Vielleicht ein Hirt auf dunklen Pfaden. Ein Tier tritt leise aus den Baumarkaden, Indes die Lider sich vor Gottheit weiten.
Der blaue Fluß rinnt schön hinunter, Gewölke sich am Abend zeigen; Die Seele auch in engelhaftem Schweigen. Vergängliche Gebilde gehen unter.
Maria Zambaco, eigentlich Maria Cassavetti, geboren am 29. April 1843 in London, Tochter eines wohlhabenden griechischen Kaufmanns, Muse der Präraffaeliten, Modell für James Abbott McNeill Whistler und Dante Gabriel Rossetti, von ihrem Verehrer George du Maurier beschrieben als „rude and unapproachable but of great talent and a really wonderful beauty“. 1860 heiratet sie in London den Arzt Robert Zambaco, 1861 ziehen beide nach Paris. 1866 trennt sie sich von ihm und geht mit ihren beiden Kindern nach England zurück. Ihre Mutter Euphrosyne Cassavetti bittet Edward Burne-Jones, ein Porträtbild ihrer Tochter anzufertigen und Marias eigene Kunststudien zu fördern. Maria und Burne-Jones beginnen eine Liebesbeziehung. Im Januar 1869 findet Burne-Jones‘ Ehefrau Georgiana einen Brief von Maria in seiner Kleidung, die stürmische Affäre wird öffentlich und löst einen gesellschaftlichen Skandal aus. Maria fleht ihn an, gemeinsam mit ihr Selbstmord zu begehen durch eine Überdosis Laudanum, Burne-Jones trennt sich von ihr. Es entsteht eine Reihe von Bildern mit Marias Antlitz, das für den Maler ewige Obsession bleibt. Maria Zambaco beginnt in den 1880er Jahren mit der Bildhauerei und wird in Paris Schülerin bei Auguste Rodin. Das Porträt, das Burne-Jones 1870 malt, nach der Trennung, ist eine Liebeserklärung an Maria und Verewigung der Amour fou.
„Independently wealthy, unconventional, tempestuous and determined, she was a lover who refused to be quietly adored and Burne-Jones began to see that she wanted more than he was prepared to give. When he told her that he would never leave his ever-faithful wife Georgiana, Maria was enraged and Burne-Jones took flight, leaving her ‚tearing up the quarters of his friends‘ to use Rossetti’s words. When he eventually returned, she threatened to kill herself and there was an embarrassing scene beside the Regent’s Canal where Burne-Jones was almost arrested for rolling in the gutter with Maria as he prevented her from leaping into the water. The storm had broken and the affair was over but they remained in contact and Maria’s face continued to dominate Burne-Jones‘ art.“ [Simon Toll, sothebys.com]
Edvard Munch Madonna Dritte Fassung 1895
Als Modell für die fünf „Madonna“-Fassungen, die Edvard Munch zwischen 1894 und 1897 malt, gilt die norwegische Schriftstellerin Dagny Juel.
„Strindberg sah in ihr eine zielbewußte Messalina von letzter Teufelei, vor der man nicht weit genug fliehen konnte und die einen selbst noch in der Ferne am Band hielt. Munch dachte ähnlich und nannte sie, wenn wir unter uns von ihr sprachen, die Dame, was weiter nichts als gebotene Fremdheit besagen sollte […] Vielleicht hat Munch sie gehabt, ich weiß es nicht, nannte sie trotzdem und erst recht die Dame. Vielleicht Strindberg, leicht möglich. Wahrscheinlich hat sie viele gehabt. Besessen hat sie keiner.“ (Julius Meier-Graefe)
„Werner Hofmann suggests that the painting is a ’strange devotional picture glorifying decadent love. The cult of the strong woman who reduces man to subjection gives the figure of woman monumental proportions, but it also makes a demon of her.‘ Sigrun Rafter, an art historian at the Oslo National Gallery, suggests that Munch intended to represent the woman in the life-making act of intercourse, with the sanctity and sensuality of the union captured by Munch. The usual golden halo of Mary has been replaced with a red halo symbolizing the love and pain duality. The viewer’s viewpoint is that of the man who is making love with her.“ [wiki]
Darstellung von Heiligkeit, Darstellung eines Orgasmus, oder beides, you choose.
Dante Gabriel Rossetti Rosa Triplex 1867
„Rosa Triplex was inspired by Anthony van Dyck’s painting Charles I in Three Positions … Dante Gabriel Rossetti gave his later works literary and mythical titles, but they have no story. This prioritises their atmosphere and beauty. During this period, Alexa Wilding was Rossetti’s preferred model. He liked her commanding presence.“ [tate.org]
Gustave Moreau Hélène Glorifiée 1896
In Der Tragödie zweiter Teil (veröffentlicht 1832) läßt Goethe Helena, das Urbild der Schönheit und von Sexualität als Project Mayhem, durch Zeit und Raum zu Faust bringen. Das geflügelte Kind zu Füßen der Helena auf Moreaus Bild ist Euphorion: bei Goethe der Sohn von Faust und Helena. Krieger, Fürst, Poet: niemand hat Besseres zu tun als Helena zu verherrlichen. Damn right.
Jean Delville L’Idole de la Perversité 1891
Evelyn De Morgan Medea 1889
Edvard Munch Salome 1903
Eines meiner liebsten Werke von Edvard Munch ist Die Brosche, eine Lithographie von 1903. Zu sehen ist Eva Mudocci, eine englische Violinistin, die Munch in Paris kennenlernte. Mudocci, die hier 1903 auch als Salome erscheint, war Munchs Geliebte. Munch sagte, sie habe „Augen von tausend Jahren“. Salome jedenfalls sieht glücklich aus.
Odilon Redon Der mystische Ritter 1869
Ödipus und die Sphinx.
Fernand Khnopff Who Shall Deliver Me? 1891
Man muß schon deshalb irgendwann im Leben nach München reisen, weil „I lock my door upon myself“ von Fernand Khnopff in der Pinakothek zu sehen ist. Der Titel des Gemäldes ist eine Zeile aus dem Gedicht „Who Shall Deliver Me?“ von Christina G. Rossetti. Christina, die jüngere Schwester des Malers Dante Gabriel Rossetti, schrieb das Gedicht 1866.
Die rätselhafte Schönheit seiner Bilder, der Eindruck des Anderweltlichen, der Eindruck, daß die Seele mit einer Art von beyond in Verbindung steht, all das macht Khnopff für mich besonders faszinierend. Sein bevorzugtes Modell war seine jüngere Schwester Marguerite, und wenn Khnopffs Bildern eine Verheimlichung eingewoben ist, dann gewiß auch ihr Gegenteil, ein Hauch des Inzestuösen liegt über diesen Bildern, es offenbart sich eine mindestens intensive Beziehung, vielleicht eine unglückliche Liebesbeziehung des Malers zu seiner Schwester, mit der er, von der Welt abgeschottet, in einer verwunschenen Villa in Brüssel lebte. Für Khnopff ist Marguerite der Inbegriff der Schönheit, sie ist auch die Frau in „Who Shall Deliver Me?“. Befreiung – vom Eingeschlossensein in sich selbst? Erlösung – vom Verbergenmüssen der geheimsten Sehnsüchte? Errettung – von der Transformation in ein Wesen? Ask these eyes.
Fernand Khnopff Hérodiade [La Victoire] c. 1917
Marguerite als Herodias.
Fernand Khnopff Avec Georges Rodenbach. Une ville morte 1889
Im 1892 veröffentlichten Roman „Bruges-la-Morte“ von Georges Rodenbach erscheint Brügge als Stadt im Dornröschenschlaf, als tote Stadt, als stille Stadt. Auch David Bowie ist mit dieser Stille vertraut: Auf „The Next Day“ von 2013 heißt es in „Dancing Out In Space“: „Silent as George Rodenbach / Mist and silhouette“.
Das Cover, das Guy Peellaert, ebenfalls Belgier, 1974 für Bowies „Diamond Dogs“-LP schuf, könnte auch von Khnopffs Gemälde „Caresses“ von 1896 inspiriert sein, für Till Briegleb „einer der schönsten Momente der Kunstgeschichte, an dem finale Deutung versagen muß“ (sueddeutsche.de, 2019).
Rodenbachs Werk macht Brügge zum Anziehungspunkt für Künstler und Schriftsteller. Der Protagonist des Romans, Hugues Viane, untröstlich über den Tod seiner Frau, zieht nach Brügge, weil es die einzige Stadt für seinen Schmerz ist:
„Und wie traurig war auch Brügge an diesen Spätnachmittagen! So liebte er sie, diese Stadt! Seiner eigenen Traurigkeit wegen hatte er sie ausgewählt, um hier nach der großen Tragödie weiterzuleben. (…) Der toten Frau musste eine tote Stadt entsprechen. (…) In der stummen Atmosphäre unbelebter Kanäle und Straßen hatte Hugues seinen großen Schmerz weniger gespürt, hatte er verhaltener an die Tote gedacht. Er hatte sie besser vor Augen, besser verstanden, fand im Wasser der Kanäle ihr Ophelia-Antlitz wieder (…) Die Stadt, auch sie einst schön und geliebt, verkörperte auf diese Weise seine Klagen. Brügge war seine Tote. Und seine Tote war Brügge.“ (Georges Rodenbach, Das tote Brügge, Stuttgart 2011, 16 ff.)
Khnopff gestaltet für Rodenbachs Roman ein Frontispiz, das die schöne Tote und eine der Brücken Brügges formal in Parallele setzt und so die Identifikation von Stadt und Frau wiedergibt. In einem Essay hat Rodenbach den Gedanken weiter ausgeführt; „Les villes sont un peu comme les femmes“, schreibt er, und Brügge sei wie eine abgesetzte Königin, heute vergessen, früher eine mächtige und prächtige Monarchin. Dies scheint die Erklärung für den wehmütigen Blick auf die Krone.
Gustave Moreau L’apparition Undatiert
The head that dripped blood: „This painting picks up the iconography of the famous watercolour of the same title (Musée du Louvre, Department of Graphic Arts, Musée d’Orsay Collection), which inspired J-K Huysmans to write some wonderful passages in his novel A Rebours. It illustrates an episode taken from Chapter XIV of St Matthew’s Gospel. John the Baptist had been imprisoned for having condemned the illegitimate marriage between Herodias and King Herod. Wishing to get rid of this troublesome person, the queen asked her daughter Salome, when she had finished dancing for the king, to ask for the head of John the Baptist as her reward.
This short episode gave rise to many works focusing on the figure of Salome, who did not, however, instigate the crime. But this Jewish princess would excite the imagination of painters to become the archetypal femme fatale. (…) In this painting, we can see: on the left, Herod, hieratic on his throne next to his wife; on the right, the impassive executioner, sword in hand; in the dark background a series of lines describe figures of pagan divinities blending into a strange and disturbing architectural setting, decorated with medieval motifs. This rich ornamental decor, typical of the painter’s style, taken from the most distant centuries and civilisations, make this scene difficult to place in time and space, and adds to its enigmatic character. Gustave Moreau transforms this biblical episode into a fable, a painted poem in which the theme is meant to be edifying as well as a pretext for a dream.“ [musee-moreau.fr]
Gustave Moreau L’apparition (Detail)
SALOME Ah! thou wouldst not suffer me to kiss thy mouth, Iokanaan. Well! I will kiss it now. I will bite it with my teeth as one bites a ripe fruit. Yes, I will kiss thy mouth, Iokanaan. I said it; did I not say it? I said it. Ah! I will kiss it now . . . But wherefore dost thou not look at me, Iokanaan? Thine eyes that were so terrible, so full of rage and scorn, are shut now. Wherefore are they shut? Open thine eyes! Lift up thine eyelids, Iokanaan! Wherefore dost thou not look at me? Art thou afraid of me, Iokanaan, that thou wilt not look at me?
And thy tongue, that was like a red snake darting poison, it moves no more, it speaks no words, Iokanaan, that scarlet viper that spat its venom upon me. It is strange, is it not? How is it that the red viper stirs no longer?. . . Thou wouldst have none of me, Iokanaan. Thou rejectedst me. Thou didst speak evil words against me. Thou didst bear thyself toward me as to a harlot, as to a woman that is a wanton, to me, Salome, daughter of Herodias, Princess of Judaea!
Well, I still live, but thou art dead, and thy head belongs to me. I can do with it what I will. I can throw it to the dogs and to the birds of the air.
That which the dogs leave, the birds of the air shall devour . . .
Ah, Iokanaan, Iokanaan, thou wert the man that I loved alone among men! All other men were hateful to me. But thou wert beautiful! Thy body was a column of ivory set upon feet of silver. It was a garden full of doves and lilies of silver. It was a tower of silver decked with shields of ivory. There was nothing in the world so white as thy body. There was nothing in the world so black as thy hair. In the whole world there was nothing so red as thy mouth. Thy voice was a censer that scattered strange perfumes, and when I looked on thee I heard a strange music. Ah! wherefore didst thou not look at me, Iokanaan?
With the cloak of thine hands, and with the cloak of thy blasphemies thou didst hide thy face. Thou didst put upon thine eyes the covering of him who would see his God. Well, thou hast seen thy God, Iokanaan, but me, me, thou didst never see. If thou hadst seen me thou hadst loved me. I saw thee, and I loved thee. Oh, how I loved thee! I love thee yet, Iokanaan. I love only thee . . .
I am athirst for thy beauty; I am hungry for thy body; and neither wine nor apples can appease my desire. What shall I do now, Iokanaan? Neither the floods nor the great waters can quench my passion. I was a princess, and thou didst scorn me. I was a virgin, and thou didst take my virginity from me. I was chaste, and thou didst fill my veins with fire . . .
Ah! ah! wherefore didst thou not look at me? If thou hadst looked at me thou hadst loved me. Well I know that thou wouldst have loved me, and the mystery of Love is greater than the mystery of Death.
HEROD She is monstrous, thy daughter; I tell thee she is monstrous. In truth, what she has done is a great crime. I am sure that it is a crime against some unknown God.
HERODIAS I am well pleased with my daughter. She has done well.
[Oscar Wilde]
Gustave Moreau Œdipe et le Sphinx 1864
Das ist ein so leidenschaftlich intimer Moment zwischen der Sphinx und Ödipus, ihr Aneinander und ihr Blickkontakt so intensiv, daß man als Beobachter den Blick abwenden müsste, wenn man den Blick abwenden könnte.
Sophistication, Glamour, sprühender Esprit, feminine Eleganz, sinnlicher Charme, raffinierte Präzision, die Energieladung einer meisterlichen Linie: René Gruau, einer der bedeutendsten Modezeichner des 20. Jahrhunderts, der Mann, der die Essenz der Vision von Dior einfing und umsetzte. Ein Bild von Gruau ist wie ein Konzentrat aus Toulouse-Lautrec, Tippi Hedren und japanischer Kalligraphie.
„Elegance is fluid and therefore by definition difficult to define, but it is made of desire and knowledge, of grace, refinement, perfection and distinction.“ – René Gruau
„He captured that transitory moment when a woman feels confident, beautiful, and adored by those that are observing her.“ – Monica D. Murgia
„Bloß eine Linie? Aber sie ist die Basis aller Kunst. Mit einer einzigen Linie können wir das Erhabene (grandeur) und das Sinnliche erfassen. Die Linie wird zur Synthese der Gefühle und konzentriert das Wissen.“ – René Gruau
Inspiriert von der #MeToo-Bewegung, der auch nichts erspart bleibt, hat Clare Gannaway, Kulturschänderin Kuratorin der Manchester Art Gallery, das Gemälde Hylas and the Nymphs von John William Waterhouse abhängen und aus dem Ausstellungsraum namens In Pursuit of Beauty entfernen lassen. Postkarten dieses Gemäldes, das zu den berühmtesten der präraffaelitischen Malerei zählt, sind im Museumsshop nicht mehr erhältlich. Zu sehen ist (war) Hylas, Geliebter des Herakles und als Argonaut dessen sidekick, kurz bevor sieben Nymphen ihn kidnappen. Hylas und die Nymphen wurden ersetzt durch eine Mitteilung Gannaways über ihre Intention: „to prompt conversations about how we display and interpret artworks“. Ziel der Entfernung des Gemäldes sei es, eine Debatte auszulösen, nicht etwa, Zensur auszuüben. „It wasn’t about denying the existence of particular artworks.“ Es geht also immerhin nicht darum, so zu tun, als existiere das Gemälde nicht, oder ihm das Recht auf Existenz abzusprechen. Dafür muß man wohl sehr dankbar sein. Das Gemälde existiert seit 1896, und falls Clare Gannaway es sich doch noch anders überlegt: so sieht sie aus, die Szene am Quellteich.
Hylas and the Nymphs stehe repräsentativ für Gemälde, in denen Frauen „either as passive beautiful objects or femmes fatales“ erscheinen würden.
Weiter heißt es: „The removal itself is an artistic act and will feature in a solo show by the artist Sonia Boyce which opens in March.“ Es wird allen Ernstes von mir erwartet, nachzuvollziehen, daß das Entfernen von Kunst ein künstlerischer Akt sei. Dann sind die radikalislamistischen Taliban, die 2001 im Tal von Bamiyan die Buddha-Statuen sprengten, oder der IS, wenn er einen 2000 Jahre alten Baal-Tempel zerstört, ja wohl echte Kunst-Titanen.
„We think it probably will return, yes“, sagt Gannaway. „But hopefully contextualised quite differently. It is not just about that one painting, it is the whole context of the gallery.“
Es soll also eine Debatte darüber angeregt werden, „how such images should be displayed in the modern age“. Ich würde sagen, auch in der bis vor kurzem noch halbwegs zurecht so genannten Moderne: an möglichst guten Nägeln.
„Rekontextualisierung“ bedeutet hier, daß mir vorgeschrieben wird, wie ich zu intepretieren habe; mir wird vorgeschrieben, was ich denken soll.
Kunst zu entfernen aus ideologischen Gründen oder als Entgleisung völlig irregeleiteter PC ist genau das: Zensur. Es gibt keine Debatte über ein Bild, das nicht mehr da ist, es gibt nur eine Debatte über den barbarischen Akt des Entfernens. Ein Bild von 1896 soll im gegenwärtigen Klima unpassend und unzumutbar für den Museums-Besucher sein: wie hat es der Neopuritanismus geschafft, Bilderstürmerei als cool zu verkaufen? Schöne Neue Welt, viktorianischer als die Viktorianer. Machen wir uns nichts vor, das Zeitalter der Aufklärung geht zuende. Das tägliche Feuerwerk der neuen Prüderie ist beängstigend, und daß der Feminismus hier in vorderster Front mitspielt, ist erschütternd. Lisa Eckhart hat recht.
Camille Paglia übrigens auch:
„Second-wave feminism went off the rails when it was totally unable to deal with erotic imagery, which has been a central feature of the entire history of Western art ever since Greek nudes.“
Mary „Slasher“ Richardson attackierte 1914 in der National Gallery die Venus von Velázquez mit einem Fleischerbeil und erklärte ihren Anschlag auf die Schönheit damit, daß Mrs Emmeline Pankhurst viel schöner sei. Später wurde Mary Richardson führendes Mitglied bei Mosleys Faschisten.